"Im gelobten Land" aus Stuttgart: Spannung statt Betroffenheit

Eigentlich wollten sie nur einen Mörder erwischen: Bootz (Felix Klare) und Lannert (Richy Müller) machen im Tatort "Im gelobten Land" eine schreckliche Entdeckung. © SWR/Johannes Krieg
Im letzten Fall aus Stuttgart stand Sebastian Bootz im Mittelpunkt, bei der Entführung seiner Tochter bekam die Freundschaft zu Thorsten Lannert einen ordentlichen Knacks. Im neuen Tatort "Im gelobten Land" bleibt jedoch keine Zeit, die eigenen Befindlichkeiten langatmig aufzuarbeiten, denn die Stuttgarter Kommissare müssen unter Schock einen Schleuser finden, um eingesperrte Flüchtlinge zu retten.
Worum geht’s?
Stundenlang beobachten Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) einen Lkw auf einem Autobahn-Rastplatz. Die Drogenfahndung vermutet eine große Lieferung darin, die beiden Stuttgarter Tatort-Kommissare hoffen, den Mörder eines Drogen-Dealers zu erwischen. Doch der Verdächtige hat etwas bemerkt und kann fliehen. Als der Lkw geöffnet wird, sind die Ermittler entsetzt: 23 Flüchtlinge sind qualvoll erstickt, während sie nur wenige Meter weiter gewartet haben.
Erschüttert machen sich Lannert und Bootz auf die Suche nach den Schleusern. Erster Anhaltspunkt ist Milan Kostic (Sascha Alexander Gersak), auf den sie am Lkw gewartet hatten. Hat er nicht nur den Dealer ermordet, sondern auch die Flüchtlinge sterben lassen? Lannert zieht auf eigene Faust los und findet in Kostics Werkstatt die verzweifelte Lela (Florence Kasumba). Sie hat Kostic viel Geld gezahlt, damit er ihre Familie nach Deutschland holt. Als Kostic auftaucht, eskaliert die Situation: Lela wird angeschossen und von ihm als Geisel genommen.
Lannert verfolgt die beiden bis zu einem Flüchtlingsheim, in dem sich Kostic bei seiner Schwester Mitra (Edita Malovcic) verschanzt. Der Zugriff scheitert, auch Lannert gerät in die Hände der Schleuser. Unterdessen durchkämmt Sebastian Bootz mit dem SEK das Gebäude und kommt immer näher. Doch Lannert steckt in einem Dilemma: Wird Kostic festgenommen, drohen weitere 40 Flüchtling zu ersticken, die gerade in einem Lkw unterwegs sind. Nur Kostic weiß, wo der Lkw ist und verlangt, dass Lannert ihn ziehen lässt.
Worum geht es wirklich?
Harter Stoff. Unweigerlich denkt man an den Lastwagen in Österreich, in dem im Sommer 71 Flüchtlinge erstickt sind. Doch die Idee zu diesem Tatort ist älter, wie Autor Christian Jeltsch betont, und wurde von den aktuellen Ereignissen überholt. "Im gelobten Land" stehen indes weniger die Flüchtlinge und ihre Schicksale im Mittelpunkt, sondern die Schleuser. Darüber kann man sicherlich streiten, doch dem Stuttgarter Tatort gelingt es, einen packenden Krimi vor diesem Hintergrund zu erzählen, der viele erschütternde Einblicke bietet, aber nicht vor Betroffenheit trieft.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Leider ja. Nahezu jeder Aspekt der Geschichte von "Im gelobten Land" begegnet einem täglich in den Nachrichten oder in der eigenen Erfahrung. Besonders der Gang durch das Flüchtlingsheim sollte "besorgten Bürgern" und fremdenfeindlichen Parolen-Plapperern zwangsweise gezeigt werden. Dass am Ende noch eine Portion Pathos ausgeschüttet wird, ist dabei zu verzeihen.
Bester Auftritt
Richy Müller liefert seine vielleicht beste Vorstellung im Tatort Stuttgart ab. Von Schuldgefühlen zerfressen startet er einen Alleingang, der ihn in ein moralisches Dilemma bringt. Bringt er Kostic zur Strecke, müssen die Flüchtlinge sterben und die Hintermänner der Schleuer kommen davon. Lässt er ihn gehen, schenkt er einem Mörder die Freiheit. Das ist toll gespielt, ohne zu dick aufzutragen.
Leider ist dieser an sich sehr gute Tatort mit wenig Fantasie besetzt. Edita Malovcic spielt hier die Schleuserin, ist ansonsten aber Staatsanwältin am Tatort Hamburg. Richard van Weyden, hier geheimnisvoller Killer, war erst vor einigen Wochen Charlotte Lindholms fliegender Lover, Husam Chadat als geflüchteter Literaturprofessor gab bereits in Berlin und im Norddeutschland-Tatort den Migranten vom Dienst. Und Florence Kasumba war mit Borowski in Kiel auf Tauchfahrt. Es gibt so viele gute Schauspieler, warum immer die gleichen Gesichter? Es fehlt eigentlich nur noch Uwe Bohm.
Was muss man sich merken?
Lannert und Bootz sind sich nach dem Streit im letzten Fall noch immer nicht ganz grün, hier muss erst wieder Vertrauen aufgebaut werden. Darüber hinaus hat das Privatleben hier keinen Platz, weil "Im gelobten Land" sehr dicht erzählt ist. Merken sollte man sich, dass die Stuttgarter auch schwere Themen in einen guten Krimi verwandeln können – da können sich andere Ermittler viel von abschneiden.
Soll man gucken?
Wir haben es schon öfters gesagt: Der Stuttgarter Tatort gehört zu den am meisten unterschätzten der gesamten Reihe. Er verbindet traditionelle Krimi-Tugenden mit modernen Figuren und spannenden Fällen. Inzwischen ist auch das Privatleben der Kommissare nicht mehr im Fokus, ohne dass es den Figuren schadet. " Im gelobten Land" erzählt vor dem brandaktuellen Hintergrund einen brisanten Fall, der nach bedächtigem Beginn vor allem im zweiten Teil wirklich spannend ist. Mit etwas mutigerer Regie hätte es ein herausragender Fall werden können, die Inszenierung kommt bisweilen ein wenig uninspiriert und "gewöhnlich" daher. Dennoch: Absolute Empfehlung!