EU-Verbrennerverbot für 2035 ist vom Tisch
Deutschland hat sich in letzter Minute gegen ein EU-Verbrennerverbot eingesetzt – und ist damit durchgekommen.
Am späten Freitagabend (24. März 2023) war es offenbar so weit: Die EU-Kommission und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) haben sich geeinigt. Auch nach dem Jahr 2035 soll die Neuzulassung von Verbrennungsmotoren in der EU erlaubt sein. Das Bundesverkehrsministerium teilt mit, dass man den Weg dafür freigemacht habe, dass Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2023 zulassungsfähig sind – wenn ihr Betrieb ausschließlich mit klimaneutralen E-Fuels erfolgt. Konkrete Verfahrensschritte und einen Zeitplan haben die Beteiligten bereits vereinbart, betont Wissing. Nach seiner Einschätzung sollte der Prozess bis Herbst 2024 abgeschlossen sein.
Verbrenner-Rettung in letzter Minute
Auf EU-Ebene war das Ende des Verbrennungsmotors in Europa fast besiegelt. Doch Deutschlands Verkehrsminister Volker Wissing wollte die Verbrenner-Zukunft mit der Ausnahme für E-Fuels sichern.
Wissing war auf dem EU-Gipfel von seiner harten Linie abgerückt. Die bestehende Regelung zu den Flottengrenzwerten bis 2035 müsse nicht geändert werden. Allerdings solle die EU-Kommission rechtsverbindlich erklären, bis Herbst 2023 eine Lösung zu finden. Es ging darum, wie Neuwagen mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 zulassungsfähig bleiben, wenn diese ausschließlich mit E-Fuels betrieben werden. Diese Regelungen erarbeiten die beteiligten Experten jetzt.
Technische und rechtliche Lösungen
In der Realität könnte das ab 2035 dann beispielsweise so aussehen: Erkennt ein Neuwagen, dass er mit fossilem Benzin oder Diesel betankt wurde, müsste er seinen Motor automatisch abschalten. Denn rechtlich dürften neu zugelassene Autos ab 2035 nur noch mit klimaneutral hergestellten E-Fuels fahren.
Denn im Jahr 2035 darf kein Auto mehr neu zugelassen werden, das Treibhausgase ausstößt. Das hatte das EU-Parlament am 14. Februar 2023 mit 340 Ja-Stimmen, 279 Nein-Stimmen und 21 Enthaltungen beschlossen. Schon bis zum Jahr 2030 soll der CO₂-Ausstoß im Pkw-Verkehr um 55 Prozent gesenkt sein, so das Parlament. Doch was genau heißt das für uns Autofahrer? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Was passiert mit E-Fuels?
Die sogenannten synthetischen Kraftstoffe, also Methan, Benzin und Diesel aus regenerativen Energien, werden zwar als CO₂-neutral gehandelt. In der Verordnung war dieser Umstand bisher aber nicht berücksichtigt. Jetzt kommt die Ausnahme für E-Fuels.
E-Fuels gelten als bilanziell CO₂-neutral, die Herstellungskosten liegen Prognosen von Experten zufolge bei etwa fünf Euro pro Liter. Porsche glaubt, mit Anlagen wie der jüngst in Chile eröffneten, einen Liter synthetischen Sprits für weniger als 1,90 Euro herstellen zu können. Teure E-Fuels und der CO₂-Preis könnten den Verbrenner-Anteil in der EU herunterregeln. Größter Kostentreiber für die Herstellung synthetischen Benzins ist der enorme Energieaufwand. Berechnungen von Experten zufolge benötigt man zur Erzeugung von einem Liter E-Diesel 27 kWh Energie – aus regenerativen Quellen wohlgemerkt, sonst bringt es keine CO₂-Neutralität. Fahren mit E-Fuels braucht demzufolge sieben- achtmal mehr Energie als batterieelektrische Autos. Zur Erzeugung der allein in Deutschland jährlich verbrannten 47 Milliarden Liter Sprit sind umgerechnet mehr als 1.250 Terawattstunden vonnöten. Der Aufbau entsprechender Kapazitäten würde lange dauern und weitere CO₂-Emissionen verursachen, die konsequenterweise in die CO₂-Emissionen der E-Fuels eingerechnet werden müssen – wie sie ebenfalls bei der Herstellung der Batterien anfallenden. Zum Vergleich: Deutschland verbrauchte zuletzt etwa 565 Terawattstunden jährlich. Wollten wir alle 47 Millionen Pkw in Deutschland elektrisch betreiben, bräuchten wir dafür etwa 140 Terawattstunden.
Welche Treibhausgasemissionen der hohe Energieaufwand für E-Fuels zur Folge hätte, ist schwer zu prognostizieren. Berechnungen von Transport and Environment (T&E) zufolge würde ein mit E-Fuels betriebener Verbrenner pro Kilometer 95 Gramm CO₂ emittieren, ein E-Auto 48 Gramm.
Kann ich mein Auto weiterfahren?
Für viele Autofahrer stellt sich schon jetzt die Frage, was mit ihrem Benziner oder Diesel passiert, wenn die Frist naht. Die Antwort ist klar geregelt. Für alle bis ins Jahr 2034 in der EU zugelassenen Autos mit Verbrennungsmotor wird es einen Bestandsschutz geben. Es darf also sehr wohl über das Jahr 2035 hinaus mit klassischem Antrieb gefahren werden. Außerdem sind Benzin- und Diesel-Kraftstoffe mit E-Fuel-Beimischen in Arbeit, die beinahe alle Motoren vertragen. Das macht den Betrieb von klassischen Verbrennern klimafreundlicher.
Darf ich nach 2035 noch gebrauchte Verbrenner kaufen?
Umschreibungen von gebrauchten Autos, wie sie beim Halterwechsel passieren, sind selbstverständlich auch danach möglich. Noch ist aber nicht abzulesen, wie sich Gebrauchtwagenpreise von Verbrennern bis 2035 entwickeln werden.
Wird es nach 2035 noch Ersatzteile geben?
Ja. Längst gilt in der EU die Regelung, dass Hersteller verpflichtet sind, Ersatzteile mindestens sieben Jahre nach Einstellung eines Modells zur Verfügung zu stellen. Deutsche Autobauer sichern ihren Kunden sogar eine mindestens zehnjährige Ersatzteilversorgung zu.
Werden Hersteller zum Fristende Tageszulassungen in den Markt pumpen?
Wie sich der Automobilmarkt bis ins Jahr 2035 entwickeln wird, ist selbst für die großen Hersteller schwer vorauszusehen. Der Kurswechsel hin zur Elektromobilität ist aber längst in vollem Gange. Wahrscheinlich werden die großen Verbrenner-Kapazitäten über das Jahr 2030 hinaus ohnehin schrumpfen – zumindest in Europa. In der Vergangenheit haben klare Fristen allerdings immer dazu geführt, dass kurz vorher noch sehr viele Fahrzeuge nach alten Regeln zugelassen wurden, um sie anschließend günstig als Tageszulassungen zu verkaufen.
Wird es auch nach 2035 noch Sprit an Tankstellen geben?
Diesel und Benzin wird es selbst nach 2035 noch flächendeckend geben. Allerdings dürfte das Tankstellennetz nach und nach dünner werden, wenn durch alternative Antriebe immer weniger Nachfrage nach klassischem Sprit besteht. Tankstellen sollen zudem in den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos einbezogen werden.
Wird der Strom für alle E-Autos ausreichen?
Die komplette Umstellung des europäischen Autoverkehrs hin zur Elektromobilität wird noch viel länger dauern als bis 2035. Dennoch muss der Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Produktion von regenerativem Strom vorangetrieben werden. Der Energiebedarf von Elektromobilität ist aber wegen deren hoher Effizienz vergleichsweise überschaubar. Wollten wir alle 47 Millionen Autos des aktuellen deutschen Fahrzeugbestands rein elektrisch betreiben, bräuchte es dafür gut ein Viertel des aktuellen Stromverbrauchs mehr. Ausgehend davon, dass erst etwa 2050 (fast) alle Autos rein elektrisch fahren sollen, müsste die Grün-Stromerzeugung allein für E-Autos also in 27 Jahren um etwa 27 Prozent wachsen – das entspricht einer jährlichen von durchschnittlich etwa einem Prozent.
Hängen Verbrenner-Aus und Euro 7 zusammen?
Grundsätzlich hat der EU-Beschluss zum Verbrenner-Aus für 2035 nichts mit der Abgasnorm Euro 7 zu tun. Er besagt lediglich, dass neu zugelassene Autos ab 2035 emissionsfrei – also ohne CO₂-Ausstoß – fahren müssen. Nach derzeitigem Technik-Stand sind das batterieelektrische Antriebe oder Wasserstoff-Fahrzeuge. Die Abgasnorm Euro 7 will dagegen noch strengere Grenzwerte für Schadstoffe klassischer Verbrenner durchsetzen, um die Luftqualität in Ballungsräumen zu verbessern. Hierbei geht es nicht um CO₂, sondern um Feinstaub, Kohlenwasserstoffe, Kohlenmonoxid, Ammoniak und vor allem Stickoxide. Die stoßen grundsätzlich auch Motoren aus, die E-Fuels verbrennen. Abgasmessungen bei Tests mit synthetischem Sprit zeigen allerdings tendenziell sauberere Emissionen als mit fossilem.
Die EU in Auto-Zahlen
- 243 Millionen Fahrzeuge sind aktuell in der EU zugelassen
- 11,5 Jahre beträgt das durchschnittliche Pkw-Alter
- 76,7 Prozent aller Waren werden in der EU auf dem Landweg transportiert
- 22 neue Fahrzeuge sind 2020 pro 1.000 Einwohner zugelassen worden
- 9,9 Millionen Pkw wurden in der EU verkauft (plus 23,7 Prozent zum Vorjahr)
- 5.000.566 Pkw wurden 2019 exportiert – im Wert von 124 Milliarden Euro
- 25 Prozent aller weltweit produzierten Autos kommen aus der EU
- 47,5 Prozent beträgt der Anteil der Benziner-Pkw
- 24,5 Prozent beträgt der Anteil an alternativen Kraftstoffe (BEV, PHEV, Hybrid)
- 14,6 Millionen Europäer arbeiten in der Automobilindustrie, das sind …
- 6,7 Prozent aller EU-Jobs
- 226 Fahrzeugmontage- und Produktionswerke gibt es in der EU
- 440,4 Milliarden Euro an Steuern entfallen auf Kraftfahrzeuge