Der neue Franken-Tatort im Kreuzverhör: Viel Licht, ein bisschen Schatten
Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) bilden das Team am neuen Tatort Franken. © BR/Felix Cramer
Selten wurde um einen neuen Tatort so viel Wind gemacht wie für den Franken-Tatort. PR-mäßig hat der Bayerische Rundfunk das ganz große Besteck aufgefahren, und augenscheinlich fiebert die gesamte Region mit. Namhafte Schauspieler in den Hauptrollen, daneben zahlreiche lokale Bekanntheiten und mit Max Färberböck ein angesehener Regisseur und Drehbuchautor – die Rahmenbedingungen hören sich schon mal gut an. Kann "Der Himmel ist ein Platz auf Erden" die Erwartungen erfüllen?
Worum geht’s?
Ein Auto im Wald, ein toter Mann mit heruntergelassenen Hosen auf dem Fahrersitz – alles sieht so aus, als ob Christian Ranstedt (Philippe Brenninckmeyer) beim Sex erschossen wurde. Von der zweiten Person, die im Fahrzeug war, fehlt jede Spur. Felix Voss (Fabian Hinrichs, der als "Gisbert" Tatort-Kultstatus erlangte), gerade erst an seinem neuen Einsatzort Nürnberg angekommen, stürzt sich gemeinsam mit Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) in die Ermittlungen.
Ranstedts Frau Julia (Jenny Schily) fällt aus allen Wolken, als sie von der Affäre ihres Mannes hört, hielt sie ihn doch jahrelang für impotent. Gemeinsam mit der Nachbarin Charlotte (Ulrike C. Tscharre) versucht die schockierte Witwe, mit der Situation klarzukommen.
Voss und Ringelhahn entdecken währenddessen, dass Ranstedt heimlich Forschungen für die Rüstungsindustrie betrieb. Ihr cholerischer Chef (Stefan Merki) fürchtet um die Ruhe unter den hohen Herren der Stadt und noch mehr einen Rüffel aus "...der Hauptstadt! München!". Gleichzeitig muss sich das neue Tatort-Team auch noch beschnuppern und kennenlernen.
Problem-Krimi oder Spaß-Tatort?
Angesichts der Verpflichtung von Mundart-Kabarettist Matthias Egersdörfer als Spurensicherer Michael Schatz machte sich ein wenig die Befürchtung breit, der BR möchte neben dem meist recht sachlichen München-Tatort seinen zweiten Schauplatz zum Münster- oder Weimar-Abklatsch machen. Weit gefehlt, das Debüt des Nürnberger Tatortes zeigt solide Krimi-Kost und verzichtet allem Anschein nach darauf, das Genre revolutionieren zu wollen.
Doch besonders im Zusammenspiel der Hauptfiguren blitzt schon beim ersten Fall bisweilen ein feiner Humor auf, der Lust auf die weiteren Fälle macht. Die Chemie am Tatort Franken scheint zu stimmen.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Kaum. Am Ende gibt man sich zwar reichlich Mühe, Motiv und Täter irgendwie plausibel erscheinen zu lassen, doch auf dem Weg dorthin bleibt mehr als ein großes Fragezeichen. Das ist schade, denn im Gegensatz zum Plot des Falles sind die unbeholfenen Kennenlern-Smalltalks der Kommissare schon fast tragikomisch in ihrem Realismus.
Apropos Kommissare: Wer vorab die Profile der Ermittler in den BR-Pressetexten gelesen hat, dem wurde fast schwindlig vor lauter Brüchen, dunklen Flecken und Dramen in der Vergangenheit. Zum Glück ist davon im Film nahezu nichts zu sehen. Auch ohne ausschweifende Ausflüge in die Biographie oder offensichtliche Gebrechen haben die Ermittler genug Profil, um zu überzeugen. Lieber BR, bitte so lassen!
Ein weiterer dicker Pluspunkt für "Der Himmel ist ein Platz auf Erden": Ein herrlich entspannter Umgang mit Marken und Produkten. Es wird nach einem Seat gefahndet, Paula Ringelhahn zeigt dem neuen Kollegen die Firmensitze von Grundig und AEG. Wir sind gespannt auf die erste Webseite. Ob dann tatsächlich mal gegoogelt wird?
Bester Auftritt
Dagmar Manzel und Fabian Hinrichs können bei ihrem ersten Auftritt als Tatort-Kommissare durchaus überzeugen. Man ahnt einige Charakterzüge der Figuren, aber noch ist kaum etwas zu dick aufgetragen. Vor allem Paula Ringelhahns loses Mundwerk macht Spaß und sorgt für eine der unterhaltsamsten Verhör-Szenen der letzten Jahre ("Werden Sie bedroht?" – "Nein." – "Schade eigentlich."). Gleichzeitig sind aber auch die düsteren, schweren Szenen gut und eindrucksvoll gespielt.
Die Nebenrollen (Eli Wasserscheidt, Andreas Leopold Schadt und Matthias Egersdörfer) sind scheinbar allesamt als fränkisches Gegenstück zu den zugereisten Kommissaren angelegt. Für hochdeutsche Ohren ist das bisweilen ein bisschen zu viel Mundart – dafür sorgen sie neben zahlreichen Nürnberg-Bildern für Lokalkolorit.
Was muss man sich merken?
Bis auf einige zarte Andeutungen gibt es wenig, dass man für den nächsten Franken-Tatort zwingend behalten muss. Und das ist auch gut so, denn den nächsten Fall aus Nürnberg könnte es erst im nächsten Jahr geben.
Soll man gucken?
Wer eine ausgeklügelte Story erwartet, den wird " Der Himmel ist ein Platz auf Erden" (übrigens ein weiterer Kandidat für den sinnlosesten Tatort-Titel aller Zeiten) leider ein wenig enttäuschen. Doch als Debüt kann der erste Franken-Tatort durchaus überzeugen: Die Figuren sind spannend angelegt, aber bislang nicht überfrachtet, der Grundton ist überzeugend und die Schauspieler haben sichtlich Spaß an der Sache. Wo der Berlin-Tatort vor einigen Wochen stellenweise zu ambitioniert war, halten sich die Franken lieber zurück. Und bisweilen ist man ja schon froh, wenn neue Ermittler nicht mit Motorroller und Wickelhose auftauchen.
Was diesen Tatort wohltuend von vielen anderen Fällen unterscheidet, ist die Erzählweise. Man lässt den Zuschauer selbst denken, das Offensichtliche muss nicht noch x-Mal von den Figuren formuliert und im Bild gezeigt werden. Schnell erzählte Sequenzen wechseln sich mit ruhigen, stimmungsvollen Bildern ab, die jedoch teilweise beinahe zu viel Tempo rausnehmen. Und nicht bei jeder Szene erschließt sich deren Funktion in der Handlung.
Beim Debüt eines neuen Teams besteht ohnehin eine Einschalt-Pflicht, hier machen die tollen Schauspieler wirklich Freude und die Figuren erscheinen schlüssig und realistisch. Den teilweise hanebüchenen Plot muss man ein wenig verdrängen und sich der Hoffnung auf einen besseren zweiten Fall hingeben, dann macht "Der Himmel ist ein Platz auf Erden" wirklich Spaß. Oder, wie es Kommissar Voss am Ende auf den Punkt bringt: "Für den Anfang hier war das schon…"