"Tod einer Kadettin": Das mysteriöse Todesdrama hinter dem Film
Der Film "Tod einer Kadettin" im Ersten erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die an Bord eines Marine-Schiffes tödlich verunglückt. Er basiert auf einer wahren Begebenheit: Der mysteriöse Todesfall von Jenny Böken ist bis heute ungeklärt.
Eine junge Kadettin übernimmt nachts den Wachdienst an Bord eines Segelschulschiffes. Dann verunglückt sie auf mysteriöse Weise tödlich. Diese dramatische Geschichte erzählt der Film "Tod einer Kadettin", der am 5. April um 20:15 Uhr im Ersten läuft. Was nach einem Krimi klingt, ist jedoch viel mehr als ein gewöhnlicher Fernsehfilm: Es ist die wahre Geschichte der jungen Jenny Böken, deren genaue Todesumstände bis heute ungeklärt sind.
Der Fall Jenny Böken
Jenny Böken aus Teveren bei Aachen war 18 Jahre alt, hatte ihr Abitur in der Tasche und wollte bei der Bundeswehr Medizin studieren. Sie wurde bei der Marine zugelassen und heuerte nach der Grundausbildung auf dem Segelschulschiff Gorch Fock an. In der Nacht vom 3. auf 4. September 2008 ging die junge Frau während ihres Wachdienstes auf dem Posten "Ausguck Back" auf ungeklärte Weise über Bord. Elf Tage später wurde die Leiche der 18-Jährigen in der Nordsee von der Besatzung eines Fischereiforschungsschiffes geborgen.
Die vielen Ungereimtheiten
Bis heute wirft der Fall Jenny Böken zahlreiche Fragen auf, die bislang ungeklärt sind. So sei ihre Tochter zu dem fraglichen Zeitpunkt gesundheitsbedingt nachweislich untauglich für ihren Einsatz gewesen, heißt es etwa auf einer Homepage, die ihre Eltern, Marlies und Uwe Böken, nach der Tragödie eingerichtet haben. Somit hätte Jenny gar nicht erst an Bord sein dürfen.
In der Nacht ihres Verschwindens habe sie dann die für 23:30 Uhr angesetzte Meldung nicht abgesetzt, jedoch habe niemand nachgeprüft wieso. Erst knapp eine Viertelstunde später wurde das Überbordgehen vermeldet und erste Rettungsmaßnamen veranlasst - erfolglos. Einige Besatzungsmitglieder gaben später an, Schreie gehört, andere dagegen, eine Person im Wasser gesehen zu haben. Beides sei in den Augen von Marlies und Uwe Böken fraglich, angesichts der Dunkelheit, einer Windstärke 7 und bis zu drei Meter hohen Wellen.
Die unvollständige Krankenakte
Auch bei der Gesundheitsakte der Kadettin Böken gibt es Ungereimtheiten: Die Akte sei zunächst unvollständig an die Ermittlungsbehörden übergeben worden, so die Eltern. Wieso ein Teil der Akte erst nach der Obduktion an die Staatsanwaltschaft übergeben wurde, ist ungeklärt.
Jedoch meldete sich später die Assistentin des Schiffsarztes als Zeugin. Sie gab an, dass Jenny regelmäßig bei ihr gewesen sei, dementsprechend dick sei auch die Krankenakte gewesen. Doch die Akte, die der Staatsanwaltschaft vorlag, war deutlich dünner. Laut der Zeugin hätten einige ihrer Vermerke darin gefehlt. Ein klarer Fall von Manipulation für Uwe Böken.
Die fehlenden Kleidungsstücke
Fragen wirft auch die Bekleidung der 18-Jährigen auf. Zum einen wurde sie am 15. September 2008 angeblich ohne Parka und ohne Stiefel geborgen. Doch es gibt offenbar Aussagen, die dem widersprechen. Demnach habe die junge Kadettin sehr wohl ihren Parka getragen, wodurch sie bereits vor der Obduktion sofort identifiziert worden sei. Ob oder wie der Parka verschwand, ist also ungeklärt.
Während auch Jennys Stiefel auf mysteriöse Weise verschwanden, sollen ihre Socken jedoch noch akkurat gesessen haben. Doch wie ist das nach elf Tagen im Wasser bei derartigem Wellengang möglich? Auch hierfür gibt es keine Erklärung. Fotos der Bergung gibt es angeblich keine. Ebenfalls dubios ist die Beseitigung der Kleidung. Die sei bereits zu Beginn der Ermittlungsarbeiten vollständig vernichtet worden, dabei wäre sie potentielles Beweismaterial gewesen, heißt es auf der Homepage der Bökens.
Die abweichende Driftberechnung
Die von einem Marinegutachter berechneten Strömungsdaten aus dem Jahr 2012 stellten zudem in Frage, ob Jenny Böken wirklich zu dem angegebenen Zeitpunkt ins Wasser fiel. Aus einem Bericht der Aachener Zeitung geht hervor, dass die errechnete Position der Leiche mit einer Differenz von 28 Kilometern deutlich vom Fundort der Kadettin entfernt lag. Zudem wies die Obduktion kaum Wasser in der Lunge der Toten auf - für einen Ertrinkungstod äußerst ungewöhnlich. War Jenny Böken womöglich bereits tot, als sie über Bord ging?
Was neben all den Ungereimtheiten allerdings feststeht, ist, dass Jenny Böken zum Zeitpunkt des Unglücks keine Schwimmweste trug. Das wäre angesichts des 15 Grad kalten Wassers und der Bedingungen aber anzuordnen gewesen. Die Marine wies diese Vorwürfe zurück. Außerdem sei Jenny nicht den Umständen entsprechend gesichert gewesen, begründete der Rechtsanwalt der Familie, Rainer Dietz, die "besondere Lebensgefahr", in der sich die Kadettin in jener Nacht befunden hatte.
Das Scheitern vor Gericht
Im September vergangenen Jahres hatten die Eltern deswegen beim Oberverwaltungsgericht Münster einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 20.000 Euro erhoben. Die Forderung wurde abgewiesen. Die Begründung: Es habe zwar Lebensgefahr, aber keine "besondere" Lebensgefahr bei dem fraglichen Wachdienst von Kadettin Böken bestanden. Ein erneuter Schlag für die Familie, die seit dem mysteriösen Todesfall immer wieder vor Gericht stand.
Nachdem das Verfahren 2009 von der Staatsanwaltschaft Kiel mit der Begründung eines "tragischen Unfalls" eingestellt worden war, beantragte die Familie Böken zwei Jahre später die Wiederaufnahme, jedoch ohne Erfolg. Im Juni 2012 wies auch das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein ein Klageerzwingungsverfahren durch die Eltern zurück. Zwei Jahre später blieb zudem ein versorgungsrechtliches Entschädigungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht Aachen erfolglos. Die darauffolgende Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht wurde nicht zugelassen.
Die Dokumentation zum ungeklärten Fall
Der Fall Jenny Böken ist noch lange nicht geklärt. Doch wieso wurde das Verfahren eingestellt, wenn so viele Fragen offen sind? Was geschah in der der Nacht vom 3. auf 4. September 2008 wirklich? Antworten kann auch der Film "Tod einer Kadettin" nicht geben. Doch vielleicht hilft er die Hintergründe zu verstehen. Im Anschluss zeigt das Erste die Dokumentation "Der Fall Gorch Fock - Die Geschichte der Jenny Böcken", in der Raymond Ley und Jan Lerch den offenen Fragen nachgehen.