"Sex und Orgasmus zu verbinden, ist ein Fehler"

Wie bringe ich die Leidenschaft in eine langjährige Beziehung zurück? Theresa Bäuerlein und Tom Eckert sind dieser Sache für ihr Buch "Besser als Sex ist besserer Sex" nachgegangen. Im Interview spricht Bäuerlein über ihre Erkenntnisse.
In langen Liebesbeziehungen geht die Leidenschaft oft verloren. Kann man dagegen etwas unternehmen? Theresa Bäuerlein und Tom Eckert haben getestet, was Sexratgeber und Workshops bringen, das Paar hat mit Experten und Freunden gesprochen, Beziehungsmodelle hinterfragt. Was sie erlebt und herausgefunden haben, berichten die beiden in ihrem Buch "Besser als Sex ist besserer Sex: Ein Paar. Ein Jahr. Ein Experiment" (Heyne, 256 Seiten, 8,99 Euro). Im Interview mit spot on news erklärt Bäuerlein, wie befreiend es sein kann, wenn man sich vom leistungsorientierten Sex verabschiedet.
Wann haben Sie in Ihrer Beziehung festgestellt, dass die Leidenschaft der ersten Monate verlorengegangen ist?
Theresa Bäuerlein: Das Buch-Projekt haben wir uns erst nach ein paar Jahren vorgenommen. Aber nach etwa zwei Jahren ist es mir das erste Mal aufgefallen.
Sie haben für Ihr Buch einiges an Hilfsmitteln ausprobiert. Was fanden Sie gut, was ging gar nicht?
Bäuerlein: Im Gegensatz zu meinem Partner fand ich es lustig, die Gadgets auszuprobieren. Es war wie damals als Kind, als man in der Werbung die Spielsachen gesehen hat, die alle möglichen Sachen können und man denkt, mit denen wird alles toll. In Wirklichkeit empfand ich es dann aber als langweilig und unerotisch, weil die Fantasie fehlt, alles sehr technisch ist und laut brummt. Von diesen Hilfsmitteln haben wir nichts beibehalten.
Auch Pornos empfanden Sie nicht als hilfreich?
Bäuerlein: Viele Männer schauen Pornos und auch als Frau sollte man sich nicht schämen, wenn sie einem gefallen. Zu zweit finde ich das allerdings schwierig. Es gibt zwar den Kick, weil es sich erst mal verboten anfühlt. Uns war es aber eher peinlich, und ich denke, das geht vielen Paaren so. Sich so etwas zusammen anzusehen, ist ganz anders als alleine. Aber das ist Geschmackssache. Zumindest lachen lässt sich dabei ganz gut zu zweit.
Entsteht durch Pornos nicht auch Druck, die gleiche Leistung im Bett zu bringen wie die Darsteller?
Bäuerlein: Ja, das trifft auf Männer und Frauen zu. Niemand ist so wie die Leute in den Pornos. Wenn man sich diesen Bildern aussetzt, vergleicht man sich natürlich damit. Aber auch eine Sex-Szene in einem Hollywood-Film sieht zu Hause nicht so aus. Wir reden immer von Pornos, aber Hollywood liefert ein genauso verzerrtes Bild von Sexualität.
Sind Menschen beim Sex zu sehr auf den Orgasmus fixiert?
Bäuerlein: Es gibt keinen Grund dafür, dass wir Sex und den Orgasmus miteinander verbinden, auch wenn uns das ununterbrochen beigebracht wird. Das erzeugt erstens einen unglaublichen Druck und zweitens ist es ein Fehler, weil es Lust mit Fortpflanzung gleichsetzt. Wenn man ein Kind haben will, braucht man natürlich einen Mann, der ejakuliert. Aber Lust kann ganz anders verlaufen, nicht nur auf einen Höhepunkt zu. Das heißt nicht, dass man keine Orgasmen haben soll. Ich finde aber, die sollen passieren, ohne dass man darauf hinarbeitet wie im Fitnessstudio. Diese Einsicht hat mich sehr entspannt. Als Frau bekommt man schnell die Vorstellung, dass man sexuell befreit ist, wenn man möglichst viele tolle Orgasmen hat und weiß, wie man die kriegt. Das halte ich für Schwachsinn.
Sie haben auch schon mal in einer offenen Beziehung gelebt. Wie sehen Sie das heute?
Bäuerlein: Man sollte nicht so tun, als gäbe es diese Lust auf andere Menschen nicht. Da macht man sich was vor und darüber sollte man offen zu sich selbst sein und zu seinem Partner, soweit er das verträgt. Ich habe nichts gegen diese Beziehungsform. Ich halte aber nichts davon, Beziehungen zu öffnen, um Sexprobleme zu lösen.
Sie haben sehr positiv von einer Übung berichtet, bei der man dem Partner beim Sex beschreibt, was man gerade macht. Führt Reden zu besserem Sex?
Bäuerlein: Wenn man merkt, dass es sich gut anfühlt, was der andere macht und man es wieder haben will, muss man darüber reden. Das ist auch für den Partner wichtig, der braucht ja Feedback. Die einfache Übung, dass man sich mitteilt, was man macht, erzeugt unheimlich viel Erotik. Die Kommunikation macht Sex intim.
Können Sie Tantra weiterempfehlen?
Bäuerlein: Es herrscht die falsche Vorstellung von Tantra, dass es dabei nur um multiple Orgasmen geht. Tantra ist weit mehr als Sex. Bei diesen Sinnlichkeitsworkshops, die man bei uns kennt, ist meist nur ein oberflächlicher spiritueller Rahmen gegeben. Trotzdem ist es gut, um Langsamkeit und eine andere Form von Sinnlichkeit zu lernen, um aus dieser leistungsorientierten Schiene rauszukommen. Wir behandeln Sex im Prinzip wie unseren Job.
Was raten Sie Paaren, die lange zusammen sind und bei denen die Lust verloren gegangen ist?
Bäuerlein: Erst mal sollten sie sich deswegen nicht schlecht fühlen. Das hat nichts damit zu tun, dass man als Paar versagt hat, es ist normal. Man kann das aber ändern, wenn man sich damit beschäftigt und die Sexualität entwickelt. Es gilt rauszufinden, was Beziehungs-Sex kann im Gegensatz zu Sex in Affären. Durch Intimität und Vertrauen können im Bett Dinge passieren, die es bei einer Affäre nicht geben wird.