Dortmund-Tatort "Kollaps" im Kreuzverhör: Team-Building mal anders
Das etwas bessere Tatort-Team: Kossik (Stefan Konarske), Dalay (Aylin Tezel), Faber (Jörg Hartmann) und Bönisch (Anna Schudt). © WDR/Thomas Kost
Jürgen Werner ist so etwas wie der Vater von Faber, Bönisch, Dalay und Kossik. Der Autor erdachte den Dortmunder Tatort und schrieb die ersten Drehbücher. Beim letzten Fall war er nicht an Bord, der Film kam nicht an die Vorgänger heran. Für den neuen Fall "Kollaps" stammt das Buch nun wieder von Jürgen Werner – und die Dortmunder laufen erneut zur Höchstform auf!
Worum geht’s?
Keine Bonbons, sondern gestrecktes Kokain: Die kleine Emma stirbt in einem Park der Dortmunder Nordstadt, nachdem sie weggeworfene Drogen im Sandkasten gefunden und gegessen hat. Martina Bönisch (Anna Schudt), die gleich nebenan beim Scheidungsanwalt sitzt, drückt ihrem Team den Fall auf, obwohl eigentlich das Rauschgiftdezernat zuständig wäre.
Emmas Eltern (Alexandra Finder, Sönke Möhring) haben die Schuldigen für den Tod ihrer Tochter schnell ausgemacht. Der Park ist voll von ausländischen Dealern, darunter Jamal (Warsama Guled) und Niara Gomis (Victoire Laly). Auf dem Video einer Razzia ist zu sehen, wie die beiden Drogen-Päckchen auf den Spielplatz werfen. Emmas Vater sinnt gemeinsam mit Dieter Lahnstein (Werner Wölbern) und seinem Sohn Oliver (Axel Schreiber) auf Rache.
Kommissar Faber (Jörg Hartmann) hingegen vermutet Nordstadt-König Tarim Abakay (Adrian Can) hinter der Geschichte und setzt ihn unter Druck. Kurz darauf findet ausgerechnet Emmas Vater die Leiche der Dealerin Niara. Hat die selbsternannte Bürgerwehr zugeschlagen oder der Unterwelt-König?
Worum geht es wirklich?
Das beherrschende Thema dieses Tatortes ist Verlust. Emmas Mutter verliert ihr Kind, ebenso wie Martina Bönisch ihre pubertierenden Söhne im Scheidungs-Krieg verliert. Daniel Kossik (Stefan Konarske) hat immer noch mit dem Beziehungs-Aus zu Nora Dalay (Aylin Tezel) zu kämpfen und ätzt gegen ihren neuen Freund.
Fast nebenbei wird auch hier das Thema Flüchtlingspolitik aufgegriffen, die Perspektive ist aber eine andere als in " Verbrannt" in der vergangenen Woche. Durch bürokratische Hürden sind Jamal und Niara gezwungen, ihren Lebensunterhalt illegal zu bestreiten und Drogen zu verkaufen. Auffällig ist aber eine personelle Parallele: Werner Wölbern schwingt als Eisenbahn-Fan Lahnstein die gleichen rechten Reden wie vergangene Woche als Revierleiter.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Wie immer in Dortmund wird eine angenehm realistische Ausgangssituation mit einer Prise Fantasie weitergesponnen. Besonders Eltern dürften aber nach der Anfangs-Sequenz beim nächsten Spielplatz-Besuch ein wenig nervös auf das blicken, was die lieben Kleinen da so ausbuddeln.
Im Gegensatz dazu sind Fabers Solo-Szenen ungefähr so realistisch wie ein James-Bond-Film – aber ebenso unterhaltsam. Eine gelungene Kombination!
Bester Auftritt
Die serielle Erzähl-Weise des Dortmunder Tatortes ist vor allem an den Figuren festzumachen, und die sind Drehbuchautor Jürgen Werner scheinbar ins Blut übergegangen. Auch wenn es wie immer viel Privat-Kram der Kommissare zu sehen gibt, sind die Charaktere nach wie vor sehr unterhaltsam. Allen voran natürlich Faber, der in "Kollaps" mal wieder in Bestform zu sehen ist und am laufenden Band Beleidigungen raushaut. Die wahrscheinlich beste Kommissars-Figur, die es derzeit im Tatort zu sehen gibt!
Was muss man sich merken?
Während alle anderen Tatorte ein Muster-Beispiel für Team-Building und kollegiales Verhalten sein könnten, hat Dortmund weiterhin und in steigendem Maße eine ganz besondere Dynamik, die sich in "Kollaps" noch verstärkt. Die Gräben innerhalb des Vierer-Teams werden größer, es kommt zu offenen Konfrontationen. Man darf gespannt sein, wie es da weitergeht.
Soll man gucken?
Kommissar Faber spaltet die Tatort-Gemeinde. Die Einen finden den Aggro-Ermittler unmöglich, die Anderen verehren ihn. Fakt ist: Keine andere Figur ist so vielschichtig und modern wie der Dortmunder Choleriker. In " Kollaps" setzt er seine Wucht für die gute Sache ein – und ist dabei äußerst unterhaltsam. Ernste Themen, ein guter Krimi und dabei noch schwungvolle Dialoge – dieser Dortmund-Tatort zeigt, wie es geht!