"Erschütternde Aufnahmen" - Audiodateien im Block-Prozess
Schreie und Wimmern eines Kindes, schweres Atmen und Männerstimmen: Im Prozess um die Entführung zweier Block-Kinder hat das Landgericht Hamburg Aufzeichnungen eines Alarmknopfes abgespielt. Diesen trug der Sohn von Christina Block bei der Entführung in der Silvesternacht 2023/2024 und hatte ihn aktiviert.
Als die neun Audiodateien am 22. Verhandlungstag insgesamt eine halbe Stunde lang abgespielt werden, ist es ganz still im Gerichtssaal. Die Angeklagte Christina Block und ihr Ex-Mann Stephan Hensel, die seit Jahren einen erbitterten Sorgerechtsstreit führen, hören mit gesenktem Kopf und offensichtlich großer Betroffenheit zu. Die Worte ihres damals zehnjährigen Sohnes sind auf den Aufnahmen nur schwer zu verstehen, aber die Angst des Kindes ist spürbar.
"Back home to Mama" - "No!"
Die Männer sprechen meist in einer fremden Sprache. Einmal ist zu hören, wie einer von ihnen sagt: "Back home to mama." Jemand berichtet später auf Deutsch mit Akzent: "Wir gehen zu deiner Mama." Eine Stimme ruft "No!" (Nein). Im Hintergrund sind mehrfach Knallgeräusche zu hören.
Während des Feuerwerks hatten laut Anklage Mitarbeiter einer israelischen Sicherheitsfirma den Vater in der Nähe seines Hauses in Süddänemark überwältigt und waren mit dem Jungen und dem Mädchen (13) bis kurz vor die dänisch-deutsche Grenze gefahren. Dann gingen sie zu Fuß durch einen Wald auf die deutsche Seite. Einer der sieben Angeklagten, ein in Untersuchungshaft sitzender Israeli (36), hat das Tatgeschehen umfangreich gestanden.
Block sehr erschüttert
Als die Audiodateien verstummen und die Richterin eine kurze Pause festlegt, schlägt Block die Hände vor ihr Gesicht. Ihr Lebensgefährte, der Ex-Sportmoderator Gerhard Delling (66), setzt sich zu ihr. Anschließend sagt Blocks Verteidiger Ingo Bott: "Das sind erschütternde Aufnahmen." Er nehme seine Mandantin auch sehr erschüttert wahr. Keine Mutter würde so etwas für ihre Kinder wollen.
Die Unternehmerin Block ist gemeinsam mit sechs weiteren Beschuldigten wegen Kindesentziehung angeklagt. Sie soll den Auftrag erteilt haben, zwei ihrer vier Kinder aus der Obhut ihres Ex-Manns in Dänemark zu entführen. Die 52-Jährige bestreitet das. Auch Delling, dem Beihilfe vorgeworfen wird, betont, nichts Unrechtes getan zu haben.
Alarmknöpfe von der dänischen Polizei
Im September 2021 - rund einen Monat, nachdem Hensel die Kinder nach einem Wochenendbesuch bei sich behalten hatte - hatte Christina Block nach eigenen Angaben mit ihrem Lebensgefährten Delling die Schule in Dänemark besucht, auf die die Tochter damals seit wenigen Wochen ging. Sie sprach mit dem Schuldirektor und sah das Mädchen kurz. Block hatte in einer Erklärung vor Gericht ihrem Ex-Mann vorgeworfen, aus dem Besuch einen Entführungsversuch gemacht zu haben.
Im Anschluss bekam zunächst die Tochter einen Alarmknopf von der dänischen Polizei, später auch der Sohn. Nach einer Aktivierung konnten die Beamten den Standort der Kinder erkennen und Gespräche mithören.
Angeklagter erkennt seine Stimme wieder
Auch der geständige israelische Angeklagte zeigte sich von den Audiodateien betroffen. Er habe seine Stimme erkannt, die auf Hebräisch "Langsam, langsam!" gesagt habe. Er und die Mittäter hätten die Kinder zu beruhigen versucht, in dem sie ihnen sagten, dass sie zu ihrer Mama zurückgebracht werden. "Ich dachte, dass die Kinder sehr froh sein würden, dass wir sie zurückbringen, aber das war nicht der Fall", sagte der 36-Jährige nach den Worten eines Dolmetschers. Der Israeli bekräftigte seinen Appell an die Eltern, ihren Streit um die Kinder zu beenden.
Das Gericht zeigte im Anschluss Aufnahmen einer Überwachungskamera am Haus, in dem Hensel vor der Entführung mit den Kindern wohnte. Zu sehen ist die Eingangstür des Hauses, das in der Dunkelheit weihnachtlich beleuchtet ist. Zwei Frauen sind abwechselnd vor der Tür zu sehen. Eine klingelt und klopft, aber es öffnet niemand.
Tür für Weihnachtsgeschenk nicht geöffnet
Gül Pinar, die Verteidigerin eines mitangeklagten Hamburger Sicherheitsunternehmers, erklärte, die beiden Frauen hätten damals im Auftrag von Großvater Eugen Block ein Weihnachtsgeschenk für dessen Enkel abgeben sollen. Es sei nicht darum gegangen, das Haus auszukundschaften.
Das sieht der Anwalt von Nebenkläger Hensel anders. Angesichts eines bereits zuvor erfolgten Entführungsversuchs sei es normal gewesen, den etwa 25-minütigen Aufenthalt der Frauen vor der Tür und auf dem Privatgrundstück als Bedrohung wahrzunehmen, sagt Philip von der Meden.
Verteidiger wirft Hensel "Geisterfahrt" vor
Dellings Verteidiger stellte in einer Erklärung zur Zeugenaussage von Hensel im September fest, dass Christina Block das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder bis zum 5. Januar 2024 gehabt habe. Das Hanseatische Oberlandesgericht habe dies am 27. Oktober 2021 entschieden. Dem Gericht zufolge habe das dem Wohl der Kinder entsprochen, während es bei dem Vater gefährdet sei. Darum könnten die Angeklagten keine Kindesentziehung begangen haben, erklärte Verteidiger David Rieks.
Hensel habe dagegen mit seiner Aussage eine Kindesentziehung gestanden. Er habe eingeräumt, dem glasklaren Gerichtsbeschluss zuwider gehandelt zu haben. Hensel habe im Jahr 2021 eine "Geisterfahrt" gegen alle familienrechtliche Entscheidungen in Deutschland begonnen.
Diese Beschlüsse seien im aktuellen Prozess nicht so relevant wie oft dargestellt, erwiderte der Anwalt von Bocks Ex-Mann. "Die Kinder haben Anspruch darauf, nicht entführt zu werden."