Grand Prix Nr. 900 wird zum Jahrhundertrennen

Die auto motor und sport Formel 1-Reporter berichten in ihren F1-Tagebüchern von ihren persönlichen Erlebnissen bei den 19 Grand Prix-Rennen der Saison 2014. In Teil 3 blickt Michael Schmidt hinter die Kulissen des GP Bahrain.
Obwohl zwischen dem GP Malaysia und dem GP Bahrain nur sieben Tage liegen, fliege ich zurück. Beides sind Orte, wo man freiwillig nicht länger bleibt als man muss. Ausnahmsweise geht mit der Fliegerei alles glatt. Bis London. Der British Airways-Jumbo schwebt überpünktlich um sechs Uhr morgens aus Singapur kommend in Heathrow ein. Genug Zeit, um den Flieger nach Stuttgart zu kriegen, der zwei Stunden später starten soll.
Als wir in London ankommen ist es leicht dunstig. Der Kapitän warnt aber schon, dass innerhalb einer Stunde starker Nebel aufziehen soll. Und tatsächlich. Eine Stunde später erkennt man beim Blick durch die große Glasfront von Terminal 5 die Flieger kaum an den Gates. Über Heathrow liegt zäher November-Nebel. Dabei haben wir den 1. April. Vielleicht ist das Datum das Problem.
In den nächsten drei Stunden geht in Heathrow gar nichts. Nur eine Startbahn ist geöffnet. Erst müssen die ankommenden Flieger rein, wegen des Nebels länger getaktet. Als so viele Maschinen an den Gates herumstehen, dass kein Platz mehr ist, darf einer nach dem anderen abfliegen. Nach Stuttgart mit zweieinhalb Stunden Verspätung.
Regen in Bahrain./strong>
Die Zeit in der Redaktion beschränkt sich auf einen halben Tag. Die nächste Hiobsbotschaft wartet schon. Die Lufthansa-Piloten befinden sich im Streik. Also in letzter Minute umgebucht auf Gulf Air. Als ich am Mittwochabend in Manama ankomme, regnet und stürmt es. Das erlebt man in Bahrain fast so selten wie einen Lotto-Sechser.
Der Tank im Mietauto ist fast leer. Eigentlich kein Problem, denn ein Mal volltanken kostet 3,50 Euro. Doch erst einmal eine Tankstelle finden. Das ist in Manama das gleiche Suchspiel wie in Abu Dhabi. Man sollte meinen, dass die da unten auf dem Öl sitzen. Aber Tankstellen sind rar. Und in der Stadt ist um elf Uhr Nachts der Teufel los. Junge Araber sind wild hupend auf dem Weg nach Al-Juffair, ins Kneipen-Viertel der Stadt. Das Wochenende steht bevor. Nur zur Orientierung: Der Donnerstag ist unser Samstag, der Freitag der Sonntag.
Im Hotel wartet schon Kollege Grüner, der direkt aus Malaysia eingeflogen ist. Und das Champions League-Viertelfinale Manchester United gegen Bayern München. Parallel dazu läuft noch Chelsea gegen Paris St. Germain. Wir schauen uns die Spiele simultan im Pub neben unserem Hotel an. Das ist natürlich voller Engländer, die ihren Frust mit viel Bier runterspülen. Bahrain ist das liberalste Land im Mittleren Osten. Alkohol gibt es auch außerhalb der Hotels.
Erstes Nachtrennen sorgt für Logistik-Probleme
Nach der Kür folgt die Pflicht. Die erwartet uns mit geänderten "Öffnungszeiten". Weil Bahrain sein erstes Nachtrennen veranstaltet, werden auch alle Trainings nach hinten gelegt. Das heißt, dass wir ab Freitag bis spät in die Nacht an der Rennstrecke sitzen. Ab da reicht es abends nur noch zu McDonalds an der Tankstelle oder zu einem arabischen Restaurant in der Nähe unseres Hotels. Da beginnt das Leben erst nach Mitternacht. Nach dem Rennen hocken wir um drei Uhr morgens noch herum und sind nicht die einzigen Gäste im Haus.
Der dritte Grand Prix des Jahres steht ganz im Zeichen der Kritik an der neuen Formel 1. Bernie Ecclestone hackt auf seinem eigenen Geschäft herum und bekommt Unterstützung von Red Bull und Ferrari-Boss Luca di Montezemolo. Der hat ganz vergessen, dass er andere Motoren und weniger Aerodynamik wollte, um Red Bulls Vormachtstellung zu brechen.
So ist es aber auch nicht recht. Der Präsident fordert die Aufweichung des Spritlimits. Bis man ihn darauf aufmerksam macht, dass die Autos gar nicht so große Tanks haben. Also müssen die Rennen kürzer werden, schlägt Montezemolo vor. Auch FIA-Präsident Jean Todt taucht auf. Zum ersten Mal gibt er seinen Kritikern kontra. "Wir können Mercedes nicht bestrafen, nur weil sie bessere Arbeit geleistet haben. Red Bull hat sich auch nicht beschwert, als sie alles gewonnen haben."
Am Sonntag steht die Formel 1 unter Zugzwang. Ein langweiliges Rennen wäre Wasser auf die Mühlen der Kritiker gewesen. Stattdessen wird der 900. Grand Prix der F1-Geschichte ein Jahrhundert-Rennen. Zweikämpfe und Überholmanöver, wohin man schaut. Ecclestone und Montezemolo verdrücken sich noch während des Grand Prix. Niki Lauda giftet hinterher: "Ich hoffe, die beiden schauen sich den Grand Prix nochmal am Fernseher an."
Bahrain Grand Prix fast zu gut
Aufatmen allenthalben. Die Formel 1 stand vor der Selbstzerfleischung. Eigentlich war das Rennen fast zu gut, meint Kollege Roger Benoit vom Schweizer Blick. "Die hätten die Action besser auf drei Rennen verteilt. Der nächste Grand Prix wird es schwer haben, dagegen zu bestehen."
Eigentlich bin ich kein Freund von einer Inflation von Nachtrennen. Ich finde das eine von Singapur genügt. Jedes weitere nimmt dem Original seinen Reiz. Bahrain ist auch am Tag erträglich, weil die Anlage in der Steinwüste unverwechselbar ist. Obwohl sie Hermann Tilke gebaut hat.
Der erste Bahrain.Grand Prix in der Dunkelheit hat mich trotzdem überzeugt. Die Bilder sind einfach besser. Und damit auch die Atmosphäre. Bahrain vermeldet trotz oder wegen der späten Startzeit einen Besucher-Rekord. Die Messlatte lag ja auch nicht besonders hoch. Bislang verirrten sich selten mehr als 20.000 Zuschauer auf den Tribünen. Jetzt sind es 31.000. Der Sonntag ist in dieser Gegend wie bereits erwähnt ein Arbeitstag. Findet das Rennen abends statt, haben die Leute Zeit.
Der Montag schleppt sich mit Arbeit und ein bisschen Hotelpool dahin. Es ist ein langer Tag. Die Rückflüge nach Europa starten allesamt erst nach Mitternacht. Kollege Grüner nimmt auch noch einen Umweg über Katar. Gulf Air bringt uns in sechs Stunden direkt nach Frankfurt zurück. Diesmal klappt der Transfer nach Stuttgart. Ich habe vorsichtshalber die Bahn genommen.
In unserer Bildergalerie nehmen wir Sie mit hinter die Kulissen des GP Bahrain.