Oscars 2020: Das sind die Favoriten

Noch ist Joaquin Phoenix zum Lachen zumute: Todd Phillips' "Joker" steht mit insgesamt elf Oscar-Nominierungen ganz oben auf der Liste - darunter auch "Bester Hauptdarsteller". Doch es gibt starke Konkurrenz...

"Bester Film": Noah Baumbachs Scheidungsdrama "Marriage Story" ist das stärkste Gesamtwerk mit überzeugenden Darstellern und einem herausragenden Drehbuch. Wird die Academy wieder versuchen, Netflix als "Feind des klassischen Kinos" zu übergehen?

Mit um die "Best Picture"-Trophäe kämpft das beeindruckende Kriegsdrama "1917", das bereits im Vorfeld sämtliche Awards einheimsen konnte. Hollywood liebt solche tragischen Geschichtsepen; die Machart des Films ist aber auch außergewöhnlich.

"Joker" bekam insgesamt elf Nominierungen, darunter auch für "Bester Film". Doch "Joker" ist als Film nicht stringent - eine "Taxi Driver"-Kopie mit Comic-Vorlage.

"Beste Regie": Martin Scorsese hat bisher "nur" einen Oscar ("The Departed") erhalten. Ein Award für "The Irishman" wäre allerdings wieder für ein Mafia-Epos, wie er es schon so oft gemacht hat.

Quentin Tarantino hat bisher Null Regie-Oscars auf dem Konto. Sein "Once Upon a Time... in Hollywood" ist eine lange Nummernrevue mit Tarantino-Trademarks - auch er wäre jetzt einmal an der Reihe.

Allein für die Szene, in der er Sondheim singt, würde ihm der "Bester Hauptdarsteller"-Oscar zustehen. Adam Driver gelingt eine große, unaufgeregte Darbietung in "Marriage Story", die für die Academy aber womöglich nicht spektakulär genug ist.

Einer der wandlungsfähigsten Charakterdarsteller unserer Zeit: Joaquin Phoenix' "Joker"-Performance ist beispiellos. Er dürfte seinen ersten Oscar erhalten, obwohl er ihn schon für frühere Filme ("Walk The Line", "The Master") verdient gehabt hätte.

Jonathan Price hat als Kardinal Bergoglio in "Die zwei Päpste" die etwas kleinere Rolle als Anthony Hopkins. Price überzeugt zwar, die Anekdoten, in denen sich Franziskus als Popmusik-Kenner profiliert, sind jedoch unglaubwürdig.

"Beste Hauptdarstellerin": Scarlett Johansson brilliert in "Marriage Story". Als Adam Drivers scheidende Ehefrau Nicole spielt sie nuanciert und mitreißend. Es sind ihre ersten Nominierungen überhaupt - und bleiben hoffentlich nicht die einzigen.

Renée Zellweger wird den Oscar für "Judy" bekommen, obwohl es mal wieder für eine Biopic-Mimikry wäre. Eine Geschichte von Auf- und Abstieg, in der der Protagonist die Originalfigur mit all ihren Manierismen nachspielt - ein Academy-All-Time-Favorit.

Youngster-Talent Saoirse Ronan ("Lady Bird") trumpft auch in "Little Women" als älteste der vier March-Schwestern auf, doch die Konkurrenz scheint dieses Jahr zu groß. Ihre Zeit für einen Oscar wird aber noch kommen.

"Bester Nebendarsteller": Anthony Hopkins ist ein Meister im Spiel der reduzierten Mimik, was ihm 1992 den Oscar sicherte. Auch in "Die zwei Päpste" spielt Hopkins sehr ausdrucksstark, wenn auch etwas am echten Ratzinger vorbei. Oscar für den Papst?

Joe Pesci dominiert in seiner Wie-für-ihn-gemacht-Rolle, könnte aber genau deswegen nicht gewinnen - er wurde bereits mit dem Award für einen Mafioso in "Good Fellas" ausgezeichnet. Auch für Pesci ist das De-Aging im "Irishman" nicht von Vorteil.

Es könnte auf den ersten Oscar für Brad Pitt hinauslaufen. Die wenigen spannenden und beeindruckenden Szenen in "Once Upon a Time... in Hollywood" gehören ihm. DiCaprio stiehlt er im Tarantino-Film auch optisch die Show.

"Beste Nebendarstellerin": Laura Dern wählt ihre Rollen mit Bedacht. Sie ist die vermeintlich klare Favoritin als gewiefte Anwältin aus "Marriage Story", die die wenigen Szenen mit sich bestimmt. Derns Zeit auf einen Oscar scheint gekommen.

Florence Pugh ist sehr vielseitig. Wie in "Midsommar" spielt Pugh auch in "Little Women" sensationell und sticht aus dem beachtlichen Cast hervor. Ihre Amy ist als charmantes und egoistisches Nesthäkchen die auffallendste March-Schwester.

Scarlett Johansson darf zusätzlich auf den Nebendarsteller-Oscar in "Jojo Rabbit" hoffen. In der Slapstick-Komödie spielt sie die liebevolle Mutter Rosie - und das wie immer umwerfend.

Noah Baumbach hat das mit Abstand beste "Original-Drehbuch" geschrieben: All die Einstellungen mit den pointierten Dialogen und ausgearbeiteten Figuren. Die beiden Hauptdarsteller Johansson und Driver glänzen nicht zuletzt dank Baumbachs Leistung.

Es wäre schon der dritte Drehbuch-Oscar für Quentin Tarantino. Wenn auch etwas zerfahren: "Once Upon a Time in Hollywood" atmet Nostalgie, es ist seine persönliche Liebeserklärung an das Hollywood der Sechzigerjahre und als solche durchaus gelungen.

"Parasite" ist der große Kritiker-Favorit abseits der Hollywood-Produktionen. Mit sechs Nominierungen scheint ihm der Oscar für "Bester fremdsprachiger Film" sicher. Durch das Drehbuch von Bong Joon Ho und Jin Won Han hat er großen Unterhaltungswert.

"Bestes adaptiertes Drehbuch": Taika Waititi hat das zu "Jojo Rabbit" verfasst - eine schräge Satire mit viel Mut und Witz. Er hat dadurch eine kuriose Interpretation geschaffen, die mit ihren urkomischen Figuren zugleich provoziert und berührt.

Zwar keine Regie-Nominierung, dafür eine für "Bestes adaptiertes Drehbuch": Greta Gerwig macht "Little Women" zu einem witzigen und klugen Erzählstück mit spannend interpretierten March-Schwestern - ein Plädoyer auf den liberalen Feminismus.

Preisträger Steven Zaillian hat sich für "The Irishman" Charles Brandts Roman "I Heard You Paint Houses" bedient. Die Gangster-Ballade von Scorsese enthält einige große Dialogszenen, Schauspiel-Momente und Figuren-Konstellationen - Oscar-Alarm!

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