Perez sorgt für Spannung und Spektakel

In unserer Rennanalyse beantworten wir die letzten offenen
Fragen zum GP Kanada. Wir erklären, warum Sergio Perez nicht an
Nico Rosberg vorbeikam, aber Daniel Ricciardo nur eine Runde für
das Überholmanöver brauchte. Und wie Jenson Button noch auf Rang 4
landete.
Wie sehr wurde Rosberg von der Technik eingebremst?
Mercedes-Teamchef Toto Wolff musste nach dem Rennen zerknirscht zugeben, dass der Ausfall der MGU-K wohl zu verhindern war. Man habe die hohen Temperaturen in der Hybrid-Steuerbox zwar erkannt, aber nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet. So mussten beiden Silberpfeil-Piloten ab Runde 36 ohne den 160 PS-Hybrid-Boost auskommen.
Der schöne Vorsprung auf die Konkurrenz war schnell dahin. 24 Sekunden hatten Rosberg und Hamilton auf Sergio Perez vor dessen ersten Boxenstopp in Runde 33 herausgefahren. Als die beiden Mercedes in Runde 46 ihren zweiten Reifenwechsel absolviert hatten, waren es nur noch 8 Sekunden. Die waren innerhalb weniger Umläufe auch dahin.
Im Top-Speed kostete das Problem 20 km/h auf der langen Gerade. Die Rundenzeiten lagen am Ende rund eine Sekunde über dem Bestwert aus dem 33. Umlauf. Dabei hätte Rosberg wegen des abnehmenden Benzin-Gewichts am Ende eigentlich schneller werden müssen. Doch der fehlende Hybrid-Schub und die Bremsen-schonende Fahrweise sorgten für ein deutlich langsameres Tempo in der zweiten Rennhälfte.
Dass Hamilton mit dem Bremsproblem komplett ausfiel und Rosberg weiterfahren konnte, lag laut Toto Wolff übrigens weder an Hamiltons aggressiverer Fahrweise noch an der Tatsache, dass die Überhitzung durch die Windschattenfahrt hinter Rosberg verstärkt wurde. "Das war einfach Glück und Pech. Es hätte beide treffen können."
Warum kam Perez nicht an Rosberg vorbei?
Sergio Perez flog mit Siebenmeilenstiefeln an Rosberg heran, kam aber nicht vorbei. Zunächst schien es nur eine Frage der Zeit, bis die Führung wechselte. Doch dann schaltete Rosberg in einen scharfen Motormodus, um aus dem Verbrennungsmotor mehr PS zu holen. Dazu stellte er die Bremsbalance nach vorne, um die hinteren Carbon-Stopper zu entlasten. Und langsam gewöhnte er sich an die neuen Bremspunkte. "Als ich den Rhythmus wieder hatte, bin ich eine Quali-Runde nach der anderen gefahren."
Beobachtern fiel auf, dass Perez auf der langen Geraden nie das DRS benutzte, obwohl er den Rückstand am Ende der Runde immer unter einer Sekunde halten konnte. Sein Problem war, dass der Messpunkt kurz vor der Haarnadel lag. Im kurvigeren ersten Sektor konnte Rosberg immer ausreichend Vorsprung herausfahren, dass sein Gegner aus dem DRS-Fenster fiel, was am fehlenden Abtrieb und den schlechteren Reifen am Force India lag.
Beinahe hätte Perez Rosberg zum Sieg geholfen. Auf der Geraden war der Force India einfach zu schnell für die Red Bull dahinter. Doch mit seinem Gewaltmanöver in Kurve 2 überwand Ricciardo 5 Runden vor Schluss schließlich doch noch die mexikanische Blockade. Der Australier konnte Rosberg anschließend im ersten Sektor einfacher folgen. Mit Hilfe des DRS ging er 2 Runden später leicht auf der Geraden am wehrlosen Mercedes vorbei.
Wie kam Ricciardo vorbei an Vettel?
Vor dem zweiten Boxenstopp lag Sebastian Vettel noch direkt vor dem späteren Sieger Daniel Ricciardo. Auf dem Weg nach vorne versperrte allerdings Einstopper Nico Hülkenberg den beiden Red Bull den Weg. Die Strategen baten den Heppenheimer in Runde 36 deshalb etws früher als geplant zum letzten Reifenwechsel. Noch bevor der Force India-Konkurrent das erste Mal an der Box war, hatte Vettel somit schon zwei Stopps absolviert.
Der so genannte "Undercut" glückte. Als Hülkenberg 5 Runden später nach seinem einzigen Boxenbesuch wieder auf die Strecke kam, musste er sich hinter Vettel einreihen. Ricciardo nutzte die Gelegenheit allerdings aus, selbst am Teamkollegen vorbeizugehen. Der Australier kam nur eine Runde nach Vettel an die Box. In seiner Inlap war er 0,896 Sekunden schneller. Im Vergleich der Outlaps machte Ricciardo 0,758 Sekunden gut. Das reichte, um das Teamduell für sich zu entscheiden.
Die Boxenstopps selbst lagen nur 0,2 Sekunden auseinander. Vettel verlor die Zeit somit auf der Strecke. Nach dem Rennen äußerte der Champion jedoch Kritik an der Taktik des Teams. Seine Reifen seien noch gut gewesen. Der frühe Stopp wäre nicht nötig gewesen, so das Argument des Piloten. Horner wunderte sich: "Uns hat er über Funk gesagt, dass seine Reifen schon am Ende ihrer Lebenszeit gewesen sind und wir mit der Strategie handeln sollen."
Wer war Schuld am Massa/Perez-Crash?
Der Crash zwischen Massa und Perez sorgte nach dem Rennen für viele Diskussionen. Nach Ansicht der Onboard-Aufnahmen sahen viele Experten die Schuld bei Massa. Es schien, als sei er seinem Gegner einfach auf den rechten Hinterreifen gefahren. Doch die FIA-Kommissare werteten die Szene anders. Die Aufnahmen aus dem Helikopter zeigten, dass der Mexikaner in der Bremszone die Spur wechselt - was Massa komplett überraschte.
Das Urteil fiel hart aus. Perez muss in Spielberg 5 Startplätze zurück. "Das ist noch zu wenig. Da hätte viel passieren können", schimpfte Massa, nachdem beide Piloten vom Routine-Check im Krankenhaus von Montreal zurück waren. Bei Force India konnte man die Strafe dagegen nicht nachvollziehen. Massa habe eindeutig Schuld, erklärte Geschäftsführer Otmar Szafnauer. "An dieser Stelle kann man eigentlich gar nicht überholen."
Wie kam Button noch auf Rang 4?
In der Schlussphase ging es nicht nur an der Spitze drunter und drüber. Auch im Verfolgerfeld wurde hart gekämpft. Jenson Button startete einen wahnsinnigen Schlussspurt. In Runde 50 hatte der McLaren-Pilot noch 15 Sekunden Rückstand auf Hülkenberg. Doch dann kam der Weltmeister von 2009 plötzlich in Schwung. In Runde 69, einen Umlauf vor der Zielflagge, schob er sich innerhalb weniger Meter an Fernando Alonso und Nico Hülkenberg vorbei.
Wegen der Action an der Spitze blieb das Manöver von den Kameras unbeobachtet. Nach dem Rennen sorgte Hülkenberg für Aufklärung. Alonso habe ihn in Kurve 10 angreifen wollen. Doch das Manöver ging schief, berichtete der Deutsche. Der Ferrari rutschte beim Bremsen zu weit raus und riss den Force India mit auf die Außenbahn. Button sagte danke und schlüpfte innen durch.
In unserer Galerie haben wir noch einmal die besten Bilder vom Rennen in Montreal für Sie gesammelt.