Im Formel-1-Kräfteverhältnis gab es in Sotschi kaum
Verschiebungen. Das Ferrari-Upgrade brachte auch keinen großen
Fortschritt. Wir haben alle zehn Teams im Formcheck...
Der hohe Spritverbrauch und der große Einfluss auf die
Schadensmatrix diktierte den Motorenherstellern das Risiko, das sie
bei der Wahl des Power-Modus eingehen konnten. Mercedes übte schon
am Freitag, wie weit man sich trauen konnte. Es reichte, um Red
Bull um eine halbe Sekunde pro Runde abzuhängen. Renault lag eine
Sekunde zurück. Das ist etwas weniger als sonst.
2. Red Bull - Red Bull reiste mit bescheidenen Hoffnungen nach
Sotschi. Noch nie hatte ein Red Bull-Fahrer auf dem Kurs an der
Schwarzmeerküste ein Podium geholt. Der Bann ist gebrochen. Man hat
die Premiere auf dem Podest aber hauptsächlich Verstappen zu
verdanken. Er nahm Albon im Qualifying 1,141 Sekunden ab und kam
nach 53 Runden 90 Sekunden vor dem Teamkollegen ins Ziel.
Die stärkste Passage für Red Bull war der letzte Teil der
Strecke mit sechs Kurven zwischen 100 und 140 km/h. Im letzten
Sektor ist auch der Anteil der Geraden am geringsten. Im Vergleich
zu Mercedes hatten die Red Bull einen leicht höheren
Reifenverschleiß, auf Medium-Gummis mehr als auf den harten Reifen.
Der Unterschied in der schnellsten Rennrunde betrug am Ende drei
Zehntel zugunsten von Mercedes.
4. Racing Point - Racing Point hatte wieder nur ein neues
Aero-Kit im Gepäck. Der Unfall von Stroll in Mugello hat das erste
Set zerstört. Bei seinem Unfall in Sotschi wurde auch das zweite
leicht beschädigt. Mal schauen, ob es für zwei Autos am Nürburgring
reicht. Die neue Hinterachse samt 2020er Getriebe war dafür bei
beiden Autos an Bord. Dazu noch eine Modifikation an der
Vorderradaufhängung.
Die Fahrwerksänderungen haben dem Racing Point Flügel verlieren.
Perez schlug die Renault sowohl im Qualifying als auch im Rennen.
Stroll dagegen profitierte nicht davon, obwohl er mit dem neuen
Aero-Paket fuhr. Der Kanadier war das gesamte Wochenende langsamer
als sein Teamkollege. Man hatte den Eindruck, als leide er noch an
den Nachwirkungen seines Mugello-Crashs.
5. McLaren - Es war die erste Nullnummer für McLaren. Und sie
kam zum dümmsten Moment. Renault und Racing Point holen massiv auf.
Der schöne Vorsprung, den sich McLaren mit seinem 30-Punkte-Rennen
in Monza herausgefahren hat, ist dahingeschmolzen. Das ist
ärgerlich, weil beide Autos in Sotschi den Speed hatten, zu
punkten. Man war nur wenig langsamer als die direkte
Konkurrenz.
6. Alpha Tauri - Alpha Tauri ist seit einigen Rennen dran am
Mittelfeld, doch noch reicht es nicht, die Renault, Racing Point
und McLaren aus eigener Kraft zu schlagen. Da braucht man schon
Kollege Zufall. Zum Beispiel zwei McLaren, die sich selbst aus dem
Rennen schießen. Oder den Crash von Stroll. In Sotschi kam mit
Ferrari einen Gegner dazu, den man schon abgehängt wähnte. Immerhin
brachte Alpha Tauri beide Autos in die Punkteränge.
7. Ferrari - Es geht wieder langsam bergauf. Zum Teil, weil
Sotschi mit seiner Streckencharakteristik dem SF1000 entgegenkam.
Er verhungerte zwar auf den Geraden, war aber in den 90-Grad-Kurven
bei der Musik. Wenn es nur einen Kurventyp gibt, tun sich Fahrer
und Ingenieure leichter das störrische Auto dafür abzustimmen. In
den kurzen Kurvenradien tritt das Problem von Strömungsabriss
weniger auf.
Ferrari lieferte sein zweites Upgrade nach dem GP Steiermark ab.
Es ist Teil eines größeren Pakets, das darauf abzielt, den Abtrieb
auf der Hinterachse zu stabilisieren und in einem zweiten Schritt
auch zu vergrößern. Dann könnte man auch vorne wieder mit mehr
Anpressdruck fahren. Der neue Frontflügel und die
Heckflügel-Endplatten im Mercedes-Stil sorgten für eine konstantere
Strömung.
Am Nürburgring soll ein neuer Unterboden im Zusammenspiel mit
den Änderungen von Sotschi mehr Abtrieb bringen. Wenn sich die
Erwartungen der Aerodynamiker bestätigen, dann geht es in einem
weiteren Schritt an den Diffusor. Der erste Eingriff gab den
Fahrern mehr Vertrauen in ihr Auto. Leclerc qualifizierte sich
zwischen den beiden Alpha Tauri, kam aber vor Kvyat und Gasly ins
Ziel.