Das SID-Kalenderblatt am 28. August: Rudi Altig wird Rad-Weltmeister auf dem Nürburgring
Das SID-Kalenderblatt am 28. August: Rudi Altig wird Rad-Weltmeister auf dem Nürburgring
Köln (SID) - Der 28. August 1966 geht als Jahrhundertereignis für den deutschen Profi-Radsport in die Annalen ein, denn beim Heimspiel auf dem legendären Nürburgring düpierte der Mannheimer Rudi Altig die komplette Weltelite mit dem fünfmaligen Tour-de-France-Sieger Jacques Anquetil an der Spitze.
Das Rennen über 273,7 Kilometer auf dem hügligen, anspruchsvollen Terrain verlangte den Profis alles ab. Über 100.000 begeisterte Zuschauer säumten die Strecke in der "grünen Hölle" - und hofften natürlich, dass Altig das Regenbogentrikot überstreifen würde. Sie wurden nicht enttäuscht.
Aber gegen Ende des Rennens sah es nicht danach aus, als ob Altig noch in die Entscheidung eingreifen könnte. Eine siebenköpfige Spitzengruppe hatte sich abgesetzt, darunter Anquetil, Italiens Radsport-Heros Felice Gimondi und Frankreichs Publikumsliebling Raymond Poulidor. Altig hatte den Anschluss verpasst, zeigte aber Kämpferqualitäten.
Er schaffte es schließlich, wieder aufzuschließen, und in einem langgezogenen Schlussspurt gab "Sacre Rudi", "heiliger" oder "verflixter Rudi", wie er in Frankreich in doppelter Bedeutung genannt wurde, nach 7:21:10 Stunden der Konkurrenz das Nachsehen. Anquetil wurde Zweite, Poulidor Dritter; beide waren zeitgleich mit dem neuen WM-Champion.
Das Regenbogentrikot behielt Altig im Übrigen nicht für sich. "Das habe ich nach der Siegerehrung dem Patron meines italienischen Rennstalls, Pietro Molteni, geschenkt", gab er auf Nachfrage preis. Ein Duplikat des Weltmeister-Trikots von 1966 hängt heute im Haus der Geschichte in Bonn.
Die bundesdeutschen Fans hatten jedenfalls eine neue Sport-Ikone, die Wahl Altigs zu Deutschlands Sportler des Jahres 1966 war fast eine Selbstverständlichkeit. Altig avancierte zu einem deutschen Radsport-Helden.
"Das Radfahren ist ein roter Faden in meinem Leben, den schneide ich, solange ich lebe, nicht durch", hatte Altig einmal dem Sport-Informations-Dienst (SID) in einem Interview gesagt. Über eine Million Kilometer hat der gebürtige Mannheimer, der in seiner Kindheit eigentlich lieber Fußball spielte, im Sattel abgespult. Zu verdanken hat er dies seinem zwei Jahre älteren Bruder Willi, der selbst Radprofi war. Diesem eiferte Rudi Altig nach und überflügelte ihn schließlich sogar.
Acht Etappensiege bei der Tour und 18 Tage im Gelben Trikot konnte er vorweisen. Doch den größten Triumph feierte Rudi Altig, der am 11. Juni 2016 im Alter von 79 Jahren nach langer Krankheit verstarb, an jenem legendären Tag auf dem Nürburgring 1966.