Journalistin rechnet mit deutscher Iran-Politik ab

32 Stunden hatte die deutsch-iranische Journalistin und Autorin Shahrzad Eden Osterer nichts von ihren Eltern gehört. Erst ein paar Minuten vor Sendungsbeginn kam ein kurzes Lebenszeichen ihrer Mutter: "Sie haben es nach drei - vier Versuchen aus Teheran rausgeschafft", war ihre Erleichterung in der ZDF-Talkshow von Maybrit Illner zum Thema "Trump, Iran und die Bombe - Eskalation in Nahost" sichtlich zu spüren.
In Sicherheit wiegen können sie sich aber genauso wenig wie die Angehörigen ihres Mannes in Israel, beschrieb Osterer ihre "doppelte Belastung". Letztere hätten immerhin Zugang zu Bunkern - im Iran hingegen habe das Regime "40 Jahre in Krieg investiert, ohne einen einzigen Bunker für die Bevölkerung zu bauen", machte sie aus ihrer Abneigung gegen die regierenden Mullahs keinen Hehl.
Osterers Wut richtete sich aber nicht nur gegen das Regime im Islam. Der Westen trage ihrer Ansicht nach Mitverantwortung dafür, dass der Krieg vergangene Woche eskalierte. Schließlich seien die Menschen im Iran seit 1979 immer wieder auf die Straße gegangen und hätten von der internationalen Staatengemeinschaft gezielte Aktionen gegen das politische Regime gefordert, zählte sie die Protestwellen auf. "Nichts davon hat stattgefunden", klagte sie.
Dass Bundeskanzler Friedrich Merz Israel in einem ZDF-Interview am Dienstag dafür lobte, "die Drecksarbeit" für die westlichen Verbündeten zu erledigen, sei problematisch. Das könne nur jemand sagen, "der beteiligt war an der Unterstützung der Menschen im Iran", stellte Osterer klar, "Deutschland hat nichts getan." Im Gegenteil. Die Bundesrepublik - immerhin der größte Handelspartner des Irans in der EU - habe "die Menschen verraten und fallen gelassen". Es habe nur "halbherzige Sanktionen" gegeben.
Armin Laschet räumt Fehler ein: "Man hätte konsequenter sein müssen"
"Die Iranerinnen und Iraner sind es, die unter dem Regime leiden und die Drecksarbeit machen", kritisierte auch Kristin Helberg, Politikwissenschaftlerin und Journalistin, die Formulierung des Kanzlers, dass der Kampf uns alle betreffe. Zudem hätten Deutschland, aber auch die EU hinsichtlich des iranischen Regimes immer nur über das internationale Abkommen zum iranischen Atomprogramm von 2015 gesprochen und deshalb die Augen vor Völker- und Menschenrechtsverletzungen im Land verschlossen.
"Man hätte konsequenter sein müssen", gestand Armin Laschet (CDU), selbst ernannter "leidenschaftliche Europäer", einen "völligen Ausfall" der EU im Nahost-Konflikt ein. Das Beharren auf das Atomprogramm sei im Nachhinein falsch gewesen, hielt er Merz zugute, jetzt diese Kursänderung vorzunehmen.
Historiker: "Israel tut das, was vorher andere hätten tun sollen und müssen"
"Das Abkommen war nicht nur im Nachhinein falsch, sondern auch damals", widersprach Historiker Michael Wolffsohn. Schon damals habe insbesondere die Merkel-Regierung mit der Obama-Administration die israelischen Bedenken beiseite geschoben. Wolffsohn sprach daher von der "kapitalen Schuld" der EU und der Bundesrepublik. Die berechtigte Frage, ob Israels Angriff auf den Iran völkerrechtlich vertretbar sei oder nicht, sei "rein akademisch und sollte in 20 Jahren in Seminaren behandelt werden". Iran habe seit Jahren einen Proxi-Krieg gegen Israel geführt und für dessen Auslöschung gekämpft, da habe "jede Regierung die Fürsorgepflicht, diese Situation zu verändern".
"Israel tut das, was vorher andere hätten tun sollen und müssen", ergänzte sein Historiker-Kollege Moshe Zimmermann. Es sei zwar Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft aufzupassen, ob Iran eine Atomwaffe entwickelt. Schaffe die genau das aber nicht, "bleibt Israel mit dem Problem und muss es irgendwie lösen". Seit Jahren habe Benjamin Netanjahu sich "den Iran als Erzfeind ausgesucht, aufgestellt und aufgeblasen - da war es nur eine Frage der Zeit, wann er etwas direkt unternimmt gegen die Iran". Allerdings sei der Krieg gegen den Iran nur eine Maßnahme, um vom Gaza-Konflikt abzulenken, erklärte Zimmermann.
Elmar Theveßen beklagt: "Keiner hat einen Plan"
Auf diese These wollte Laschet genauso wenig eingehen, wie auf die Debatte, ob Israels Vorgehen politisch richtig sei. "Die Diskussion hilft nicht weiter, wir sind mittendrin", meinte er. "Man muss versuchen, dass der Iran nach 20 Jahren herumtaktieren endlich dazu kommt, auf die Atombombe zu verzichten", betonte er und bekräftigte kurze Zeit später auch die von Bundeskanzler Merz geäußerte Hoffnung, durch Israels Angriff endlich einen Regimewechsel herbeiführen zu können.
Genau das will die US-amerikanische Regierung jedoch verhindern. "Wenn der Iran in den Bürgerkrieg stürzt, muss man einen Plan haben, wie es weitergeht", meinte Elmar Theveßen, Leiter ZDF-Studio aus Washington. Aber: "Keiner hat einen Plan." Zudem habe der Präsident im Wahlkampf damit geworben, sich aus Kriegen und Krisen zurückziehen zu wollen. Gleichzeitig erinnerte Theveßen, dass der Iran erst nach Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen 2018 mit der Uran-Aufrüstung begonnen hat. "Das heißt, die Situation, die jetzt als Rechtfertigung dient, ist durch den Ausstieg der USA entstanden und durch das Versagen der Europäer", brachte es der Journalist auf den Punkt.
Jetzt stecke Trump in einer Zwickmühle und hat sich 14 Tage Bedenkzeit genommen, "weil er unsicher ist und keinen Plan hat". Zwar versuche man last minute zu Verhandlungslösungen zu kommen, aber Theveßen ging davon aus, dass Trump letztlich doch militärisch eingreift: "Ich glaube, ja, weil er nicht anders kann." Netanjahu habe ihn in eine Ecke gedrängt, aus der er nur durch Handeln wieder herauskomme. "Die Bomber stehen bereit", berichtete der Journalist.