"Logan": Ein müder Krieger sagt eindrucksvoll Lebewohl
Ab dem 2. März heißt es auf Wiedersehen sagen: In "Logan" geht Hugh Jackman auf große Abschiedstournee als Comicheld Wolverine - und das nicht nur ausgesprochen brutal und düster, sondern auch sehenswert.
Die traurige Nachricht, dass Hugh Jackman nach "Logan" die Klauen für immer an den Nagel hängen wird, ist schon seit längerem bekannt. Nach zuletzt allenfalls witzigen Kurzauftritten in den "X-Men"-Streifen und insgesamt eher mauen Solo-Filmen schien man mit der Entscheidung des inzwischen 48-jährigen Schauspielers leben zu können. Doch dann kommt "Logan" daher, überzeugt mit ungemein düsterer, eindringlicher Story und lässt während des Abspanns wohl jeden Kinosaal der Welt unisono betteln: "Hugh, bitte geh nicht!"
Der Held wider Willen
Rotzbesoffen wie sein Superhelden-Kollege "Hancock" liegt er da. Aus dem animalischen, energiegeladenen Mutanten Wolverine ist in "Logan" ein hemmungsloser Alkoholiker geworden, der seinen Lebensunterhalt als Limo-Fahrer für reiche Schnösel bewältigt - keine gute Kombination. Entsprechend rüde weist er die Bitte einer Frau ab, wenigstens noch einmal in seinem verkorksten Leben als strahlender Held den Tag zu retten, indem er sie und ein junges Mädchen über die Grenze nach Mexiko schleust. Er hat schließlich eigene Pläne, will mit dem geistig verwirrten Professor X (Patrick Stewart) ein Boot kaufen und der verhassten Zivilisation endlich den geschundenen Rücken kehren.
Doch natürlich blitzt es noch einmal auf, das Gute in seinem Herzen. Spätestens als er feststellen muss, dass es sich bei dem Mädchen um eine der ersten neuen Mutantinnen seit Jahrzehnten handelt, die von erbarmungslosen Soldaten gejagt wird. Und so raffen sich er und Professor X noch einmal auf, um die Kleine in Sicherheit zu bringen. Bei der Jagd quer durch die USA setzten die Verfolger aber immer verheerendere Waffen und unmenschlichere Methoden ein. Und auch der labile Xavier und das wilde Mädchen Laura bringen Logan an die Grenzen seines zunehmend gebrechlichen Körpers. Schließlich aber muss er erschüttert feststellen, dass er selbst sein größter Feind ist - und das gleich in doppelter Hinsicht...
Entgegen aller Hoffnung
Fast ist der geneigte Zuschauer zu Beginn des Films gewillt, es Wolverine gleich zu tun und sich hemmungslos volllaufen zu lassen. Von dem zotigen, nie um einen coolen Spruch verlegenen Mutanten ist nichts übrig geblieben. Und auch die präsentierte Ausgangslage unserer über die Jahre so lieb gewonnener Figuren ist dermaßen deprimierend, dass einem der Griff zur Flasche als durchaus logisch erscheinen könnte. Schon klar, die Rechte für das "X-Men"-Universum liegen seit jeher bei 20th Century Fox - wer aber dennoch glaubte, von "Logan" die für Marvel-Verfilmungen typisch launige Unterhaltung geboten zu bekommen, wird sich schon nach Minuten verdutzt die Augen reiben müssen.
Wolverine ist Alkoholiker, Professor X dement und sein einst herausragender Geist die vielleicht labilste Massenvernichtungswaffe des Universums. Auch deshalb will Logan mit ihm auf einem Boot gen Ozean abhauen: um seinen alten Freund vor der Menschheit, und die Menschheit vor seinem alten Freund zu schützen. Gelacht wird bei all dem herzlich wenig, was durchaus als positiv angesehen werden kann. Denn diesen Markt haben die "Avengers", "Guardians of the Galaxy", "Ant-Man" und wie sie alle heißen, mehr als ausreichend abgedeckt. Die Konkurrenz von DC, die sich seit der "Dark Knight"-Trilogie auf eine düstere Grundstimmung versteift hat, scheitert seither leider auch an einer qualitativ hochwertigen Umsetzung derselben. Da kommt "Logan" gerade recht.
"T2: Leon on the Road"
Gleich drei herausragende Filme lassen sich als Inspirationsquelle für "Logan" festmachen. Wenn er und das kleine Mädchen etwa gemeinsam Schurken meucheln, erinnert das streckenweise an Luc Bessons Meisterwerk "Leon - Der Profi" mit der damals blutjungen Natalie Portman und Jean Reno. Der zusehends verzweifeltere Kampf des vermeintlich unzerstörbaren Wolverine und die erbarmungslose Verfolgung eines übermächtigen Feinds - das gleicht hingegen "Terminator 2: Tag der Abrechnung". Auch darin versucht der Protagonist entgegen jeder Hoffnung, ein Kind vor dem sicheren Tod zu bewahren.
Die bedeutendste Referenz hinsichtlich der Tonalität des Films zieht "Logan" aber ganz klar vom grandiosen Steifen "The Road" mit Viggo Mortensen. Ein Vater und sein Sohn, die in einer apokalyptischen Welt gemeinsam nicht mehr als einem Traum, der leisen Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben hinterhertaumeln: Dieses deprimierende Leitmotiv lässt sich auch für Logan und seine kleine Begleiterin identifizieren. Und wie bei allen drei genannten Filmen wird es den meisten Zuschauern gleich mehrfach die Tränen in die Augen jagen.
Denn was "Logan" wirkungsvoll schafft, ist die Beziehung zwischen Wolverine, Professor X und dem Mädchen Laura schier herzzerreißend zu inszenieren. Wie eine glückliche Familie aus drei Generationen, die sich auf einer Spritztour durch die USA befindet, muten sie mitunter an. Und genau das wären sie auch gerne, geben sich vor Leuten als diese glückliche Familie aus - wohl wissend, dass sie es nie sein werden und der Tod auf alle lauert, die ihnen für einen Augenblick ein normales Leben gewähren.
Freigabe ab 16?
Von bislang allen gedrehten Superhelden-Filmen entpuppt sich "Logan" tatsächlich als der brutalste. Einzig der Klamauk-Antiheld "Deadpool" kam mit ähnlich heftigen Szenen und Schimpfwörtern daher. Wer auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht hat, mit seinem Kind in den Film zu gehen, sollte diesen Gedanken schnell wieder verwerfen: Abgetrennte Gliedmaßen und Köpfe sind an der Tagesordnung. Klauen, die in Zeitlupe in Gegner eindringen, selbst ein komplett platzender Schurke werden in "Logan" schonungslos gezeigt. Da verwundert selbst die Freigabe ab 16 etwas, zeigte sich die deutsche FSK traditionell doch eigentlich immer sehr sensibel bei expliziter Gewaltdarstellung.
Dennoch wirkt die Gewalt im Fall von "Logan" nicht wie ein bloßes Mittel zum Zweck, so viel Blut wie möglich auf die Leinwand zu klatschen. Die erbarmungslose Darstellung trägt zu der düsteren, verzweifelten Stimmung des Films bei und macht den Zuschauern von der ersten bis zur letzten Reihe deutlich, um was es bei der Geschichte geht: um alles.
Fazit:
Mit "Logan" wurde ein düsterer, brutaler und gleichzeitig würdiger Abschied von Hugh Jackman als Wolverine geschaffen. In der Rolle des gebrechlichen Mutanten geht der charmante Australier voll auf, auch Patrick Stewart als geistig verwirrter Professor X ist ebenso rührend wie eindringlich. Von Newcomerin Dafne Keen als Laura Kinney ganz zu schweigen. Wem explizite Gewaltdarstellung nichts ausmacht und wer dem denkwürdigen Abgang einer Comicfilm-Legende beiwohnen will, sollte die "Logan"-Karten umgehend reservieren.