Hamilton macht es Rosberg leicht
Warum kollidierten Räikkönen und Alonso? Warum vergeigte Hamilton den Start? Was ging beim Vettel-Stopp schief? Wieso hatte Ferrari nicht den Mercedes-Speed? Und wieso blieb Ericsson zweimal stehen. In unserer Rennanalyse beantworten wir die wichtigsten Fragen zum GP Österreich 2015.
Warum kollidierten Räikkönen und Alonso?
Es war die Szene des Rennens nach etwas mehr als 20 Sekunden. Beim Rausbeschleunigen aus der zweiten Kurve geriet Kimi Räikkönen in seinem Ferrari zunächst ins Schlingern, ehe er nach links Richtung Leitplanke abbog. Allerdings schlug der Iceman nicht allein ein. Er riss noch Fernando Alonso mit. "Das Feld ist rechts vorbei an Kimi, ich konnte nur links. Dann hat er mich in die Leiplanke gedrückt und ich bin abgehoben", sagte der Spanier.
In seinem McLaren-Honda rauschte er über den linken Seitenkasten des Ferrari – und hing schlussendlich halb auf dem roten Renner, halb auf der Streckenbegrenzung. Doch wieso verlor Räikkönen die Kontrolle? "Ich hatte einfach zu viel Wheelspin", erklärte der Weltmeister von 2007. Alonso schildert seine Eindrücke: "Ich habe das Gefühl, dass ihm das gleich wie in Montreal passiert ist. Offenbar hatte er ein sehr aggressives Drehmomentkennfeld. Dazu hatte er noch die harten Reifen drauf, die am Anfang nicht so viel Grip beiten."
Nach dem Aus wurden beide Fahrer zu den Stewards zitiert. Derer Meinung: "Keiner der Fahrer trägt die Schuld." Also ein Rennunfall aus Sicht der Kommissare, der keine Strafen nach sich zieht.
Warum vergeigte Hamilton den Start?
Der WM-Kampf ist eine Angelegenheit am Limit. Das sah man bereits im Qualifying, als Hamilton im letzten Versuch von der Strecke kreiselte. Dieser Fehler wurde von Nico Rosberg nicht bestraft. Weil der Wahlmonegasse selbst patzte und von der Piste rutschte.
Am Sonntag nutzte Rosberg seine zweite Chance. Hamilton kam nicht so recht aus den Startlöchern. "Ich hatte ein Problem mit der Drehzahl. Ich nahm den Fuß vom Gas und sie war immer noch oben. Als ob ich weiter auf dem Gas stehen würde. Dann habe ich die Kupplung losgelassen und ich hatte sehr stark durchdrehende Räder", erklärte der Doppelweltmeister.
Im Verlauf eines Rennwochenendes müssen die Fahrer die Startprozedur so oft es geht simulieren, um die richtigen Einstellungen zu finden. Zum Beispiel den passenden Schleifpunkt (Bite point) für die Kupplung. Je nach Strecke ändern sich die Variablen. Weil die Asphaltbeschaffenheit eine andere ist. "Wir haben die Kupplung und die Drehzahl schon am Samstag an beiden Autos feingetunt. Das hatte zur Konsequenz, dass sie mit einer veränderten Gaspedalstellung und Powerentwicklung gestartet sind. Also mehr Drehzahl für eine längere Zeit. Das hatte nicht zur Folge, dass der Start perse schlecht war, sondern er einfach überrascht wurde“, ergänzte Mercedes-Teamchef Toto Wolff.
Nach seinem Boxenstopp unterlief Hamilton noch ein weiteres Malheur. Er überquerte am Ausgang der Boxengasse mit zwei Rädern die weiße Linie. Daraufhin brummten ihm die Kommissare eine Fünfsekunden-Strafe auf. Hamilton hatte keine echte Erklärung. "Keine Ahnung. Ich habe einfach gepusht, um Zeit gutzumachen. Ich bin das ganze Wochenende schon an die weiße Linie rangefahren. Jetzt ist es zum ersten Mal aufgefallen."
Was ging beim Vettel-Stopp schief?
Bis zu seinem ersten Boxenstopp lag Sebastian Vettel souverän auf Kurs zu Platz drei. Wegen der früheren Mercedes-Stopps hatte er sogar für eine Runde die Führung inne. Doch im 36. Umlauf brach Unheil über den Heppenheimer herein. Der Reifenwechsel hinten rechts geriet in die Hose. Als der Mechaniker mit dem Schlagschrauber versuchte, den Softreifen auf die Nabe zu hämmern, verhakte sich die Radmutter. "Dieses Problem ist schon öfters aufgetreten. Es ist ein Material-Problem. Den Mechaniker trifft keine Schuld", berichtete Teamchef Maurizio Arrivabene. "Wir müssen es jetzt schnellstmöglich aus der Welt schaffen."
Erst im zweiten Anlauf brachte der zuständige Ferrari-Mechaniker die Radmutter in die richtige Position. Nach insgesamt 31,882 Sekunden ging der viermalige Weltmeister wieder auf die Strecke. Zum Vergleich: Nico Hülkenberg verbrachte beim schnellsten Wechsel des Tages nur 21,685 Sekunden in der Boxengasse. Durch den verbockten Stopp zog schließlich Felipe Massa an Vettel vorbei, die dritte Position war futsch.
Wieso hatte Ferrari nicht den Mercedes-Speed?
Nach dem zweiten Freien Training sah es so aus, als ob Ferrari im Rennen für Mercedes zur echten Gefahr werden könnte. Kimi Räikkönen hatte den schnellsten Dauerlauf am Freitagnachmittag hingelegt. Eine ähnliche Performance trauten die Experten und Kontrahenten auch Vettel zu. "Ferrari hat in den verschiedenen Sessions teilweise einen Mega-Speed gezeigt", befand Wolff.
Doch wie schon in Montreal vor zwei Wochen kam es anders. Rosberg und Hamilton zogen ihren roten Verfolger bis zum Boxenstopp Runde um Runde ab. "Nach dem Training sah es gut aus. Aber Mercedes konnte am Samstag und Sonntag noch mal mehr aufdrehen. Mit der neuen Motor-Ausbaustufe können sie offenbar häufiger die volle Leistung abrufen", sagte Vettel.
Hat Vettel mit seiner Annahme Recht? "Ja, die Richtung stimmt", vermeldete Rosberg. Seit Kanada fahren die Mercedes mit dem zweiten V6-Turbo. Zwar setzte man keine Token ein, aber die Änderungen zugunsten einer besseren Zuverlässigkeit scheinen sich positiv auf die Leistung ausgewirkt haben. Nach Aussage von Toto Wolff durften die Piloten aber nur für 10-15 Runden die volle Power ausschöpfen. Dann wurde zurückgedreht. Eine Ohrfeige für die Konkurrenz.
Ein Grund für den gewachsenen Abstand im Rennen sind auch die unterschiedlichen Herangehensweisen im Training. Das verzerrt das Bild. "Wir lassen uns am Freitag und Samstagmorgen immer ein bisschen Reserve", so Wolff.
Wieso blieb Ericsson zweimal stehen?
Marcus Ericsson sorgte in seinem Sauber für kuriose Szenen, weil in der Elektronik der Teufel steckte. Nach nicht einmal einem Renndrittel rollte der Schwede auf der Zielgeraden kraftlos aus. Nach ein paar Sekunden im Stand konnte er jedoch wieder weiter mitmischen. Es schien fast so, als ob sich der Sauber C34 auf wundersame Weise selbst geheilt hätte. Dem war aber nicht so.
"Wir hatten ein Problem mit der ECU (Electronic Control Unit). Dadurch sind alle Lichter ausgefallen. Marcus musste für einen Moment die Zündung ausschalten, dann funktionierte alles wieder", berichtete Sauber-Teammanager Beat Zehnder. Aber nicht für lange Zeit. "Er ist noch ein zweites Mal stehen geblieben. So ungefähr 15 Runden vor Schluss nach der zweiten Kurve." Also nochmal alles auf Neustart. Dadurch erreichte der Schwede trotz der Schwierigkeiten sogar das Ziel. Als 13. mit zwei Runden Rückstand.