"Wir bauen Kapazitäten ab?" Markus Lanz entsetzt über "tödlichen Kreislauf" in der Baubranche

"Wir haben zu viel angestaut, es ist zu langsam und zu zäh in Deutschland, das muss sich ändern", sagte die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz am Mittwoch beim Tag der Immobilienwirtschaft. Auch bei "Markus Lanz" zeigte sich die SPD-Politikerin optimistisch, was den katastrophalen Zustand der deutschen Baubranche angeht. Den Optimismus wollte ihr der ZDF-Moderator jedoch nicht ganz abkaufen. Er fragte in seiner Sendung am Mittwoch, ob sie gezögert habe, bevor sie den Posten als Bauministerin angenommen hat. Hubertz schüttelte entschieden mit dem Kopf und erklärte: "Als Lars Klingbeil mich angerufen hat, habe ich mich erstmal sehr gefreut", sie habe "direkt Ja gesagt."
Die SPD-Politikerin ergänzte, dass sie große Lust habe, im Bauministerium "mitzugestalten" und "den Karren wieder rauszuholen". Die hoffnungsvolle Art von Hubertz machte Lanz stutzig. Er stichelte: "Okay, das ist der Text für die Werbebroschüre für die SPD." Der ZDF-Moderator hakte prompt nach, ob Hubertz auch ein anderes Ministerium übernommen hätte. Eine Frage, die die Politikerin sichtlich irritierte, denn: "Die Frage hat sich nicht gestellt." Lanz wollte die knappe Antwort nicht akzeptieren und stellte klar: "Aber ich stelle sie gerade!" Statt einzuknicken, hielt Verena Hubertz jedoch selbstbewusst dagegen: "Ich bin hier nicht zum Philosophieren. Ich finde, das Bauministerium passt super zu einer Unternehmerin."
Verena Hubertz: "Wir wollen so viel bauen wie geht"
Der ZDF-Moderator wollte dennoch nicht locker lassen. Er fragte weiter: "Arbeit und Soziales, hätten Sie gemacht?" Die SPD-Politikerin reagierte mit einem lauten Lachen und gab zu: "Da bin ich sehr dankbar, dass Bärbel Bas das macht." Eine Steilvorlage für Lanz, der nachhakte, ob sie froh sei, "dass der Kelch an Ihnen vorbeigegangen ist". Verena Hubertz wollte sich darauf jedoch nicht weiter einlassen und sagte: "Das ist ja kein Kelch! Das ist sozialdemokratische Herzenspolitik." Lanz konterte prompt: "Das ist die Hölle!" Eine Aussage, die Hubertz nicht akzeptieren wollte: "Nein, die Hölle ist das nicht. Da gibt es viel zu bewegen und viel zu regeln." Dem musste der Moderator zwar generell zustimmen, er merkte aber an: "Diese Systeme zu reformieren, das ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Das wissen Sie auch!"
In dem Zusammenhang sprach Lanz die Ex-Bauministerin Klara Geywitz an, die einst erfolglos 400.000 neue Wohnungen versprochen hatte. Mit Blick auf Verena Hubertz fragte er deshalb: "Was für eine Zahl haben Sie im Kopf?" Statt konkret zu antworten, reagierte die Politikerin schwammig: "Als Unternehmerin weiß man, man meißelt nicht eine Zahl in Stein und dann läuft man vier Jahre hinterher." Hubertz erklärte weiter, dass sie vielmehr "regional-spezifisch gucken" wolle, "wie entwickeln sich Einwanderung, wie entwickeln sich der demografische Wandel. Und wir wollen so viel bauen wie geht". Diese Einstellung löste bei Journalistin Kerstin Münstermann große Skepsis aus. Sie mahnte mit Blick auf die fehlende Zahl potenziell neuer Wohnungen: "Ob das viel besser ist, weiß ich nicht. Weil Sie müssen liefern, das wissen Sie."
Verena Hubertz: "Man kann mich an Tempo messen"
Auch Ökonom Matthias Günther reagierte verhalten mit Blick auf die weitere Entwicklung des deutschen Wohnungsbaus. Er sagte: "Es wird auf jeden Fall schwierig, was da die nächsten Jahre vor uns liegt. Und das Ziel unter 15 Euro Miete im Neubau, das wird schon sehr schwer, das zu erreichen." In Städten wie München, Hamburg oder Köln werde es "praktisch nicht möglich sein, weil da einfach die Grundstücke viel zu teuer sind." Hinzu komme laut Günther "das ganz große Problem" bei den Finanzierungskosten. "Das ist einer der Gründe, warum der Bau derart runtergegangen ist. Wir haben einen kompletten Zusammenbruch im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser, (...) weil die Leute es schlicht und einfach nicht mehr bezahlen können", stellte der Ökonom klar. Markus Lanz nickte: "Bauen ist in den letzten Jahren signifikant teurer geworden." Laut Günther sei dies nicht das einzige Problem, denn die Bauwirtschaft fange bereits an, "Kapazitäten abzubauen".
"In der Baustoffindustrie wurden schon Werke geschlossen und wir müssen da eigentlich dringend dagegenhalten, weil wir brauchen eben mehr Wohnungsbau als die 250.000, die wir im Moment haben", so der Ökonom. Lanz reagierte besorgt: "Wir bauen Kapazitäten ab, (...) obwohl wir dringend neue und mehr Wohnungen bräuchten? Das ist der tödliche Kreislauf, in dem wir gerade sind?" Günther stimmte zu: "Das ist der Kreislauf, in dem wir im Moment stecken." Nun müsse die neue Bundesregierung "sehr schnell Initiative" ergreifen und "ein Konjunkturprogramm Wohnungsbau" starten, um "kurzfristig tatsächlich den Bau wieder nach vorne zu bringen". Eine Forderung, der Verena Hubertz gerne nachkommen wollte. Man werde "massiv in den Wohnungsbau weiter investieren, aber wir müssen auch die Baukosten runterbekommen", versprach die Politikerin. Sie ergänzte: "Man kann mich an Tempo messen, an Technologie und Toleranz!"