Feilschen um Motor-Entwicklung

Ferrari will das Entwicklungsfenster der Motorenentwicklung länger öffnen. Im Gespräch sind eine erweiterte Entwicklungsfrist bis Ende Juli und acht Motor-Token zusätzlich. Mercedes warnt vor den hohen Kosten, will aber nicht absichtlich blockieren.
Mercedes hat Ferrari und Renault auf dem falschen Fuß erwischt. Die Überlegenheit der Silberpfeile beruht zu einem Großteil auf dem besseren Motor. Ferrari und Renault haben sich unerklärliche Fehler erlaubt und waren mit der Entwicklung zu spät dran. Das Reglement bremst ihre Aufholjagd. Während der Saison sind nur Änderungen erlaubt, die der Standfestigkeit, Kostensenkung oder Sicherheit dienen. Da lässt sich vielleicht eine kleine Leistungssteigerung verstecken, aber nicht die kolportierten 40 bis 60 PS Differenz zu Mercedes.
Im Winter geht das Entwicklungsfenster wieder auf. Dann müssen Ferrari und Renault Gas geben. Doch die Zeit ist knapp und der Entwicklungs-Spielraum wird von einer Tabelle mit 42 erlaubten Änderungen bestimmt. Jede von ihnen ist je nach Umfang des Eingriffs mit ein bis drei Punkten bewertet. Alle zusammen ergeben 66 Punkte, auch Token genannt.
Im ersten Winter dürfen 32 dieser 66 Token eingesetzt werden. Wer sie alle wahrnimmt, baut 48 Prozent seiner Antriebsquelle um. 2016 sind nur noch 25 Punkte gestattet, was 38 Prozent des Motors entspricht. Bis 2020 fallen die Token auf 20, 15 und zwei Mal je 3.
Ferrari will 8 Token für Motor-Entwicklung extra
Mercedes-Teamchef Toto Wolff erklärt: "Das ist ein zur Hälfte neuer Motor. Deshalb muss die Entwicklung auf voller Power laufen, so als würden wir alles neu machen. Zurückfahren können wir den Aufwand erst später, wenn weniger Änderungen erlaubt sind." Ferrari und Renault sind erlaubten Token nicht genug. Weil sie wissen, wo sie ihre Antriebsquellen nachbessern müssen.
Ferrari schlägt im Sinne eines ausgeglichenen Kräfteverhältnisses vor, den Entwicklungsrahmen zu vergrößern und die Entwicklungszeit zu strecken. Von Ende Februar auf Ende Juli. Der Vorschlag geht dahin, einmalig 8 Token zusätzlich einsetzen zu dürfen und im Winter nicht verwendete Token in die Zeit bis Juli mit hinüberzuretten. Ferrari soll demnach bis Februar nur 27 der 32 Token schaffen. Die restlichen 5 plus die zusätzlichen 8 würden dann bis Ende Juli umgesetzt.
Der Übertrag nicht realisierter Entwicklungs-Token würde auch Mercedes ins Konzept passen. Auch da reicht die Zeit nicht aus, über den Winter alle 32 Token auszuschöpfen. Man hört, dass Brixworth zwischen 20 und 30 schafft. Renault kommt wegen des Umfangs der Renovierung seines V6 ebenfalls in Zeitnot.
Acht Token kosten 10 Millionen Euro extra
Während sich beim Übertrag alter Token das notwendige einstimmige Votum aller Teams abzeichnet, gibt es mit den Zusatz-Token Diskussionsbedarf. Die gehen ins Geld. Wolff rechnet vor: "Acht Token kosten zehn Millionen Euro extra. Wer soll die bezahlen?"
Die Kunden-Teams drohen bereits damit, dass ihr Budget nicht mehr belastbar ist. Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn: "Die Hersteller betreiben die Entwicklung in erster Linie für sich. Warum sollen sich die Kunden daran beteiligen." Auch Vijay Mallya von Force India lehnt es ab, seine Brieftasche dafür zu öffnen.
Ein weiteres Thema ist, wie man mit Honda umgeht. Den Neueinsteigern müssten diese 8 Extra-Token für die Zeit von Februar bis Juli auch zustehen. So könnte Honda grobe Fehler noch schnell ausbügeln.
Auch die Fristverlängerung geht ins Geld, warnt Wolff: "Wenn wir länger entwickeln dürfen, müssen wir auch die externen Berater und die Lieferanten länger einbinden. Außerdem musst du deine Entwicklung umstellen, Projekte parallel laufen lassen. Mit bestimmten Modifikationen willst du so früh wie möglich fertig sein, mit anderen so spät wie möglich."
Ferrari und Renault haben viel Arbeit vor sich
Prinzipiell will sich Mercedes nicht den Bitten der Konkurrenz verschließen. "Es wäre dumm von uns, den Standpunkt zu vertreten, dass wir den besten Motor haben und der Rest interessiert uns nicht. Auf der anderen Seite müssen wir die Kostenfrage aufwerfen. Wer bezahlt dafür, wenn nicht die Kunden? Und man könnte sich durchaus die Frage stellen, wie die anderen später noch etwas finden wollen, was sie bis Februar nicht schaffen."
Die Gegner von Mercedes haben über den Winter viel Arbeit vor sich. Ferrari braucht größere Turbolader, eine bessere Verpackung für den Auspuff, mehr Power von der MGU-H. Renault muss den V6 umkonstruieren, um die Schwingungen zu reduzieren, den Auspuff kürzen, um mehr Energie aus der MGU-H zu holen, Turbine und Verdichter trennen, um die Temperaturen zu senken. Und das sind nur die größten Baustellen. Mercedes schläft ja nicht. Man hört, dass der nächstjährige Mercedes.Motor noch einmal 40 bis 50 PS mehr haben soll.
In unserer Bildergalerie zeigen wir Ihnen die Motoren-Probleme von Ferrari im Detail.