EU-Plan „Fit for 55“ beschlossen: Verbrenner-Aus ab 2035 - E-Fuels? Mal sehen!
Das EU-Parlament hatte Anfang Juni 2022 das Aus für den Verbrennungsmotor ab 2035 beschlossen, nun hat der EU-Ministerrat der Umweltminister Dienstagnacht (28.6.2022) in einer zuvor 16 Stunden langen Sitzung zugestimmt.
Für Deutschland nahmen an der Sitzung die Bundesumweltministerin Steffi Lemke sowie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) teil. Habeck stellte zu Beginn der Sitzung in Luxemburg die Wichtigkeit der Abstimmung heraus: "Dieser Tag ist ein entscheidender Tag, wir haben in der letzten Zeit bewiesen, dass Europa in der Lage ist große Entscheidungen zu treffen und wir wissen alle, dass der Klimaschutz und die Energiefragen ins Zentrum der Sicherheitsarchitektur der Welt gerückt sind. Heute können wir ein starkes Ausrufezeichen setzen. Sollten wir heute nicht zu einem Ergebnis kommen, würde es als Niederlage nicht nur dieser Runde gesehen werden, sondern von Europa." Hinterher sagte er, es sei "das größte Klimaschutzpaket, das seit 15 Jahren in Europa geschmiedet wurde".
Verbrenner-Aus ist ausgemachte Sache
Und was wurde beschlossen? Die Politiker aus 27 EU-Staaten unterstützen mit einer Mehrheit den Vorschlag der Kommission, ab 2035 nur noch Pkw neu zuzulassen, die kein CO2 ausstoßen. Damit gilt das Aus für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren als ausgemachte Sache. Dazu haben sich die EU-Regierungen noch auf einen Kompromiss verständigt, der ein vages Versprechen der Kommission vorsieht, Ausnahmen für Fahrzeuge mit E-Fuels zu prüfen. Im nächsten Schritt müssen nun die EU-Staaten und das Europaparlament gemeinsam verhandeln. Sie müssen sich auf eine gemeinsame Position einigen. Die EU-Kommission hatte schon im vergangenen Jahr den Vorschlag gemacht, der ein Verbrenner-Aus ab 2035 beinhaltete, das Parlament hatte sich ebenfalls dafür ausgesprochen.
EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans sagte nach den Beratungen, die "überwältigende Mehrheit der Autobauer" setze auf Elektroautos. Die EU-Kommission selbst sei aber "technologisch neutral". "Was wir wollen, sind Autos mit null Emissionen." Timmermans zeigte sich skeptisch mit Blick auf das Potenzial von E-Fuels: "Derzeit erscheinen E-Treibstoffe nicht wie eine realistische Lösung. Wenn die Hersteller in der Zukunft aber das Gegenteil beweisen können, werden wir offen sein."
Diese Thema hatte in Deutschland zu einem offenen Krach zwischen den Koalitionsparteien FDP und Grüne geführt. Obwohl die Bundesregierung bereits im März 2022 Zustimmung zum EU-Beschluss "Fit for 55" signalisiert hatte, grätschte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dazwischen. Er wollte das deutsche "Ja" zum EU-Beschluss kassieren, plädierte für eine Ergänzung um das zuvor bereits abgelehnte Thema E-Fuels, um Verbrennungsmotoren auch nach 2035 klimaneutral nutzen zu können. Mit dem nun sehr weichen Kompromiss-Vorschlag zu dem Thema E-Fuels konnte der interne Streit offenbar beigelegt werden.
Nur 12 Prozent der CO2-Emissionen entstammen dem Pkw-Verkehr
Rund ein Viertel der EU-weiten CO2-Emmissionen stammen aus dem Verkehrssektor, zwölf Prozent von Pkw. Nach dem nun angenommenen Plan müssen die jährlichen Emissionen neuer Fahrzeuge ab 2030 um 55 Prozent niedriger sein, als 2021. Für 2035 liegt die Quote sogar bei 100 Prozent im Vergleich zu 2021. Das bedeutet, von diesem Jahr an werden alle neu zugelassenen Autos emissionsfrei sein müssen – das gilt nach den Vorgaben der EU aktuell nur für Elektroautos oder Fahrzeuge, die mit Wasserstoff betankt werden können. Zuletzt waren von den Flottenverbrauchsvorgaben ab 2030 auch Kleinstserienhersteller (1.000 bis 10.000 Neuzulassungen pro Jahr), die innerhalb und außerhalb der EU ansässig sind, betroffen. Hersteller mit weniger als 1.000 Neuzulassungen pro Jahr hatten weiterhin eine Ausnahmegenehmigung erhalten.
E-Fuels sind teuer und bringen nichts
E-Fuels gelten als bilanziell CO2-neutral, liegen aktuell bei prognostizierten Herstellungskosten bei rund 5 Euro pro Liter. Die Preise für energieintensive E-Fuels und CO2 werden den Verbrenner-Anteil in der EU automatisch herunterregeln. Der hohe Preis liegt vor allem am enormen Energieaufwand. Berechnungen zufolge braucht man zur Erzeugung von einem Liter E-Diesel 27 kWh Energie – aus regenerativen Quellen wohlgemerkt, sonst bringt es ja keine CO2-Neutralität. Fahren mit E-Fuels braucht also fast sieben Mal mehr Energie als elektrische Mobilität. Zur Erzeugung der allein in Deutschland jährlich verbrannten 47 Milliarden Liter Sprit, sind mehr als 1.250 Terawattstunden vonnöten. Der Aufbau entsprechender Kapazitäten würde lange dauern und jede Menge CO2-Emissionen verursachen, die konsequenterweise in die CO2-Emissionen der E-Fuels mit eingerechnet werden müssen – wie die bei der Herstellung der Batterien anfallenden. Zum Vergleich: Deutschland verbrauchte zuletzt etwa 565 Terawattsunden jährlich. Wollten wir alle 47 Millionen Pkw in Deutschland elektrisch betreiben, bräuchten wir dafür lediglich etwa 140 Terawattstunden
Laut Berechnungen von Transport and Environment (T&E) wirkt sich der hohe Stromverbrauch entsprechend negativ auf die CO2-Bilanz von E-Fuels aus: Für 2030 prognostiziert T & E pro Kilometer 95 Gramm CO2-Emissionen für einen mit E-Fuel betriebenen Verbrenner und 48 Gramm fürs E-Auto.
Unterdessen fordern manche Autobauer von der Politik gar keinen Bestandsschutz für den Verbrennungsmotor, sondern sogar ein schnelleres Umsteuern der Politik in Richtung Elektromobilität. "Wichtig ist", so Audi-Chef Markus Duesmann zur Wirtschaftswoche, "dass die ambitionierten politischen Ziele auch durch entsprechende regulative Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten unterlegt werden". Dazu gehörten "eine beschleunigte Energiewende, ein viel schnellerer Ausbau der Ladeinfrastruktur und eine ausreichende Versorgung mit Batteriezellen".
Die EU in Auto-Zahlen
- 243 Millionen Fahrzeuge sind aktuell in der EU zugelassen
- 11,5 Jahre beträgt das durchschnittliche Pkw-Alter
- 76,7 Prozent aller Waren werden in der EU auf dem Landweg transportiert
- 22 neue Fahrzeuge sind 2020 pro 1.000 Einwohner zugelassen worden
- 9,9 Millionen Pkw wurden in der EU verkauft (plus 23,7 Prozent zum Vorjahr)
- 5.000.566 Pkw wurden 2019 exportiert – im Wert von 124 Milliarden Euro
- 25 Prozent aller weltweit produzierten Autos kommen aus der EU
- 47,5 Prozent beträgt der Anteil der Benziner-Pkw
- 24,5 Prozent beträgt der Anteil an alternativen Kraftstoffe (BEV, PHEV, Hybrid)
- 14,6 Millionen Europäer arbeiten in der Automobilindustrie, das sind …
- 6,7 Prozent aller EU-Jobs
- 226 Fahrzeugmontage- und Produktionswerke gibt es in der EU
- 440,4 Milliarden Euro an Steuern entfallen auf Kraftfahrzeuge