Odenthal-Tatort im Kreuzverhör: Wie wärs mit Rente?
Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) ist eigentlich in der Reha, doch ein Pferderipper und ein Mord stören die Erholung. © SWR/Alexander Kluge
Wir erinnern uns: In ihrem letzten Einsatz steckte Lena Odenthal mitten in einer veritablen Midlife-Crisis, angereichert mit einer guten Portion Burn-Out. Deswegen ging es von der Rheinbrücke in Ludwigshafen direkt in eine Reha-Maßnahme mit Ingwer-Tee und Mental-Training, wie wir im neuen Tatort "Die Sonne stirbt wie ein Tier" sehen. Ob das Aufpäppeln der zuletzt schwachen Kommissarin was bringt, verraten wir im Kreuzverhör.
Worum geht’s?
"Abgrenzung!": Lena (Ulrike Folkerts) lernt in der Reha, sich von Perfektionismus und Kontrollwahn zu lösen. In einer Art Ferienlager für Angeknackste soll sie neue Kraft sammeln, während Kopper (Andreas Hoppe) und die bislang ungeliebte Johanna Stern (Lisa Bitter) im Büro die Stellung halten. Doch als in der Nähe der Reha-Einrichtung jemand auf einem Pferdehof erstochen wird und ein Pferd aufgeschlitzt wird, muss Lena ran. Erste Amtshandlung: Gnadenschuss für das Pferd.
Der Hof gehört dem Anwalt Konstantin Yildiz (Ercan Karacayli) und seiner Verlobten Silvia Magin (Alma Leiberg), die wegen des toten Pferdes völlig aufgelöst ist. Die Trauer um den ermordeten Pferdewirt hingegen hält sich in Grenzen. Er wurde schon länger verdächtigt, sich an der Kasse des Hofes zu bedienen und deswegen von Yildiz beschattet. Kopper, Lena und Johanna Stern vermuten einen Zusammenhang mit einer Serie von Pferde-Morden in Ludwigshafen und Umgebung. Wurde der Pferde-Ripper erwischt und hat deswegen den Pferdewirt umgebracht?
Bei einem früheren Mord geriet der junge Gerd Holler (Ben Münchow) ins Visier der Ermittler, deswegen nimmt ihn das Ludwigshafener Tatort-Team noch einmal unter die Lupe. Holler ist nervös, verstrickt sich in Widersprüche und arbeitet an einer beachtlichen Stalker-Karriere. Sein Opfer ist die Verkäuferin Paula (mir breitem Pfälzer Dialekt: Lisa Charlotte Friederich) – doch hat er auch etwas mit den Morden zu tun?
Problem-Krimi oder Spaß-Tatort?
"Die Sonne stirbt wie ein Tier" hat zwar den beknacktesten Titel der bisherigen Tatort-Saison, dafür aber eine einigermaßen annehmbare Geschichte. Kein Weltschmerz-Thema mit anschließender Jauch-Diskussion, sondern ein einfacher Kriminalfall mit überschaubarem Personal. Leider ist der Tatort jedoch dermaßen wirr erzählt, dass es selbst hochkonzentrierten Zuschauern schwer fällt, der Handlung zu folgen.
Ist die Handlung glaubwürdig?
Am Ende passen Täter, Motiv und Opfer zusammen, doch die Lösung wird wieder mal mit plötzlichen Enthüllungen in den letzten zehn Minuten hektisch herbeierzählt. Davor müssen wir viel Geschrei im Verhörraum, reichlich Nebel und zahlreiche Kriminal-Statistiken ertragen. Doch am allermeisten nervt die halbgare "Lena krempelt ihr Leben um"-Masche und das pseudo-psychologische Gelaber zwischen Odenthal und ihrem Therapeuten. Vielleicht wäre es mal an der Zeit, über eine vorzeitige Pensionierung nachzudenken?
Bester Auftritt
Ben Münchow schafft es, den Außenseiter Gerd Holler glaubwürdig und gleichzeitig beängstigend rüberzubringen. Leider ist die Rolle ein bisschen dick aufgetragen und mit zu vielen Klischees belastet, doch über weite Teile scheint Münchow der Einzige in diesem Tatort, der wirklich schauspielert und nicht nur Sätze aufsagt.
Bei Lena Odenthal und Mario Kopper hingegen muss man leider wieder mal sagen: Der Versuch, die Figuren auch nur ansatzweise spannend zu machen (Lebenskrise bzw. Affäre in Italien) funktioniert nicht. Zusammenhangloses Anschreien von Zeugen und Skype-Geplapper gehen in "Die Sonne stirbt wie ein Tier" schon bald gehörig auf die Nerven. Immerhin bringt Fallanalytikerin Johanna Stern ein wenig Dynamik ins Ludwigshafener Tatort-Team. Doch leider kommt sie wieder arg streberhaft rüber und antwortet auf jede Frage mit auswendig gelernten Statistiken und Wahrscheinlichkeiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Johanna Stern dem Ludwigshafen-Tatort dauerhaft zu neuem Glanz verhelfen kann, taxieren wir mal auf unter 20 Prozent.
Was muss man sich merken?
Wenig. Lena kehrt zurück, ihre Krise und die Reha werden möglicherweise zwar noch thematisiert, aber Auswirkungen hat das nicht. Nur das Verhältnis zwischen Kopper und Lena ist ein bisschen angeschlagen und wird beim nächsten Fall wohl weiter Thema sein. Doch interessant oder gar spannend ist das nicht. Wie man Figuren so gestaltet, dass sie den Zuschauer fesseln, haben wir letzte Woche in Dortmund um Welten besser gesehen!
Und sonst so?
Entweder hat man beim SWR jede Menge Selbstironie, oder die Tatort-Macher kriegen nicht mit, was zum Thema Fake-Webseiten bei Twitter & Co. abgeht. Dieses Mal begegnet uns nicht nur der schon bekannte Google-Klon "Tracer.com", sondern auch eine äußerst bizarre, trashig-schmuddelige Porno-Seite. Das könnte die öffentlich-rechtliche Variante des Kardashian-Hinterns werden: It will break the Internet!
Soll man gucken?
TV-Stars, die ihre besten Tage hinter sich haben, tote Tiere und ein wenig nackte Haut gibt’s auch grade im RTL-Dschungelcamp. Das hat dazu aber wesentlich bessere Dialogschreiber. Wer kein beinharter Odenthal-Fan ist, kann also gut auf " Die Sonne stirbt wie ein Tier" verzichten und muss dann auch nicht rätseln, was um alles in der Welt der Titel soll. Dann lieber einmal an Kommissar Faber und "Hydra" zurückdenken oder sich auf den Kiel-Tatort in der nächsten Woche freuen.