"Die Wüste brennt!": Generalleutnant warnt bei Illner eindringlich vor Erstarken der russischen Streitkräfte

Der US-Präsident Donald Trump kommt zum NATO-Gipfel. "Früher war das eine Selbstverständlichkeit, heute ist es eine Nachricht wert", so begrüßte Maybrit Illner die Gäste ihrer Sendung, die den Titel "Krieg oder Frieden - Sicherheit nur mit den USA?" trug. Dass sich seit Monaten alle Welt über die erratischen und unvorhersehbaren Aktionen des US-Präsidenten wundert, kann Ben Hodges nicht nachvollziehen: "Die EU machen sich zu viele Gedanken, was die USA machen", meinte der ehemalige Oberkommandeur der US-Armee in Europa, der aus London ins ZDF-Studio zugeschaltet war.
"Die EU ist eine Supermacht und soll sich so verhalten und nicht nachdenken, was die USA tun", so Hodges. Die beste Investition des Westens im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen in die eigene Verteidigung sei es, der Ukraine zu helfen, Russland zu besiegen. "Wenn wir das nicht schaffen, wenn Ukraine scheitert, wird Russland einige Jahre haben, um seine Streitkräfte aufzubauen", zeichnete er ein Schreckensszenario, vor dem auch der Inspekteur des Heeres der Bundeswehr, Alfons Mais, in der Sendung warnte.
"Ich bin der Überzeugung, dass die russischen Streitkräfte aus diesem Krieg in der Ukraine gestärkt heraustreten werden", bestätigte der Generalleutnant. Sie investierten in Technik und zögen jedes Jahr 200.000 Wehrpflichtige. Der Personalumfang sei auf 1,5 Millionen gestiegen. Es gebe "eine Vorbereitung auf eine großmaßstäbliche konventionelle Auseinandersetzung mit dem Westen", so Mais, deshalb müsse sowohl die eigene Verteidigungsfähigkeit Deutschlands wie die der Ukraine gestärkt werden: "Das ist kein ent- oder weder", betonte er und fügte hinzu: "Die Wüste brennt und wir diskutieren, ob wir die Feuerwehr jetzt mit Reifen ausstatten oder ob wir doch lieber mit dem Eimer weitermachen." Diese Diskussion sei für einen Soldaten "manchmal nur schwer nachvollziehbar".
Florence Gaub: "Man kann lachen über Rutte"
So schwer sie auch nachvollziehbar ist, es war genau diese Diskussion, die auch bei Maybrit Illner erneut entbrannte: Es ging um die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts, auf die sich die Mitglieder beim NATO-Gipfel geeinigt haben. "Mein entscheidendes Fazit ist, dass wir mehr für Verteidigung ausgeben", sprach Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) von einem Erfolg. Zudem hätte man die USA als wichtigsten Verbündeten behalten. Dass Trump weiterhin zu Europa stehe, das wäre Rutte zu verdanken, lobte er den NATO-Generalsekretär. Auf die Frage von Illner, ob dessen viel kritisierte Schmeichel-Attacke "noch geschickt oder schon peinlich" sei, ging Wadephul nicht ein. Der NATO-Gipfel sei hervorragend vorbereitet worden, wich er aus - woraufhin Illner heraus prustete: "Ach was!"
Eine klarere Antwort bekam sie von Politikwissenschaftlerin Florence Gaub, die als Forschungsdirektorin der NATO-Militärakademie in Rom tätig ist. "Ja, man kann lachen über Rutte, dass er sich quasi demütigt", gab sie zu und wurde fast schon emotional: "Aber er macht das für uns. Damit wir in Sicherheit sitzen können." Europa habe zu lange so getan, als sei die Verteidigung des Kontinents nicht unser Problem. Seit 15 Jahren fordere die USA mehr Ausgaben, jetzt sei der Punkt erreicht, "dass ein Präsident die Schnauze voll hat." Deshalb müsse man jetzt reagieren, denn "ohne die USA sind wir sehr verletzlich."
Jan van Aken: "Fünf Prozent sind ein Wahnsinn, wo soll denn das herkommen?"
Jan van Aken (Parteivorsitzender Die Linke) sah das anders: Die USA sei zu unzuverlässig, daher sei es entscheidend, "Sicherheit europäisch zu denken." Dafür brauche man auch keine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent ("schon zwei Prozent sind zu viel"). "Die NATO hat mehr Militärausgaben als der Rest der Welt zusammen. Zu sagen, man müsse das jetzt in Deutschland vervierfachen - das geht nicht auf", kritisierte er und warnte mit Blick auf Russland vor einer "Rüstungsspirale". Eine These, die Wadephul dazu hinriss, den Linken-Politiker als "Sprachrohr Moskaus" zu bezeichnen, was dieser - natürlich - empört von sich wies ("Ach, ich bitte Sie, Herr Wadephul, ne, ne, no way!").
Generell seien laut van Aken im Fähigkeitskatalog der NATO Waffensysteme enthalten, die man für die Landesverteidigung nicht brauche, sondern um global einsatzfähig zu sein. "Das möchte ich nicht", stellte der Linken-Chef klar, "das möchte ich als Linke nicht, dass wir eine Bundeswehr oder eine europäische Armee haben, die überall auf der Welt Kriege führt, nur damit sie um neben China, Russland, USA die dritte militärische Weltmacht sind. Finde ich falsch."
"Wer will das eigentlich?", stieß das Argument bei Wadephul genauso auf Unverständnis wie bei Gaub. "Von Auslandseinsätzen redet heute keiner mehr", es gehe, so die Militärexpertin, faktisch rein um die Sicherung Europas. Die finanziellen Mittel seien notwendig, um die Bundeswehr auf Landesverteidigung hochzurüsten. Zudem hätte sich die Kriegsführung verändert, sprach sie von der Entwicklung eines Sicherheitskonzepts für die Zukunft.
Dass die EU schon heute 435 Milliarden und damit mehr als doppelt so viel wie Russland für Militär ausgibt - wie van Aken kritisierte - sei leicht erklärt: "Weil wir im Vergleich zu Russland Wert darauf legen, dass unsere Soldaten gut geschützt sind", regte sie sich sichtlich auf. "Es geht nicht darum, einzelne Euro zu vergleichen. Man muss mit Leben bezahlen, man muss mit Wirtschaft bezahlen", erklärte Gaub. "Sagen Sie es nicht mir, sagen Sie es van Aken", meinte die Moderatorin daraufhin. Bei dem kamen Gaubs Argumente offensichtlich genauso wenig an, wie die von Mais. Potenzielle Verteidiger müssten immer mehr Kapazitäten bereitstellen als Angreifer, hatte der Generalleutnant ergänzt.
"Fünf Prozent sind ein Wahnsinn, wo soll denn das herkommen?", ließ van Aken nicht locker, "kein Wunder, dass die CDU die ganze Zeit darüber redet, das Bürgergeld zu kürzen." Es wäre ein Skandal, dass das nicht mehr thematisiert würde.
"Was erzählen Sie den armen, arbeitenden Leuten, wenn wir nicht verteidigungsfähig sind?", stellte Wadephul eine Gegenfrage. Und auch Gaub konnte mit van Akens Argument wenig anfangen: "Wir werden uns nichts von dem leisten können, was heute das Leben lebenswert macht, wenn wir einen großangelegten Krieg haben", führte sie aus, "wenn es zu einem riesigen Krieg kommt (...), dann sind alle Lebensentwürfe für die Tonne."