Ex-SPD-Chef Schulz kritisiert Politik "von oben herab" und warnt

Am Wochenende kam es in Los Angeles zu teils heftigen Szenen, nachdem vor Ort gegen die US-Migrationspolitik demonstriert wurde. Mehrere Razzien gegen Migranten hatten zur Folge, dass in einzelnen Teilen der Stadt Autos brannten und Demonstranten gegen die Polizei wüteten. US-Präsident Donald Trump verkündete schließlich gegen den Willen des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom, dass die Nationalgarde vor Ort eingesetzt werde.
Es sei ein "politisches Experiment - gegen den Willen der Stadt", verkündete Bürgermeisterin Karen Bass am Montag. Sie warf Trump vor, Los Angeles als "Testfall" für eine Übernahme durch die Bundesbehörden zu missbrauchen. Markus Lanz wollte am Dienstagabend in seiner Sendung Licht ins Dunkle bringen und hakte bei ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen nach, wie prekär die Lage wirklich vor Ort sei.
"Es konnte der Eindruck entstehen, Los Angeles brennt", so Lanz vorsichtig. Elmar Theveßen erklärte daraufhin mit ruhiger Stimme, dass sich die Gewaltszenen lediglich "auf zwei Orte" konzentriert haben. Demnach sei Los Angeles "weit davon entfernt, in Chaos und Gewalt zu versinken". Journalist Daniel Friedrich Sturm nickte zwar zustimmend, er warnte jedoch davor, dass die entstandenen Bilder und der Eindruck, der in den Medien vermittelt werde, am Ende Trump "leider helfen" könnte.
Eine Sorge, die auch ZDF-Korrespondent Ulf Röller teilte. Er ergänzte, dass Los Angeles für Trump "die optimalste Projektionsfläche" sei, "um seine Leute wiederzubeleben. Um wieder Stimmung für sich zu machen". Der Grund? "Kalifornien ist der Anti-Trump-Staat schlechthin."
Ulf Röller: Sind "an einem ganz entscheidenden Punkt der amerikanischen Demokratie"
Röller ergänzte in der ZDF-Sendung, dass ihn besonders der Einsatz der Nationalgarde mit großer Sorge erfülle. "Ich glaube, dass wir hier an einem ganz entscheidenden Punkt der amerikanischen Demokratie sind". so der ZDF-Korrespondent. Trump überschreite einmal mehr "eine sehr wichtige rote Linie", indem er bereit sei, "das Militär gegen seine Menschen und die Amerikaner einzusetzen." Ein harter Schritt, der Theveßen zu der Vermutung brachte, dass Trump die Szenen politisch nutzen wolle und es bewusst auf eine Eskalation angelegt habe; "Er hat überall Probleme. Die einzige Stellschraube, wo er glaubt, er kann schneller Erfolge erzielen? Massiv die Zahl der Festnahmen bei Razzien hochzutreiben. Die Parole ist: 3.000 Festnahmen pro Tag - landesweit."
Der ehemalige SPD-Vorsitzende Martin Schulz lauschte fassungslos und wetterte schließlich gegen den US-Präsidenten: "Trump ist ein würdeloser, respektloser, intoleranter, autoritärer Herrscher." Ulf Röller stimmte zwar zu, er merkte jedoch auch an: Das Schockierende ist für mich nicht das Verhalten von Donald Trump", so der Korrespondent. Er frage sich viel mehr: "Wo sind die großen politischen Führer der Demokraten?" Der Journalist bemängelte dabei "diese Lähmung der Demokraten", die er nicht verstehen könne: "Wo sind diese Leute? Worauf warten die?"
Journalistin Alice Bota stellte in dem Zusammenhang klar, dass das Thema Migration längst nicht nur in den USA für Aufruhr sorge, sondern ein weltweites Problem darstelle. Auch Martin Schulz gab mit Blick auf Europa zu, dass das Problem mit der Migration "seit 30 Jahren" ignoriert werde. "Ich bin seit jeher ein Befürworter einer wirklich scharfen und radikalen Außengrenzen-Sicherung der Europäischen Union, aber die Mitgliedsstaaten der EU verlangen, dass Zuwanderung nationale Hoheit ist", so der Ex-SPD-Chef. Er plädierte in dem Zusammenhang für "eine gemeinsame europäische Kompetenz. Die haben wir nicht".
Martin Schulz: Viele Menschen haben das Gefühl, nicht von der Politik gesehen zu werden
Journalist Daniel Friedrich Sturm offenbarte daraufhin, dass auch die deutsche Politik im Bereich der Migration große Fehler gemacht habe: "Es ist im Grunde viel zu wenig geschehen." Eine Steilvorlage für den ZDF-Moderator, der Martin Schulz fragte, wie es zum "Untergang" der SPD gekommen sei. Schulz erklärte schwammig, dass sich das Parteiensystem insgesamt verändert habe und die Zeiten von 30 oder 40 Prozent "vorbei" seien. "Die großen Blöcke lösen sich auf", so Schulz. Dennoch musste der Ex-SPD-Vorsitzende mit Blick auf die letzte Bundestagswahl zugeben, dass das Ergebnis von 16,4 Prozent "ganz stark auch ein Resultat der Ampel" sei. Schulz sprach in dem Zusammenhang von "einer tiefen Enttäuschung (...) über die Ampel und ihrer Selbstbeschäftigung".
Den Aufstieg von Parteien wie der AfD erklärte der Politiker damit, dass viele Menschen "das Gefühl haben, wir werden nicht gesehen". Hinzu komme, dass "der Respekt fehlt vor individuellen Lebensleistungen und die Leute das Gefühl haben, die behandeln mich von oben herab. Dann werden die Leute rabiat", so Schulz. Er warnte: "Das macht mir größere Sorgen, dass es immer weniger Leute gibt, die den Mut aufbringen und die Kraft aufbringen, sich für die Demokratie zu engagieren, die Angst haben, die verängstigt werden, eingeschüchtert werden. Da gibt es bei der AfD ganz klare Parallelen zu Trump."