Formel 1 verschläft letzten Weckruf

Beim GP USA tritt ein, was wir seit Jahren befürchtet haben. Caterham und Marussia treten nicht an. Das Feld schrumpft auf 18 Autos. Wer wird das nächste Opfer sein? Die Formel 1 sollte das als letzten Weckruf verstehen. Doch sie wird ihn verschlafen, weil sie reformunfähig ist, fürchtet F1-Experte Michael Schmidt in seinem aktuellen Blog.
Ist das der Anfang vom Ende? In Austin tritt die Formel 1 mit 18 Autos an. Fast wären es nur 16 gewesen. Force India-Chef Vijay Mallya hat in letzter Minute eine Rate von sechs Millionen Euro an Mercedes überwiesen. Hätte er die Frist vom 27. Oktober nicht eingehalten, wäre Force India beim GP USA mangels Motoren nicht angetreten. Caterham und Marussia sind schon weg. Beide Teams suchen händeringend nach Käufern. Alle fragen sich: Wer ist der nächste: Force India, Sauber, Lotus?
Formel 1 benötigt großen Neuanfang
Die Pleiten von Caterham und Marussia sollten eigentlich der letzte Weckruf sein. Ich fürchte, dass ihn Bernie Ecclestone, FIA-Präsident Jean Todt und die Top-Teams der Formel 1 überhört haben. Wie so viele zuvor.
Man greift sich an den Kopf, dass jetzt alle eifrig über den Einsatz von dritten Autos und Kundenteams nachdenken. Das sind Notlösungen, die nur das Sterben verlängern. Die Diskussion darüber zeigt auf erschreckende Weise, dass die Verantwortlichen nichts, aber auch gar nichts kapiert haben. Sie laufen lieber sehenden Auges in den Untergang statt sich von lieb gewordenen Gewohnheiten zu trennen.
Die Formel 1 braucht eine Reform. Einen Neuanfang, der mit allen alten Fehlern aufräumt. Für 2015 ist es zu spät. Aber 2016 sollte möglich sein. Die eine Saison muss die Königsklasse irgendwie überleben, was möglich wäre, wenn man weiß, dass die Formel 1 dann auf gesunden Füßen stünde.
Dritte Autos sind keine Lösung
Wie soll das gehen? Sicher nicht mit schlechten Kompromissen wie dritten Autos und einer noch komplizierteren Punkteverteilung. Würden heute alle Teams mit einem dritten Auto antreten, gingen Force India, Toro Rosso, Lotus und Sauber ohne die geringste Hoffnung auf Punkte an den Start. Ferrari und McLaren würden sich um die Plätze 8 bis 10 streiten. Merke: Schlechte Lösungen ziehen weitere schlechte Lösungen nach sich.
Und dabei wäre der Strukturwandel so einfach. Das aktuelle "Commercial Agreement" bis 2020 wird aufgelöst. Die Einnahmen werden gerechter verteilt. Mindestens 70 Prozent gehen zu gleichen Teilen an alle Teams. Dann hätte jeder schon mal mindestens 60 Millionen Dollar in der Kasse.
Die Fixkosten für eine Saison von derzeit 60 Millionen Pfund (95 Millionen Dollar) müssen auf 40 Millionen gesenkt werden. Zum Beispiel dadurch, dass die Anzahl der Mitarbeiter pro Team an der Strecke von 60 auf 40 reduziert wird. Dass die Fahrzeugspezifikation ab Freitagnachmittag gilt, so dass keine neuen Teile mehr eingeflogen werden können. Dass die Motorenkosten für Kunden auf 15 Millionen Dollar begrenzt werden. Dazu eine strikte Überwachung der Windkanalstunden und Computerkapazitäten und ein Telemetrie-Verbot.
Formel 1-Reformstau wie in Frankreich
Leider wird es dazu nicht kommen. Die Formel 1 steckt - ähnlich wie unsere Nachbarn Frankreich - im Reformstau. Weil das System krank ist. Bernie Ecclestone muss den Rechteinhabern immer mehr Geld besorgen. Was kümmern ihn da die kleinen Teams?
Die FIA profitiert von diesem System, weil sie pro Jahr 40 Millionen Dollar von den Rechteinhabern bekommt. Also wird sie nichts tun, was ihre Cash-Cow verärgern könnte. Die Top-Teams wollen sich von ihrem Geld, ihren Privilegien und ihrem Wettbewerbsvorteil nicht trennen. Weil sie kurzfristig denken. Sie werden die Quittung in drei Jahren bekommen. Wenn sie in Schönheit sterben.
Es liegt jetzt an der FIA zu reagieren. Und sie hätte alle Möglichkeiten es zu tun. Artikel 1.1.1. in den Statuten verpflichtet die FIA die Regeln so zu bestimmen, dass die Prinzipien der Sicherheit und sportlichen Fairness gesichert sind. Es hat nichts mit sportlicher Fairness zu tun, wenn die reichen Teams immer reicher und die armen immer ärmer werden.
In unserer Bildergalerie sagen wir Ihnen, wie viel Geld die 11 Formel 1-Teams in der Vorsaison ausgegeben haben.