Das SID-Kalenderblatt am 10. April 2020: Der Tag, an dem Birgit Dressel starb
Das SID-Kalenderblatt am 10. April 2020: Der Tag, an dem Birgit Dressel starb
Hamburg (SID) - Pillen, in allen Farben des Regenbogens. Dazu Dragees und Trinkampullen, außerdem jede Menge Spritzen. Vollgepumpt mit Dopingmitteln verstarb die Siebenkämpferin Birgit Dressel am 10. April 1987.
Es war ein qualvoller Tod, offiziell setzte ein Multiorganversagen dem Leben der damals knapp 27-Jährigen ein Ende. Der Fall ist bis heute nicht restlos aufgeklärt, doch der bundesdeutsche Sport hat durch Dressel seine Unschuld verloren.
Der Tod von Dressel "bleibt bis heute eine der größten Tragödien des deutschen Sports", sagte Präsident Alfons Hörmann vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) einmal. Für viele Experten ist die Athletin ein Opfer medizinischer Praktiken geworden, die unverantwortlich waren. Doping-Experte Fritz Sörgel nannte Dressels Tod "eine Folge des massiven Gebrauchs und Missbrauchs aller möglichen Stoffe. Von harmlosen Nahrungsergänzungsmitteln bis zu Dopingmitteln in Höchstdosen."
Dressel, 1986 in Stuttgart EM-Vierte, war im Kampf um sportlichen Erfolg zum Wrack behandelt worden. Mit hunderten Spritzen, tausenden Tabletten. Dies ging aus den Berichten der Ermittler hervor, "Dokumenten des Schreckens", die das Nachrichtenmagazin Der Spiegel 1987 in Auszügen veröffentlichte. Dressel steht für eine Ära, in der die Bundesrepublik der DDR an Skrupellosigkeit in nichts nachstand.
Allein ihr Freiburger Arzt Armin Klümper, damals Guru für viele westdeutsche Spitzenathleten und heute hochumstritten, hatte Dressel, so das Ermittlungsergebnis, in den zwei Jahren vor ihrem Tod 400 Injektionen verabreicht. Rund 100 verschiedene Medikamente habe Dressel verwendet, alleine in der Wohnung von Dressel und Thomas Kohlbacher, ihrem Verlobten und Trainer, stellten Ermittler Dutzende Mittel sicher.
Die "im höchsten Maße gesunde" Birgit Dressel, wie sie Klümper gegenüber der Kripo nannte, war laut Spiegel "in Wahrheit eine chronisch kranke, mit Hunderten von Arzneimitteln vollgepumpte junge Frau".
Dressels letztes Martyrium begann mit heftigen Schmerzen. 48 Stunden später war sie tot.
2012, 25 Jahre nach Dressels Tod, endeten die letzten Untersuchungen. Zu einem öffentlichen Prozess ist es nie gekommen. "Dass das Verfahren gegen Personen aus ihrem Umfeld damals eingestellt und niemals jemand zur Verantwortung gezogen wurde, ist eine bittere und typische Erkenntnis aus dieser Zeit", sagte Hörmann.