350 Milliliter zu wenig Sprit für Vettel

Sebastian Vettel erzielte im Abschlusstraining zum GP ABu Dhabi die drittschnellste Zeit. Trotzdem muss er von ganz hinten starten. Den Red Bull-Kommandostand passierte das gleiche dumme Missgeschick wie McLaren in Barcelona. Als Vettel auf Befehl des Teams in der Auslaufrunde stoppte, war zu wenig Benzin an Bord.
Sebastian Vettel sah schon wie der angehende Weltmeister aus. Eigentlich konnten sich Red Bull und er nur noch ein Eigentor schießen, so überlegen wie sich das Auto in den letzten vier Rennen präsentierte. Und genau dieses Eigentor wurde jetzt geschossen. Diesmal vom Red Bull-Kommandostand. Vettel hatte gerade die drittschnellste Trainingszeit gefahren, doch er kehrte von dieser Runde nicht mehr zurück.
Geheimnistuerei um Stopp
Direkt unter dem Yas Marina Hotel blieb der Red Bull stehen. 400 Meter vor den Boxen. Renault-Ingenieure wiesen Vettels Renningenieur Guillaume Rocquelin in Panik an, den Fahrer über Funk zu warnen. "Stell sofort den Motor ab." Da befand sich Vettel in Kurve 17 von 21. In Kurve 18 stoppte er. "Wir haben verdächtige Daten an der Telemetrie entdeckt und wollten nicht den Motor riskieren", erklärte Renault-Ingenieur Remi Taffin.
Was genau wollte er nicht sagen. Auch den FIA-Inspektoren zunächst nicht. Nach längerem Nachfragen sickerte durch, dass sich im Kollektortank offenbar kein Benzin mehr befand, die Kraftstoffpumpen damit ins Leere saugten. Das hätte nach Angaben der Renault-Ingenieure Schäden am Motor nach sich ziehen können. Da Vettel für das drittletzte Rennen ein brandneues Triebwerk eingebaut hatten, wollte man das nicht riskieren.
Reglement verlangt ein Liter Sprit
Die letzte Erklärung von Renault überzeugte die vier Sportkommissare Lars Osterlind, Radovan Novak, Khaled Bin Shaiban und Derek Warwick. Noch hätte Vettel mit einem blauen Auge davonkommen können. Den technischen Kommissaren blieb jetzt nur noch eine Möglichkeit. Sie mussten den Tank auslitern. Dabei stellte sich heraus, dass die Restmenge Benzin zu gering war. Das Reglement verlangt mindestens einen Liter Sprit im Tank. Plus die Menge, die auf dem Weg vom Haltepunkt bis zu den Boxen verbrannt worden wäre. Die wurde mit 0,2 Liter berechnet. Doch statt 1,2 Litern wurden nur 850 Milliliter aus dem Tank gefördert. Für Vettel hat der Fauxpas ernsthafte Konsequenzen. Alle Trainingszeiten werden gestrichen. Er muss vom letzten Startplatz aus ins Rennen gehen.
Vettels unfreiwilliger Stop erinnerte sofort an den Fall Lewis Hamilton in Barcelona. Der McLaren-Pilot hatte ebenfalls auf Befehl aus der Box seinen McLaren auf der Strecke abgestellt. McLaren berief sich damals auf ein Motorenproblem. Später stellten die FIA-Kommissare fest, dass im Tank ebenfalls zu wenig Benzin war. Wäre Hamilton die Runde zu Ende gefahren, hätte er die Boxen mit dem letzten Tropfen Kraftstoff erreicht. In diesem Fall konnten die Kommissare McLaren nachweisen, dass es sich nicht um höhere Gewalt gehandelt hatte.
Gleicher Fehler wie McLaren
McLaren wusste, dass aufgrund eines Befüllungsfehler nicht genügend Kraftstoff getankt worden war. "Sie hätten damals also jederzeit Hamilton stoppen und die Disqualifikation verhindern können", erklärt FIA-Rennleiter Charlie Whiting den Casus Barcelona. Der Schnellste des Trainings musste sich ganz hinten anstellen. Hamilton kam als Achter ins Ziel.
Auto und Fahrer müssen nach der Qualifikation aus eigener Kraft in die Boxen zurückkomen. Nur bei höherer Gewalt wird eine Ausnahme gemacht. Das heißt ein Crash, ein Motorschaden, ein Getriebedefekt. Damit hat der Red Bull-Kommandostand das faule Ei Vettel ins Nest gelegt. Er hätte aus der Hamilton-Episode schlau werden müssen.Red Bull muss gewusst haben, dass die Restmenge nie und nimmer reicht. Wäre Vettel zu Ende gefahren und hätte die FIA zufällig seinen Tank.nhalt überprüft, wäre er ebenfalls aus der Wertung genommen worden.
Schlechte Tage beginnen meistens schon schlecht. Im dritten Training am Vormittag drehte Vettel nur sieben Runden. Gleich während der Installationsrunde meldete Vettel über Funk: "Das Auto ist unfahrbar. Beim Bremsen fällt das Pedal durch." Die Mechaniker wollten zuerst die Bremsen entlüften, stießen dabei aber wegen der besonderen Konstruktion des Red Bull-Bremssystems auf Schwierigkeiten. Die Bremszangen hängen unter den Scheiben. Da ist das Entlüften eine zeitraubende Prozedur. Dehalb wurde alle vier Sättel getauscht. Am Ende konnte Vettel noch zwei schnelle Runden fahren. "Ich habe aber wegen des verkürzten Programms nicht alle Antworten auf meine Fragen bekommen", räumte Vettel an.
Schlechte Nachricht mit guten Seiten
In der Qualifikation funktionierten die Bremsen zwar wieder einwandfrei, doch diesmal stimmte der Speed nicht. Je mehr die Nacht über dem Yas Marina Circuit hereinbrach, umso schwieriger wurde es für Vettel, die Reifen auf Temperatur zu bringen. "Ich hätte mit einem Satz zwei Versuche fahren sollen. Dann hätte ich vielleicht noch Mark geknackt. Für Lewis hätte es auf keinen Fall gereicht."
Am Ende war alles Makulatur. Vettel startet beim GP Abu Dhabi 18 Positionen hinter seinem WM-Rivalen Alonso. Er wird dazu vermutlich den neunten Motor einsetzen. Das würde im Normalfall eine Strafversetzung um zehn Startplätze bedeuten, doch da er ohnehin schon ganz hinten steht, trifft ihn das nicht hart. Manchmal haben schlechte Geschichten auch ihre guten Seiten.