Zwei Sekunden vor dem Rest der Welt
An Mercedes an der Spitze hat man sich gewohnt. Aber nicht an diesen Abstand. Nico Rosbergs Pole Position im Regen lag 2,2 Sekunden unter den besten Runden von Sebastian Vettel und Fernando Alonso. Auf trockener Piste war der Vorsprung der Silberpfeile nie größer als sieben Zehntel. Wie ist dieser Unterschied zu erklären?
Die Gegner von Mercedes haben immer um Regen gebetet. Jetzt bekamen sie ihn, und mit dem nassen Untergrund fingen sich Red Bull, Ferrari und Williams auch die größte Ohrfeige des Jahres ein. Nico Rosberg lag 2,2 Sekunden vor Sebastian Vettel und Fernando Alonso. Valtteri Bottas im schnelleren der beiden Williams fehlten 2,4 Sekunden. Selbst Lewis Hamilton fuhr trotz seiner Probleme mit verglasten Bremsen in einer eigenen Welt.
Auf trockener Piste hatte der Vorsprung der Mercedes nie mehr als sieben Zehntel betragen. Im dritten Training standen sogar ein Williams und ein Red Bull auf den ersten zwei Plätzen. Zunächst herrschte große Ratlosigkeit. Auch bei den Siegern. "Ich hätte mit größerer Gegenwehr unserer Rivalen gerechnet und habe keine Erklärung für diesen großen Abstand", richtete Hamilton aus. Fernando Alonso zuckte mit den Schultern: "Vielleicht kommen die Mercedes mit den Intermediates-Reifen besser zurecht als wir."
Diese These unterstützte auch Rosberg: "Auf den Intermediates steht das Auto höher. Vielleicht haben wir für diese Bodenfreiheit das beste Auto. In Sachen Aerodynamik können auch kleine Dinge eine große Wirkung haben."
Red Bull im Top-Speed so gut wie Mercedes./strong>
Sebastian Vettel konnte schon mehr Aufklärung bieten, warum er im Trockenen näher an den Mercedes dran ist als im Nassen: "Schaut euch meinen Top-Speed an, dann seht ihr, dass hier etwas nicht stimmt. Ich bin genauso schnell wie die Mercedes. Wir haben ja praktisch keinen Flügel drauf. Mit so wenig Abtrieb ist es schwer Reifentemperaturen zu generieren. Und das ist im Regen der entscheidende Faktor. Ich verliere zu viel Zeit im zweiten Sektor, wo die ganzen Kurven sind." Normalerweise ist das der starke Sektor von Red Bull.
Rein optisch waren die RB10 von Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo mit Monza-Flügeln bestückt. Technikchef Adrian Newey korrigierte: "Nicht ganz Monza, aber das kleinste, was wir für Spa verantworten konnten. Wir mussten wegen unseres Leistungsmanko etwas machen."
Teamberater Helmut Marko spottete: "In Monza fahren wir ohne Flügel." Niki Lauda protestiert: "Auch wir sind mit wenig Abtrieb gefahren. Unser Auto hat einen guten Grund-Abtrieb." Mercedes entfernte sogar noch den Gurney-Flap aus seinen Spa-Flügeln. Newey bitter: "Mit der Power, die sie haben, können sie größere Anstellwinkel fahren als wir."
Red Bulls Top-Speed konnte sich nicht nur wegen der Mini-Flügel im Heck sehen lassen. Auch weil Red Bull vor Spa seinen Getriebejoker gezogen hat. Der erste, zweite, siebte und achte Gang sind nun länger. Das könnte bei einem Trockenrennen ein Joker werden. "Dafür sind wir gut gerüstet", glaubt Vettel. Marko schätzt: "Ein Podium liegt drin."
Eau Rouge und Blanchimont sind im Regen echte Kurven
Lässt man Mercedes außer Acht, hat sich Red Bull trotz seiner gewagten Abstimmung im Sektor 2 wacker geschlagen: "Wir haben dort nur ein Prozent Zeit auf die Mercedes verloren. In den beiden anderen Sektoren waren es jeweils über zwei Prozent", rechnet Newey vor.
Das lag daran, dass Eau Rouge und Blanchimont im Regen und mit so wenig Abtrieb wieder zu echten Kurven wurden. "Und da haben wir zusätzlich auf die Mercedes verloren. Was uns auf trockener Strecke nicht passiert", erklärt Vettel. Die Zahlen liefern den Beweis: Hamilton wurde in Eau Rouge mit 278,2 km/h gemessen, Ricciardo nur mit 270,8 km/h.
Newey führt noch ein anderes Argument ins Feld: "Der Mercedes.Motor hat die beste Fahrbarkeit. Das hilft im Regen." Mercedes.Motorenchef Andy Cowell bestätigte, dass das Energie-Management den Bedingungen angepasst wird. "Wegen der längeren Bremswege im Regen kriegen wir mehr Energie über die MGU-K. Wir können die Power der MGU-H deshalb besser einsetzen, weil wir sie nicht so stark dafür beanspruchen müssen, die Batterie zu laden. Ein Teil geht auch in die Fahrbarkeit." Der andere in extra Power auf der Geraden.