Haustier-Boom in China: Wie Retter mit den Folgen kämpfen
Wer bei Huzi vor dem Hoftor steht, darf mit einem schallenden Empfang rechnen. Der Chinese lebt etwa 300 Kilometer nordöstlich von Peking in der kleinen Stadt Pingquan - zusammen mit mehr als 100 Hunden. Unter der sengenden Sommerhitze bittet Huzi begleitet von Gebell auf sein Grundstück - ein weitläufiger Innenhof umringt von vielen kleinen Zwingern, in denen die Hunde leben.
Huzi (Chinesisch für Bart), der mit bürgerlichem Namen anders heißt, machte seine Leidenschaft zum Beruf. "Ich habe etwa zehn Jahre lang in Peking gearbeitet und habe ein paar Ersparnisse", erzählt er. Mit diesem Polster zahlt er das Futter und alles, was die Tiere sonst noch brauchen. In sozialen Netzwerken teilt er Videos von seinen Hunden und erhofft sich durch den Online-Verkauf verschiedener Produkte zusätzliche Einnahmen.
"Einige sind meine eigenen Hunde, einige habe ich adoptiert und einige stammen von anderen Leuten", sagt Huzi. Darunter sind auch Straßenhunde. Sie sind ein Sinnbild für die Schattenseite eines boomenden Wirtschaftszweigs in China: den Markt für Haustiere.
Ein Trend mit Schattenseiten
Während Chinas Geburtenrate seit Jahren sinkt, entscheiden sich immer mehr Stadtbewohner für einen Hund oder eine Katze. 2018 lebten laut Marktanalysen zusammengerechnet geschätzt 91,49 Millionen davon in Chinas Städten, im vergangenen Jahr waren es bereits 124,11 Millionen. Etwa 52,6 Millionen davon waren Hunde.
Analysten halten es für möglich, dass in den kommenden Jahren mehr Haustiere als Kinder im urbanen China leben könnten. Doch was, wenn die Tiere plötzlich unerwünscht sind? Schätzungen gehen davon aus, dass in China 2024 rund 40 Millionen Straßenhunde durch die Gegend streiften. Darunter fallen ausgesetzte, entlaufene oder herrenlosen Tiere.
Was passiert mit den Tieren?
Wie die Behörden mit Straßenhunden umgehen, bleibt oft unklar. Offizielle Statistiken gibt es dazu nicht. Das zuständige Ministerium für öffentliche Sicherheit sowie die Behörde, die für die Stadt Peking zuständig ist, ließen eine Anfrage unbeantwortet.
"Tiere werden oft aus einem Impuls heraus gekauft, ohne dass man sich der langfristigen Verantwortung bewusst ist", teilt die Tierrechtsorganisation Peta auf Anfrage mit. Tierheime im Land seien überfordert. Peta ist deshalb über den wachsenden Haustiermarkt besorgt - auch weil Züchter ungewollte Hunde und Katzen manchmal als Fleisch verkauften. China brauche dringend ein Tierschutzgesetz, hieß es.
Warum Tiere ausgesetzt werden
Zhao Xinqi sieht das genauso. Für ihn steht fest: China braucht strenge Vorgaben für Zucht und Tierwohl. Nahe der Stadt Langfang, etwa 90 Kilometer südlich von Peking, betreibt der 51-Jährige eine Hunde-Rettungsstation mit fast 500 Tieren. Den Hof finanziert er mit Spenden oder Hunde-Partnerschaften. Manche Tiere bleiben für immer dort, andere finden neue Besitzer, mitunter sogar im Ausland.
Auch Zhao hat den Eindruck, dass die Zahl ausgesetzter Hunde in China steigt. "Manche Leute halten sich einen Hund, aber wenn sie verreisen müssen, es gesundheitliche Gründe gibt oder sie wegen der Arbeit umziehen, werfen sie die Hunde oder Katzen auf die Straße", sagt er. Aus seiner Sicht kümmern sich vor allem selbstlose Menschen um Straßenhunde. Wie die Behörden mit solchen Tieren umgingen, wisse er nicht, sagt der 51-Jährige.
Rettung vor dem Kochtopf
Viele Tiere auf Zhaos Hof stammen aus Peking und der darum liegenden Provinz Hebei. Andere rettet er buchstäblich davor, auf dem Teller zu landen. Denn laut Zhao verkaufen manche Leute ihre Hunde auch an Hundefleisch-Restaurants. Zwar ist Hundefleisch in China kein Alltagsgericht. Doch in Yulin in der südchinesischen Provinz Guangxi findet jeden Sommer ein Hundefleisch-Fest statt.
Zhao reist seit Jahren vor Beginn des Festes nach Yulin. In einem aus Deutschland gespendeten, umgebauten Pferdeanhänger bringt er viele vor dem Schlachten gerettete Tiere auf seinen Hof. Regelmäßig würden Hunde aus dem Norden illegal über die Autobahn nach Yulin gebracht, sagt Zhao. Er könne sich nicht erklären, warum das seit Jahrzehnten möglich sei. Mit anderen Rettern habe er Fahrzeuge auch schon abgefangen oder der Polizei gemeldet. "Aber es hat die Aufmerksamkeit der Regierung nicht auf sich gezogen", erklärt Zhao.
Die Lage in Yulin verbesserte sich nach Zhaos Eindruck in den letzten Jahren. Das liege auch am Publikum. "Hauptsächlich ältere Leute essen das Fleisch, jüngere Menschen ändern sich da gerade und essen diese Dinge nicht mehr", sagt er. Früher kamen zudem mehr Besucher von außerhalb zu dem Fest. Das sei heute anders.