Was macht Mercedes mit McLaren?
McLaren fährt ab 2015 wieder mit Honda-Power. Doch was heißt das
für Mercedes? Die Stuttgarter haben kein Interesse, Honda auf die
Sprünge zu helfen. Um Spionage zu verhindern wird McLaren nur ein
Minimum an Information bekommen.
Es war die größte Sorge von Niki Lauda, Toto Wolff und Ross Brawn, dass McLaren 2015 zu Honda wechselt. Deshalb wollte Mercedes von McLaren bis Ende April eine Antwort zur Motorenzukunft ab 2015. Als McLaren den Vertrag nicht verlängerte war klar, der langjährige Partner hat eine neue Liebschaft.
Vertraglich muss Mercedes im nächsten Jahr Motoren an McLaren liefern. Da gibt es kein Zurück. Die Stuttgarter können allerdings die Informationen über den Motor auf ein Minimum beschränken. Das heißt, dass McLaren nicht viel mehr als die Einbaumaße, das Gewicht und den Kühlbedarf für die einzelnen Komponenten bekommen wird.
Was kann Mercedes geheim halten?
Doch wie viel lässt sich wirklich geheim halten? Genau darin liegt die große Gefahr. Die Technik ist so neu, dass jede Information wertvoll ist. Honda wird bald wissen, wie lang, breit und hoch der Mercedes-Motor ist, wie schwer, wie sein Auspuff aussieht, wie groß die Kühlung veranschlagt wird, welches Volumen die Batterien, der Generator und die Leistungselektronik haben. Und natürlich das Gewicht jedes der einzelnen Bausteine.
Die Japaner werden auch bald herausfinden, wo und wie die einzelnen Komponenten der Antriebseinheit untergebracht sind. Eine interessante Frage wird sein, was zwischen den Rennen passiert. Lässt Mercedes dann seine Antriebseinheit ausbauen und bringt sie zum nächsten Rennen wieder mit? Wer will verhindern, dass die Konkurrenz nicht neugierige Blicke darauf wirft, wenn die Autos im Werk in Woking gestrippt werden? Es gibt viele offene Fragen, die jetzt zwischen McLaren und Mercedes geklärt werden müssen.
Offiziell gibt man sich vor dem Abschied freundschaftlich: "Wir haben uns mit Mercedes lange darüber unterhalten und sichergestellt, dass sich Mercedes wohlfühlt", erklärte McLaren-Geschäftsführer Jonathan Neale. "Es wäre auch nicht im Interesse von Honda, Geheimnisse an die Hand zu bekommen." Doch bei Entwicklungskosten im dreistelligen Millionen-Bereich könnte es mit der Freundschaft schnell vorbei sein.
Honda sitzt bei McLaren in der ersten Reihe
Da McLaren den Motor einsetzt, bekommen die Fahrzeugingenieure über die Telemetrie zwangsläufig mit, mit welchen Temperaturen der Mercedes V6-Turbo läuft, wann er wieviel Sprit verbraucht, wann und wofür die beiden Elektromaschinen ihre Power abliefern um die Motorleistung aufzustocken, Sprit zu sparen oder das Turboloch zu füllen.
Die Logistik der Power-Verteilung wird eines der ganz großen Geheimnisse der einzelnen Motorhersteller. Es ist fast unmöglich vor dem Team alles zu verbergen. Honda sitzt da erste Reihe Mitte und hat 2014 bequem Zeit auf alles zu reagieren. Angeblich haben Honda-Ingenieure jetzt schon in der McLaren-Fabrik Basislager bezogen. Eine englische Filiale, wo die in Japan hergestellten Motoren gewartet werden, wird noch gesucht. Gerüchte sprechen von den Cosworth-Liegenschaften.
Auch andere fürchten Technologietransfer
Aber nicht nur Mercedes muss sich Sorgen um einen Technologietransfer machen. Seit der ehemalige Lotus-Technikchef James Allison auf dem Markt ist, rätselt man im Fahrerlager, wie viel er bereits über den Renault V6-Turbo weiß und was er von diesem Wissen zu seiner nächsten Adresse mitnehmen könnte. Die Fachwelt spekuliert auf Ferrari.
Mercedes könnte bald nicht mehr allein sein. Es ist nicht ausgeschlossen, dass andere Teams zwischen 2014 und 2015 den Hersteller wechseln, weil sie mit den Preiskonditionen nicht zufrieden sind, aber nicht vor 2015 aus ihrem Vertrag kommen. Ingenieure, die im nächsten Jahr das Team wechseln, könnten zu begehrten Geheimnisträgern werden. Nicht nur der Autos wegen. Ab 2014 sind auch wieder die Motordaten interessant.
In unserer Fotogalerie zeigen wir Ihnen bereits jetzt die ersten Geheimnisse des Mercedes-Motors.