"Emotionen völlig vermisst": Thomas Gottschalk schimpft über TV-Triell

Thomas Gottschalk bei der Frankfurter Buchmesse 2019.
"So bewirbt man sich um den Betriebsrat". TV-Legende Thomas Gottschalk zog nach dem Triell zwischen den drei Kanzlerkandidaten eine bittere Bilanz. Der Entertainer ertappte sich dabei, innerlich fast abzuschalten.
Wer kann Kanzler? Am Sonntag, den 12. September, trafen die Kandidaten Annalena Baerbock (40, Bündnis 90/Die Grünen), Armin Laschet (60, CDU) und Olaf Scholz (63, SPD) zum zweiten Triell von insgesamt drei TV-Debatten vor der Bundestagswahl am 26. September 2021 aufeinander. Diesmal übertrugen das Erste, das ZDF und Phoenix das Triell, insgesamt 11 Millionen Zuschauer schalteten ein. Die erste Sendung hatte am 29. August noch 5,6 Millionen Interessierte zu RTL und ntv gelockt.
In vielen Sendern diskutierten Prominente über das Ergebnis des Dreikampfs, auch bei BILD-TV, dem neu gegründeten TV-Sender der gleichnamigen Boulevardzeitung. Zu Gast bei Chefredakteur Julian Reichelt (41) war unter anderem Thomas Gottschalk (71). Und die TV-Legende ließ kein gutes Haar an der Performance der Kandidaten.
Das waren die zentralen Themen beim Triell:
Für Gottschalk kamen die drei Kanzlerkandidaten viel zu trocken und unemotional rüber. "Die Emotionen habe ich völlig vermisst." Der Entertainer fühlte sich eher an die Bewerbung für einen Betriebsrat erinnert als an einen Kampf um das wichtigste politische Amt Deutschlands. "Ich habe bei keinem dieser drei Menschen die Leidenschaft erlebt, die ich mir wünsche von meinem künftigen Kanzler oder Kanzlerin."
Gottschalk schaltete innerlich fast ab
Der sich durchaus als politischen Menschen verstehende Moderator ertappte sich dabei, im Verlaufe der Sendung geistig abzuschalten: "Ein für mich relativ erschreckender Moment, weil ich gemerkt habe, dass ich - auch als politisch interessierter Mensch, dessen Zukunft da verhandelt wird - nach einer Stunde gemerkt habe: Ich blende mich langsam aus."
So reagierte das Netz auf das Triell:
Vor zwei Wochen war kritisiert worden, dass DIGITALISIERUNG keine Rolle gespielt habe. Nun wurden Baerbock, Scholz und Laschet danach befragt - und alle drei benannten Fortschritte hier als dringliche Aufgabe der neuen Regierung. "Wir haben viel gemacht, aber es reicht nicht", sagte Laschet. Er bekräftigte seinen Plan, im Fall einer Kanzlerschaft ein Digitalministerium einzurichten. Baerbock lehnte ein solches Ministerium ab, das Zukunftsthema Digitalisierung müsse in den Aufgabenbereich des Kanzlerinnenamtes, forderte sie. Scholz betonte, dass für die Breitbandinfrastruktur schon viel Geld zur Verfügung gestellt worden sei. "Ich glaube, es liegt schon längst nicht mehr am Geld."
Kontroverser wurde es beim Thema MIETEN. Scholz und Baerbock sprachen sich dafür aus, Schranken gegen steigende Mieten zu errichten. Es müsse auf Bundesebene ermöglicht werden, für Städte mit explodierenden Mieten Obergrenzen einzuziehen, sagte Baerbock. Scholz erläuterte, neben dem Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr strebe die SPD ein "Mietmoratorium" an, damit bei Neuvermietungen Mieten nicht mehr so stark steigen könnten. Laschet legte den Fokus auf Anreize für Investitionen in zusätzliche Wohnungen. Nötig sei "mehr und schnelleres Bauen". Dazu müsse man zum Beispiel die Bauordnung vereinfachen.
Beim Thema KRANKENVERSICHERUNG zogen Scholz und Baerbock an einem Strang. Beide befürworteten die Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen. Das sei für ihn "eine Herzensangelegenheit schon seit langer Zeit", sagte Scholz. Baerbock betonte: "Ja, ich will den Weg zu einer Bürgerversicherung gehen, die bedeutet, dass viel mehr Menschen einzahlen." Der erste Schritt sei, "dafür zu sorgen, dass Menschen, die jetzt privat versichert sind, in die Gesetzliche wechseln können". Laschet lehnte eine solche Versicherung ab. "Hier unterscheiden wir uns fundamental." In Dänemark oder auch Großbritannien habe die Einheitsversicherung ein schlechteres Gesundheitssystem zur Folge.
Konträr ging es auch beim Thema RENTE zu. Scholz sagte, man müsse jungen Leuten die Garantie geben, dass das Renteneintrittsalter und das Rentenniveau stabil blieben. Laschet nannte diese Aussage nicht seriös. Man könne nicht Menschen, die heute ins Berufsleben starten, sagen, es werde alles so bleiben. So müsse bei der betrieblichen Altersvorsorge ein besseres System gefunden werden, die Riester-Rente sei nicht effektiv und attraktiv. Baerbock sprach sich für mehr Fachkräftezuwanderung und einen gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro aus. Außerdem müssten mehr Frauen in Vollzeit arbeiten können.
Inhaltlich kritisierte Gottschalk vor allem Armin Laschets Vermeidung eines Jas, auch als Juniorpartner einer neuen Regierung zur Verfügung zu stehen. "Wir alle wissen, dass es zu einer mehr oder weniger bunten Koalition kommen muss. Und sein Ausweichen habe ich nicht nachvollziehen können. Es ist doch genauso: Wenn ich einer Frau einen Heiratsantrag mache, dann muss ich doch wissen und allen sagen können, was ich dann plane."
Am nächsten Sonntag, den 19. September, geht das finale Triell über die Bühne, diesmal bei ProSieben, Sat 1 und Kabel eins.