Oliver Stone: "Viele Menschen werden den Film meiden"

Regisseur Oliver Stone polarisiert mit seinen Filmen. Mit "Snowden" wagt er sich an ein weiteres, heikles Polit-Thema. Ein Interview über die Hintergründe, die Finanzierung, Politik und zwei Seelenverwandte.
Oliver Stone (70) hat in seiner Karriere bereits Erfolgsfilme wie "Platoon", "Geboren am 4. Juli" oder "Wall Street" abgeliefert. Er gilt als einer der gefürchtetsten Regisseure in Hollywood, der in seinen Filmen gerne heikle politische Stoffe thematisiert. In "Snowden" nimmt er sich nun den als Whistleblower verschrienen ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden vor, der geheime Dokumente der US-Geheimdienste entwendet und an Journalisten übergeben hat. Dadurch wurde die Massenüberwachung der USA offengelegt. Für die Amerikaner ist Snowden entweder ein Held oder ein Verräter.
Einen Trailer zu "Snowden" sehen Sie hier
Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news spricht Oliver Stone über die schwierige Finanzierung seines Projekts, Politik und den einfachen jungen Mann namens Edward Snowden.
Stone selbst versteht sich als Dramatiker, wie er im Gespräch erklärt. Er schreibe, führe Regie und bereite Storys auf. Doch sei es ihm anfangs schwer gefallen, diese Geschichte, die so breit gefächert ist, für den Kinozuschauer verständlich zu machen. Edward Snowdens Enthüllungen gingen weit darüber hinaus, was die meisten Menschen verstehen können. Anfangs wollte der 70-Jährige den Film gar nicht machen. Erst als er Edward Snowden in Moskau persönlich kennenlernte und mit ihm gesprochen habe, habe er sich für das Projekt entschieden. Neun Mal reiste er nach Russland und sammelte so viele Informationen wie möglich, prüfte Fakten und sprach mit Menschen, die in den Fall verwickelt waren.
Die Deutschen sprangen ein
Doch die Finanzierung des Films sei alles andere als einfach gewesen. "Alle großen Studios haben abgelehnt", so Stone. Für ihn eine "große Enttäuschung". Dank der Hilfe aus Deutschland und kleineren Summen aus Frankreich und auch aus Amerika, sei es möglich gewesen, den Streifen zu realisieren. Immerhin handele es sich um ein großes Projekt. Gedreht wurde dann größtenteils sogar in München. Zum Beispiel im alten Postamt und im Olympiastadion. Stone lobte die Dreharbeiten in Deutschland in den höchsten Tönen. "Sehr komfortabel, geradezu exzellent", schwärmt der Hollywood-Regisseur über die deutschen Begebenheiten.
Als Grund für die Absage der großen US-Studios sehe er in erster Linie Selbstzensur. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die NSA die Studios kontaktiert hat. Die hatten uns bestimmt nicht auf dem Schirm", so Stone. Dennoch sei der Einfluss der NSA riesig. Schließlich arbeiten dort 30.000 Menschen und bisher seien nur drei Personen an die Öffentlichkeit getreten. Verwundert sei er darüber allerdings nicht. Nach Snowdens Enthüllungen wurden seinen Informationen nach 17 Personen entlassen. Selbst jemand, der nur mit ihm am gleichen Mittagstisch saß, wurde demnach gefeuert.
"Gegensätze ziehen sich eben doch an"
Besonders wichtig für die Story sei für Stone vor allem Edward Snowdens Freundin, Lindsay Mills, gewesen. Im Film wird sie von Shailene Woodley (24, "Das Schicksal ist ein mieser Verräter") gespielt. Mills ist laut Stone Snowdens "Seelenverwandte". Dieses romantische Konzept von Liebe aus dem Mund von einem der gefürchtetsten Regisseure Hollywoods zu hören, überrascht durchaus. "Es ist eine seltsame Geschichte", so Stone weiter. "Sie ist extrovertiert, er ist introvertiert. Gegensätze ziehen sich eben doch an", lautet sein schlichtes Resümee. Mills sei keine Ablenkung gewesen, sondern die Person, die ihn stets den Rücken freigehalten habe.
Für die Rolle von Snowden kam für Stone nur Joseph Gordon-Levitt (35, "Don Jon") in Frage. Weil er so eine sanfte Ausstrahlung habe und auch sehr Computer orientiert sei. Für Stone ist Edward Snowden weder Held noch Verräter, sondern schlichtweg ein junger Mann, der seinen Prinzipien treu geblieben ist. Einer, der sehr patriotisch sei. Einer, der zum Militär wollte, sich dann aber bei der CIA und NSA einen Namen machte, da er sich gut mit PCs auskennt. Auf seinem Werdegang entdeckt er Ungereimtheiten und wendet sich schließlich gegen seinen eigenen Arbeitgeber.
"Obama hat versagt"
"Es ist ein 'Bourne'-Film, nur realistisch, ohne Gewalt", erklärt der 70-Jährige weiter. Für ihn gehe es in seinem Film um mehr als nur die Überwachung, es gehe um den Cyber-Krieg. Und er ist sich sicher, dass viele Leute das nicht verstehen werden. "Edward Snowden ist keine populäre Figur", so Stone. Doch der 29-Jährige selbst bereue seine Enthüllung nicht, so viel steht für den Regisseur fest. "Er ist sich seiner Entscheidung bewusst und sehr selbstbewusst. Er hat viel aufgegeben. Er weiß aber auch, warum er das aufgegeben hat", so Stone weiter.
Menschen wie Edward Snowden geben dem Regisseur Hoffnung: "Er hat es versucht, er wollte etwas verändern." Man brauche diese Leute, die den Mund aufmachen. Auf jeden Fall sei er stolz auf sein Werk. Aber er gehe davon aus, dass viele Leute den Film meiden werden.
Was sein Verhältnis zu Amerika betrifft, so spricht Stone von einer "komplizierten Beziehung". In seinen Augen gab es in den letzten Jahrzehnten viele "Was hätte geschehen sollen"-Momente. "Al Gore hätte Präsident werden sollen", findet Stone, und "Obama hat versagt." Alle hatten gehofft, mit ihm käme die Veränderung. Doch nichts habe sich geändert. "Vielleicht ist es unmöglich, etwas zu verändern. Vielleicht ist das unser Schicksal", sinniert der 70-Jährige. In einer Sache ist er sich aber sicher: "Was Amerika zerstören wird, kommt von innen."