DTM vor dem Zerfall
Schock für die DTM: Audi wird Ende 2020 aus der Tourenwagen-Rennserie aussteigen. Damit droht der DTM das Aus. Es bleibt mit BMW nur noch ein Hersteller übrig.
Es ist ein schwerer Schlag für die DTM. Und ein schwerer Schlag für ihren Chef Gerhard Berger, der seit 2017 der Internationalen Tourenwagenrennen e.V. vorsitzt, dem Dachverband der DTM. Berger trat an, um die Rennserie neu zu formieren und sie zukunftsfähig zu machen. Jetzt droht nach einer Entscheidung des Audi.Vorstands der Zerfall.
Die Marke mit den vier Ringen als Logo verkündete am frühen Montagabend (27.4.2020) ihr Engagement in der DTM Ende 2020 auslaufen zu lassen. Audi wird den Vertrag nicht verlängern. Man richte das Motorsport-Programm "auf dem Weg zum Anbieter bilanziell CO2-neutraler Premiummobilität" neu aus, heißt es auf der einen Seite. Auf der anderen Seite drückt Audi auf die Kostenbremse.
Die Corona-Pandemie belastet die Automobilbranche. Der Einsatz in der DTM verschlingt Millionen. Und diese Kosten will sich Audi in Zukunft sparen. Stattdessen fährt man lieber weiter in der Formel E und hält das Kundensportprogramm (GT2, GT3, GT4) aufrecht.
Audi macht lieber Formel E
"Audi hat die DTM geprägt und die DTM hat Audi geprägt. Das demonstriert, welche Power im Motorsport liegt – technologisch und emotional", sagt der neue Vorsitzende der Audi AG, Markus Duesmann. "Mit dieser Energie werden wir unseren Wandel zum Anbieter sportlicher, nachhaltiger Elektromobilität vorantreiben. Wir fokussieren uns deshalb auch auf der Rennstrecke und fahren konsequent um den Vorsprung von morgen. Die Formel E bietet dafür eine sehr attraktive Plattform. Ergänzend prüfen wir für die Zukunft weitere progressive Motorsport-Formate."
Man kann das Statement auch so lesen. Die DTM hat für Audi ausgedient. Sie ist für den Hersteller weder technologisch noch emotional ausreichend reizvoll, um weiterzufahren. Die Formel E sieht Audi dagegen als passende Marketingplattform, um E-Antriebe und Batterietechnik zu entstauben und sportlich anzuhauchen. Audi hat sich zum Ziel gesetzt, ab 2025 rund 40 Prozent Absatz mit Elektroautos und Plug-in-Hybriden zu erzielen. Der Umstieg der DTM von V8-Saugmotoren auf Vierzylinder-Turbos und die Aussicht auf ein Hybridsystem war Audi offenbar nicht genug.
Die DTM ist geschockt. "Heute ist ein schwieriger Tag für den Motorsport in Deutschland und Europa. Ich bedaure die Entscheidung von Audi, sich 2021 aus der DTM zurückzuziehen, außerordentlich", sagt Gerhard Berger. Der Österreicher verpasst Audi auch einen kleinen Seitenhieb. Die DTM hätte sich "gerade in Corona-Zeiten ein Vorgehen im Sinne unserer gemeinsamen Gesellschaft gewünscht".
Statt zusammenzuhalten, spaltet sich Audi ab. "Die Entscheidung ist zu respektieren, auch wenn die Kurzfristigkeit, mit der sie mitgeteilt wurde, mich, unseren Partner BMW und alle weiteren Teams vor besondere Herausforderungen stellt", sagt Berger.
Nächstes Motorsportprogramm beendet
Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit beendet Audi ein großes Motorsport-Programm. Ende 2016 verabschiedete man sich nach 18 Jahren aus der Topklasse des Langstreckensports. Audi schloss das erfolgreiche Kapitel Le Mans.
Ende 2020 ist nach zwei Jahrzehnten in der DTM Schluss. Audi startete erstmals am 1. April 1990 in der Tourenwagen-Rennserie, die damals Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft hieß. Es war ein Debüt mit einem ungewöhnlichen Auto. Der Audi V8 Quattro betrieb alle vier Räder. Nach drei Saisons verabschiedete sich Audi. Und als die DTM 2000 neu aufgelegt wurde, stand die Marke wieder am Start. Mit dem Audi TT-R, den Abt einsetzte, mit dem der Hersteller selbst aber wenig zu tun hatte. Erst 2004 kehrte Audi tatsächlich werksseitig zurück.
Audi blickt auf eine erfolgreiche Zeit zurück. 23 Meistertitel, darunter elf Fahrermeisterschaften, 114 Siege, 345 Podestplätze, 106 Pole-Positions und 112 schnellste Rennrunden. 2019 gewann Audi alle drei Titel (Fahrer-, Team- und Markenwertung). Audi hat den besten und zuverlässigsten Vierzylinder-Turbomotor gebaut. Es könnten noch ein paar Siege dazukommen, sofern die Corona-Pandemie abflacht und in diesem Jahr überhaupt Motorsport möglich ist. Ansonsten würde sich Audi ohne ein weiteres Rennen verabschieden.
Was passiert mit der DTM?
Die DTM schaut in eine ungewisse Zukunft. Für Berger und seine Mannschaft ist es die dritte Hiobsbotschaft. Ende 2018 ging Mercedes. 2019 endete nach nur einer Saison die Partnerschaft zwischen R-Motorsport und HWA, die zusammen vier Aston Martin Vantage eingesetzt hatten. Es ist mit BMW nur noch ein Hersteller übrig. "Nun ist die Situation zusätzlich verschärft, und die Zukunft der DTM wird sehr stark davon abhängen, wie die Partner und Sponsoren auf diese Entscheidung reagieren", sagt Serienchef Berger.
Der Serientod, gegen den sich Berger und seine Mannschaft seit Jahren stemmen, ist wahrscheinlicher geworden. Es gibt nicht wenige, die behaupten, Audi habe das Todesurteil der DTM unterschrieben. Ein Alleinunterhalter BMW wird nicht reichen. Weder der DTM, noch dem Hersteller selbst oder den Fans. Es würde der Wettbewerb fehlen. Selbst, wenn ein paar Kunden-Audis mitfahren würden.
Neue Hersteller könnten vermutlich nur in Japan gefunden werden. Die DTM hat in den letzten Jahren ihre Partnerschaft mit der SuperGT intensiviert. Beide Serien fahren unter einem fast identischen Regelwerk. Mehr als ein paar Showeinlagen gab es bislang aber nicht. Und auch die Japaner werden in Corona-Zeiten auf das Geld schauen. Genau das trifft auch auf andere Hersteller zu.
Eine Übergangslösung ab 2021 könnte es sein, auf die direkte Beteiligung eines Herstellers zu verzichten und es mit Kundensport zu probieren. Dafür müssten BMW, Audi und Aston Martin/R-Motorsport ihre Autos zu vertretbaren Preisen an Privatteams abgeben. Oder die DTM kappt alle Verbindungen zur Vergangenheit und stellt sich komplett neu auf. Mit einfacherer Technik und billigeren Autos. So oder so würde sich die DTM aus dem Würgegriff der Hersteller lösen.
Berger sagt: "Wir möchten so schnell wie möglich Planungssicherheit für die Teams, die hunderttausende Fans, die Sponsoren und alle Mitarbeiter schaffen, deren Arbeitsplätze an der DTM hängen."