Keine Party: Jan Böhmermann sagt dem Grimme-Preis ab

Diesmal könnte es Jan Böhmermann ernst meinen. Zum Thema Erdogan schweigt er im "Neo Magazin" - dafür kündigt er an: Keine Party beim Grimme-Preis. Schwer enttäuscht ist der Satiriker offenbar von der Bundesregierung.
Gut möglich, dass der Eklat um sein Erdogan-"Schmähgedicht" Jan Böhmermann (35, "Alles, alles über Deutschland") doch stärker an die Nieren geht als gedacht: Der Satiriker hat seinen für Freitagabend geplanten Auftritt beim Grimme-Preis abgesagt. Das hat das Grimme-Institut der Nachrichtenagentur spot on news auf Nachfrage bestätigt.
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"Das ist sehr, sehr schade. Aber wir müssen das zur Kenntnis nehmen und den Preis in Abwesenheit übergeben", sagte ein Sprecher des Instituts. Böhmermann sollte den Preis für sein vermeintliches Fake-Video mit dem ausgestreckten Mittelfinger des griechischen Ex-Finanzministers Yanis Varoufakis bekommen.
Einzelheiten zu den Gründen für die Absage lagen den Veranstaltern zunächst nicht vor. Man gehe davon aus, dass der Druck auf Böhmermann aktuell zu groß geworden sei, hieß es. Darauf lässt tatsächlich auch ein Facebook-Post Böhmermanns schließen: Gegen halb fünf am frühen Freitagmorgen hatte der derzeit wohl gefragteste Satiriker des Landes seine Absage verkündet - oder verkünden lassen. Um einen Scherz handelte es sich entgegen des ersten Eindruckes nicht.
Enttäuscht von der Regierung?
"Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe. Mein Team von der Bildundtonfabrik und ich bitten um Verständnis, dass wir heute Abend nicht in Marl feiern können", ist, als Zitat, auf der Seite zu lesen. Die Staatsanwaltschaft Mainz hatte wegen der möglich strafrechtlich relevanten Schmähungen gegen Erdogan am Mittwoch "beweissichernde" Ermittlungen gegen Böhmermann eingeleitet.
Denkbar scheint, dass Böhmermann mit dem Post nun Enttäuschung über die Haltung der Bundesregierung äußert. Sein Anwalt Christian Schertz sagte dem "Spiegel" mit Blick auf die Erdogan-Affäre: "Besonders schwierig finden wir, dass die Kanzlerin sich bereits öffentlich mit einer rechtlichen Bewertung geäußert hat und das Auswärtige Amt Gutachten anfertigen lässt." "Man sollte hier die Grundsätze der Gewaltenteilung beachten."
Das Nachrichtenmagazin berichtete zudem, Böhmermann habe sich in einem privaten Tweet an Bundeskanzleramtsminister Peter Altmaier (57) gewandt gehabt. "Ich möchte gerne in einem Land leben, in dem das Erkunden der Grenze der Satire erlaubt, gewünscht und Gegenstand einer zivilgesellschaftlichen Debatte sein kann", zitiert der "Spiegel" Böhmermann. Altmaier habe den Satiriker jedoch lediglich vertröstet.
Böhmermann lässt surrealen Clip sprechen
Böhmermann hatte auch am Donnerstag in seinem "Neo Magazine Royale" etwas angegriffen gewirkt. In der Sendung unter dem Motto "#witzefrei" hatte er das Thema Erdogan vermieden. Stattdessen dachte er plakativ über einen Wechsel des Metiers nach: Auf der Homepage "boehmer-wohnen.de" werden nun scherzhaft Gegenstände aus dem Leben des Moderators feilgeboten. "Wer träumt nicht diese Tage davon, so zu leben wie ich?", fragte Böhmermann ironisch.
Gute Kritiken erntete die Ausgabe trotz der thematischen Aussparungen. Eindruck hinterließ unter anderem eine skurril-surreale, gut zehn Minuten lange Einspielung, in der Böhmermann in verschiedensten Fernsehclips auftaucht - etwa als Talkshowgast, Soap-Darsteller, Schnulzensänger, Werbe- und Trickfilmfigur - und versucht, wieder in die Realität zurückzufinden, bis das "Neo Magazin" scheinbar wieder von vorne beginnt. Zu verstehen ist der Clip wohl als subtile Medien- und Gesellschaftskritik.