Hitzeschlacht zum F1-Jubiläum

Sorgen die Reifen wieder für Chaos oder feiert Mercedes einen lockeren Doppelsieg? In der Vorschau haben wir die letzten Infos zum zweiten Silverstone-Rennen, das als Jubiläumsrennen unter dem Titel "70 Jahre Formel 1 Grand Prix" läuft.
In der Formel 1 geht es Schlag auf Schlag. Nur eine Woche nach dem vierten Saisonrennen in Silverstone geht es an gleicher Stelle mit Grand Prix Nummer fünf weiter. Wegen der Nähe zu den Fabriken der meisten Teams und dem abseits gelegenen Strecken-Areal eignet sich der Traditionskurs in Corona-Zeiten besonders gut als Spielort für den F1-Zirkus.
Dass Silverstone immer für Action gut ist, konnte man bereits beim ersten Rennen sehen. Zwei Safety-Car-Phasen und ein dramatisches Finale sorgten für gute Unterhaltung. Die Reifenprobleme in den Schlussrunden werden auch beim zweiten Teil des Doppelschlags ein Thema sein. Pirelli bringt nun sogar Mischungen, die eine Stufe weicher und damit noch weniger widerstandsfähig sind.
Damit der Gummi in den schnellen Passagen nicht so stark walkt, wurde der vorgeschriebene Minimal-Luftdruck von 25 PSI auf 27 PSI angehoben. Die meisten Teams haben bereits angekündigt, einen Extra-Stopp einlegen zu wollen, um ohne Probleme über die 52 Rennrunden zu kommen. Das könnte für mehr Spannung bei der Strategie sorgen.
Wenn alles normal läuft, dürfte Mercedes trotzdem wieder nur schwer zu schlagen sein. Nur das Wetter könnte dem Weltmeisterteam in die Suppe spucken. Pünktlich zum Rennwochenende rollt eine Hitzewelle auf Silverstone zu. Die Temperaturen sollen jeden Tag bis an die 30°C-Marke heranreichen. Am Sonntag drohen laut den letzten Vorhersagen sogar noch Regenschauer über Südengland.
Noch nicht offiziell bestätigt ist, dass auch Nico Hülkenberg beim zweiten Silverstone-Teil mit von der Partie ist. Der Rheinländer hatte unter der Woche mehrfach im Racing-Point-Simulator geübt. Sollte der mit dem Corona-Virus infizierte Stammpilot Sergio Perez wieder ausfallen, bekommt Hülkenberg eine zweite Chance, endlich sein Renncomeback zu geben.
Die Strecke – Silverstone Circuit:
In Silverstone fand 1950 der erste Formel-1-Lauf überhaupt statt. Mit dem alten Layout hat die mittlerweile zehn Mal umgebaute Streckenführung auf dem ehemaligen Militär-Flugplatz aber nicht mehr viel gemeinsam. Obwohl über die Jahre immer mehr Kurven eingefügt wurden, gehört Silverstone nach wie vor zu den schnellsten Rennstrecken des Formel-1-Kalenders.
Vor allem die vielen fließenden Kurvenkombinationen machen Silverstone zu einem Highlight für Fans und Fahrer. Die Abfolge Maggotts, Becketts und Chapel verlangt von den Piloten Mut und Präzision. Mit der aktuellen abtriebsstarken Autogeneration steigen die Fliehkräfte kurzfristig auf einen Höchstwert von mehr als 5,5g seitlicher Belastung. Das ist beinahe die doppelte Kraft, die Astronauten bei einem Raketenstart aushalten müssen!
Überholen ist in Silverstone traditionell nicht so einfach. Die FIA hatte es 2018 einmal mit einer zusätzlichen DRS-Zone vor Kurve 1 (Abbey) probiert. Doch das Flachstellen des Flügels führte zu einigen Unfällen und konnte nicht zur Steigerung der Überhol-Action beitragen. Deshalb ist man wieder zurück auf nur noch zwei DRS-Zonen gegangen.
Fast Facts zum GP England:
- Streckenlänge: 5,891 Kilometer
- Rundenzahl: 52
- Renndistanz: 306,198 Kilometer
- Anzahl Kurven: 18 (8 links, 10 rechts)
- Distanz Pole Position bis Kurve 1: 296,3 Meter
- Länge Boxengasse unter Speed-Limit: 508,9 Meter
- Längste Gerade: 1.034 Meter (Hangar Straight)
- DRS-Zonen: 2 (vor T6 und vor T15)
- Top-Speed: 330 km/h
- Reifen: C2, C3, C4
Setup:
Weil die aktuellen Autos jede Menge Anpressdruck generieren, werden viele der schnellen Kurven mittlerweile zu Vollgaspassagen. Deshalb bauten die Ingenieure in den vergangenen Jahren immer flachere Flügel auf die Autos. Zu weit runter dürfen die Ingenieure mit dem Abtrieb aber nicht gehen, weil sonst Zeitverlust in den langsamen Kurven droht. In den Highspeed-Passagen muss vor allem die Vorderachse auf dem Asphalt kleben. Untersteuern können die Piloten bei den schnellen Richtungswechseln überhaupt nicht gebrauchen.
Um die aerodynamische Stabilität zu verbessern, wählen die Ingenieure meist ein straffes und tiefes Fahrwerk. Der Faktor Federweg für eine gute Traktion oder das Überfahren von Kerbs ist in Silverstone nicht so relevant. Mit dem 2019 verlegten Asphalt wurden auch die letzten Bodenwellen glattgebügelt. Die Bremsen sind ebenfalls kein großer Faktor. Im Gegenteil: Zwischen Luffield und Stowe stehen die Fahrer größtenteils auf dem Gas. Hier müssen die Ingenieure dafür sorgen, dass die Carbon-Stopper nicht auskühlen.
Updates:
Wegen der kurzen Rennpause erwarten für den zweiten Teil des Doppelschlags keine großen Ausbaustufen. Nur Renault hat angekündigt, sein Auto nochmal mit neuen Teilen zu bestücken. Wegen der deutlich heißeren Temperaturen erwarten wir jedoch, dass im Rennen extremere Kühlkonfigurationen zum Einsatz kommen als noch in der Vorwoche.
Neues gibt es wie schon erwähnt von Pirelli. Die Italiener bleiben trotz der Reifenplatzer bei ihrem ursprünglichen Plan, in Sachen Gummi-Mischungen eine Stufe weicher auf C2, C3 und C4 zu gehen. Auch an der Strecke wurde in der kurzen Rennpause gearbeitet. Die FIA ließ in der schnellen Kombination Becketts-Chapel einen Randstein nach hinten verlängern, weil die Piloten am Ausgang immer wieder neben die Strecke in den Dreck geraten waren.
Favoriten
Mercedes muss weniger die Konkurrenz als die Bedingungen fürchten. In den wenigen Trainings bei heißen Temperaturen zeigten sich die Silberpfeile verwundbar. Nach schwachen Leistungen am Freitag hatte das Weltmeister-Team beim ersten Silverstone-Wochenende Glück, dass es pünktlich zum Samstag spürbar abkühlte. Das soll nun nicht noch einmal der Fall sein. Wir sind gespannt, ob Red Bull dadurch eine Chance bekommt, um den Sieg zu kämpfen.
Auch Racing Point wird sich über die Wettervorhersage freuen. Lance Stroll hatte vergangene Woche bei Temperaturen von über 30°C im Freien Training die Tagesbestzeit gesetzt. Ab dem Samstag waren die Pink Panther dann plötzlich nicht mehr konkurrenzfähig. Wir erwarten, dass das Wetter, die weicheren Reifen und das Upgrade-Paket von Renault im Mittelfeld für ordentlich Bewegung sorgen wird.
Interessant ist auch die Frage, ob Ferrari mit Charles Leclerc wieder so stark aufgeigen kann und ob Sebastian Vettel seine Probleme endlich in den Griff bekommt. Für die Kundenteams der Italiener sehen wir dagegen nur wenig Chancen. Haas und Alfa Romeo müssen sich wohl wieder mit Williams um die Plätze im Hinterfeld balgen.
In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einmal die Highlights des spektakulären England-Grand-Prix aus der Vorwoche.