F1 Tagebuch Kanada 2013

Die
auto motor und sport-F1-Reporter waren auch
2013 wieder auf den Grand Prix-Strecken dieser Welt unterwegs. In
ihren Formel 1-Tagebüchern gewähren sie einen persönlichen Blick
hinter die Kulissen. Rennen 7: GP Kanada.
Montreal ist an sich schon eine Reise wert. Doch wenn die Formel 1 in der Stadt ist, dann lohnt sich der Trip ganz besonders. Aus der ganzen Welt kommen Grand Prix-Fans an die Metropole am Sankt Lorenz-Strom, um im Zentrum eine große Party zu feiern. Die Straßen sind voll. Die Stimmung gut. Und die Show auf der Strecke stimmt normalerweise auch.
Ich hätte hier so viele interessante Storys erzählen können. Zum Beispiel davon, wie Kollegin Bianca Leppert beim Rennen zuvor in Monaco meinen FIA-Pass zerstört hat und mein Wochenende deshalb in der Schlange im Akkreditierungszentrum begann. Oder von meinem lustigen Interview mit Jenson Button. Oder dem unterhaltsamen Abendessen mit Karl Wendlinger. Oder der Feier zum 100. Grand Prix von Force India.
Tödlicher Unfall überschattet Grand Prix
Doch nach dem Rennwochenende gab es nur noch eine einzige Geschichte. Nein, nicht den etwas langweiligen Vettel-Sieg mit 14 Sekunden Vorsprung. Oder die erstmals deutlich zu vernehmenden Buhrufen gegen den deutschen Dauer-Weltmeister. Grund dafür, dass der Grand Prix von Kanada für mehr Schlagzeilen als gewöhnlich sorgte, war ein tödlicher Unfall nach der Zieldurchfahrt.
Kollege Michael Schmidt hatte wieder einmal als einer der ersten Wind von den tragischen Ereignissen rund um die Bergung des Gutierrez-Saubers bekommen. Ein Streckenposten war beim Abtransport des grauen Autos sprichwörtlich unter die Räder gekommen. "Da ist wohl nichts mehr zu machen", erklärte mir der Kollege eindrücklich.
Als Journalist sieht man in solchen Fällen immer etwas doof aus. Vor allem wenn man keine gesicherten Informationen hat. Meine F1-Kollegen erinnern mich in diesem Zusammenhang regelmäßig an eine Anekdote aus der Saison 1990: Im Abschlusstraining von Jerez bekamen die Zuschauer damals einen wahren Horror-Crash zu sehen. Martin Donnelly hatte die Kontrolle über seinem Lotus verloren. Das Auto war komplett zerstört. Der Pilot lag regungslos auf der Straße.
Kollege Roger Benoit vom Schweizer Blick, der mit 650 Grand Prix auf dem Buckel schon mehr tödliche Unfälle gesehen hat, als ein Mensch eigentlich vertragen kann, rief sofort in der Heimat an, um die Redaktion auf das Schlimmste vorzubereiten. "Das kann er nicht überlebt haben", gab der Reporter durch. Als ein paar Stunden später die Nachricht kam, dass Donnelly doch "nur" schwer verletzt war, meldete sich Benoit erneut in der Redaktion mit den Worten: "Jetzt lebt er wieder."
Beklemmende Stimmung im Pressezentrum
So verzichtete ich auf voreilige Meldungen über Twitter oder Facebook. Mit der Nachricht auf unserer Webseite warteten wir ebenfalls, bis der Tod offiziell bestätigt wurde. Lieber spät und richtig als der erste zu sein und falsch zu liegen. Durch die Zeitverschiebung war es in Deutschland mittlerweile sowieso schon spät am Sonntagabend. Da hält sich die Aktivität auf unserer Webseite in Grenzen.
Irgendwann kam auch noch auto motor und sport -Fotograf Daniel Reinhard auf mich zu. Er hatte den Abtransport des Autos aus allen Perspektiven fotografiert. Obwohl er den Unfall selbst nicht abgelichtet hatte - sondern "nur" den auf dem Boden liegenden Marshal - war ihm etwas unwohl, als er mir die Bilder übergab. "Mach damit, was Du willst."
Ich zögerte einen Moment und fragte den erfahreneren Kollegen Schmidt, ob wir die Szenen der Bergung überhaupt zeigen sollen. auto motor und sport ist schließlich keine Boulevard-Zeitung. Da die Bilder an sich aber harmlos und von dem Unfallhergang selbst nicht viel zu sehen war, entschieden wir uns dazu, sie zu veröffentlichen.
Obwohl es meine Pflicht als Journalist ist, über Todesfälle auf der Rennstrecke zu berichten, habe ich dabei irgendwie immer ein flaues Gefühl im Magen. Vielleicht fehlt mir mit erst 70 Grand Prix-Besuchen einfach noch die Routine oder die Härte. Es sollte leider auch nicht meine letzte Todesmeldung in dieser Saison bleiben. Später im Jahr musste sich die Motorsport-Welt auch noch viel zu früh von Maria de Villota und Sean Edwards verabschieden.
Offizieller Unfallbericht erst im November
Bei der Abreise am Montag traf sich der Grand Prix-Zirkus auf dem Flughafen von Montreal wieder. Mittlerweile hatten einige Fans Handy-Videos des tödlichen Unfalls auf YouTube hochgeladen. Zudem kursierten zahlreiche Detailbilder von den dramatischen Rettungsmaßnahmen, die auch im Fernsehen gezeigt wurden.
Beim Rennen von Silverstone drei Wochen später gab es eine Gedenkminute für den verstorbenen Mark Robinson. Im November kam dann auch der offizielle Unfallbericht heraus. Darin wurde eine Verkettung von Fehlern als Ursache angegeben: Der mobile Bergekran war zu schnell unterwegs (11 km/h), das Auto baumelte zu hoch in der Luft und die Marshals waren nicht für solche Situationen trainiert. Außerdem waren die Streckenposten unnötig in Eile, weil die Strecke von den Fans gestürmt wurde.
Auch wenn das Interesse an der Formel 1 durch solche Todesfälle immer wieder kurz ansteigt, kann ich in Zukunft gerne drauf verzichten. An solche Momente werde ich mich wohl nie gewöhnen.
In unserer Galerie haben wir ein paar Impressionen vom Geschehen hinter den Kulissen des F1-Rennens von Montreal gesammelt.