Veganerin provoziert im ZDF: "Sie würden keinen Hund grillen, warum dann das Schwein?"
Der Fleischkonsum in Deutschland sinkt. Dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) zufolge sank der Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch im Jahr 2023 auf unter 52 Kilogramm - den niedrigsten Stand seit dem Beginn der Berechnungen im Jahr 1989. Auch die ZDF-Dokumentation "#WTF - Streit ums Essen: Tier oder Tofu" (Mittwoch, 28. August, 1 Uhr im ZDF und vorab in der ZDFmediathek) wirft einen Blick auf das Essverhalten der Deutschen. Der Film zeigt deutlich: Einigkeit herrscht hierzulande vor allem in puncto Fleischkonsum noch lange nicht.
Davon kann auch Alina Langenhorst ein Lied singen. Die Veganerin und Aktivistin engagiert sich seit zehn Jahren bei der Tierrechtsorganisation Peta. "Wir möchten, dass die Menschen zum Denken angeregt werden und merken, dass alle Tiere genauso leiden, Schmerz empfinden, ihre Kinder lieben", erklärt sie eine aufsehenerregende Aktion in der Dortmunder Innenstadt: "Wir grillen eine sehr echt aussehende Hunde-Attrappe und stellen die Frage: Wenn Sie keinen Hund grillen würden, warum dann eigentlich das Schwein?"
Dass der verkohlte Protest-Hund provoziert, ist Alina Langenhorst bewusst. "Leckeres Hundefleisch, frisch gegrillt und gut bekömmlich", ruft die Aktivistin in ein Megafon. "Wer in Zukunft nicht nur Hund, Katze und Kaninchen, sondern auch Schwein, Kuh und Huhn gerecht behandeln will, der sollte der veganen Lebensweise eine Chance geben." Bei den Passanten sorgt der Protest für Verärgerung. "Ich finde das total besch...en", beklagt sich ein Mann. "Ich stelle mich auch nicht hin und sage den Leuten: Iss Fleisch." Ein weiterer Fußgänger gibt an, sich durch die Peta-Aktivisten "sehr unter Druck gesetzt" zu fühlen. Alina Langenhorst wünscht sich mehr Offenheit: "Wir wollen damit Denkanstöße setzen und trotzdem sachlich ins Gespräch kommen."
"Da wird das vegane Schnitzel quasi zum E-Auto und das Stück Fleisch zum Verbrennungsmotor"
Eine gänzlich andere Taktik verfolgt Sven Gress. Auch er wirbt für seine (fleischhaltige) Ernährungsweise, indem er Grill-Workshops anbietet. "Ich bin ein sehr großer Fleischliebhaber, Fleisch gehört zum Leben mit dazu. Mich nur von Gemüse zu ernähren, ist nicht so meine Welt", stellt der Jäger klar. Von Veganerinnen und Veganern fühlt er sich häufig bevormundet: "Ich finde es unverschämt, wenn eine Minderheit einer Mehrheit einen Zwang auferlegen will und sagt, ihr dürft das und das nicht mehr machen. Ich geh jetzt auch nicht zum Veganer hin und sag: Du musst jetzt Fleisch essen."
Fleisch ist längst zum Politikum geworden, daran lässt die Dokumentation wenig Zweifel. "Da wird stellvertretend um mehr gekämpft als um: Kann ich jetzt in meiner Mittagspause ne Currywurst aus Schwein essen, oder muss die dann aus Tofu sein?", weiß der Soziologe Marcel Sebastian. Bei der Frage um die Ernährungsweise gehe es "um ganze Weltbilder". Das sieht der vegane Influencer Julian Yaacov Richter ähnlich: "Ich hab das Gefühl, da werden zum Teil größere gesellschaftliche Debatten im Kleinen ausgetragen. Da wird das vegane Schnitzel quasi zum E-Auto und das Stück Fleisch zum Verbrennungsmotor. Das ist auf jeden Fall ein Thema, was Leute sehr triggert."
Einer, der sich nicht zuletzt von der Politik auf den Schlips getreten fühlt, ist Herbert Dohrmann. Der Präsident des Deutschen Fleischer-Verbandes beklagt im Film eine zunehmende Abkehr von Fleischprodukten im öffentlichen Bereich: "Im Kantinenbereich und überall da, wo die öffentliche Hand gestalten kann, ist Fleisch immer mehr verschwunden. Schweinefleisch als erstes - wegen andersgläubiger junger Menschen in den Kindergärten. Irgendwann wurde das Rindfleisch auch immer weniger. Jetzt muss auch mal gut sein."
Vegetarier und Veganer, die einer Forsa-Umfrage zufolge derzeit rund zwölf Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung ausmachen, seien laut Dohrmann eine zu vernachlässigende Minderheit. "Man kann in der Berichterstattung doch nicht so tun, als ob das die Gruppe wäre, die jetzt irgendwann den gesamten Markt beherrscht", ärgert sich der Inhaber einer Fleischerei. Sein Branchenkollege Bernd Steffen pflichtet ihm bei und stellt klar: "Bei uns im Betrieb sind die Tiere dafür da, geschlachtet zu werden und verkauft zu werden. Das ist deren Sinn und Zweck."
Vegetarisches "Schnitzel"? - "Da bin ich absolut dagegen"
Auch Nils Steiger betreibt eine Metzgerei - gewissermaßen: Er ist Inhaber der "Veganen Fleischerei" in Dresden. Den provokanten Namen hat er bewusst gewählt: "Es ist doch auch gut, wenn sich jemand drüber aufregt. Weil das schafft ja ein Gespräch. Alles, was ein bisschen wehtut, sorgt dafür, das drüber geredet wird. Das ist auch gut so." Er bietet Fleischersatzprodukte aus Soja, Getreide oder Hülsenfrüchten an und nennt diese wie ihre tierischen Doppelgänger - und verärgert damit unter anderem Herbert Dohrmann.
"Erzählt mir nichts von vegetarischem Schnitzel, da gibt es so viel andere Bezeichnungen", fordert er. Einerseits werde Fleisch "verachtet und verunglimpft", sagt Dohrmann, der in der Debatte um die Ernährung mehr Toleranz für Fleischesser fordert. "Aber weil es vielleicht fürs Marketing gut ist, muss ich mich dieser Bezeichnung wieder bedienen. Da bin ich absolut dagegen."