Mercedes-Maybach S 600: Angie, bestell' den Wagen
Alle reden vom autonomen Fahren. Fast alle. Schließlich gibt es Menschen, die das Steuer ohnehin nicht selbst in die Hand nehmen - sie lassen fahren. Für diese Zielgruppe hat Mercedes-Benz seine S-Klasse um eine Chauffeurs-Limousine erweitert: ab Februar wird der Mercedes-Maybach S 600 ausgeliefert.
Wenn der altgediente Daimler-Manager auf das Abenteuer Maybach angesprochen wird, zuckt er heute noch zusammen: "So hohe Investitionen, so tolle Autos und so wenig Erfolg," erinnert er sich schaudernd an die zehn Jahre zwischen 2002 und 2012, als der Konzern die Traditionsmarke Maybach reanimierte und in der Liga der Ultra-Luxuscars mitmischen wollte. Das ging gründlich - und finanziell schmerzlich - schief, wie wir uns erinnern. Die Gründe waren hausgemacht: Zum einen hatte die Marke nicht einmal im eigenen Land annähernd die Strahlkraft von Konkurrenten wie Rolls-Royce. Zum anderen war die eigene S-Klasse zwar nicht ganz so exklusiv, aber technisch ebenbürtig - und das zum halben Preis.
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Nun sind die Schwaben unter anderem auch dafür bekannt, dass sie einen Fehler selten zweimal machen. Also wurde aus Maybach ein Subunternehmen, wie es auch AMG im sportiven Bereich ist - und die S-Klasse mit einem High-End-Modell nochmals aufgewertet. Spätestens an diesem Punkt ist für den Daimler-Manager das Maybach-Kapitel neu geschrieben: "Wir haben die beste Chauffeurs-Limousine der Welt und werden in diesem Segment auf Jahre unschlagbar sein".
Da könnte was dran sein. Denn das Projekt Mercedes-Maybach beruht auf dem Erfolg der neuen S-Klasse, von der innerhalb eines Jahres weltweit über 100.000 Exemplare ausgeliefert wurden. Außerdem setzen die Mercedes-Strategen auf internationale Studien, nach denen die Anzahl der Superreichen weiterhin rasant steigt. In Zahlen: Besaßen 2014 insgesamt 211.275 Menschen zusammen rund 30 Billionen US-Dollar, sollen es 2019 schon 250.000 Reiche sein, die in Summe auf 40 Billionen kommen. Der Autor dieser Zeilen wird, so ist stark zu vermuten, nicht unter ihnen sein. Dabei könnte er sich durchaus daran gewöhnen, chauffiert zu werden. Jedenfalls ist sein Verständnis für Politiker und andere wichtige Menschen, die sich dies leisten können, stark gewachsen. Schließlich ist der Mercedes-Maybach S 600 auch ein Wellness-Vehikel mit Lifestyle-Attitüden.
Champagner im Kühlschrank, Silberkelche als Sonderzubehör
Wer viel arbeitet, darf sich auch belohnen. Deshalb gehört in den Kühlschrank, der sich hinter einer Klappe zwischen den Rückenlehnen verbirgt, eine Flasche Champagner. Natürlich hat der Mann von Welt bei der Bestellung der gepimpten S-Klasse auch an die unbedingt dazugehörigen Extras gedacht und die entsprechenden Trinkgefäße geordert. Das handgearbeitete, versilberte Duo klemmt an der Klappeninnenseite. Es sind solche kleinen, feinen Details, die dieses Luxusmobil besonders machen.
Die Schampuskelche kommen von der Silbermanufaktur Robbe & Berking, die Analoguhr im Zentrum des Cockpit-Geschehens von IWC, das 3D-Surround-Soundsystem von Burmester. Ja, Mercedes hat jede Menge Feinkost an Bord geholt. Es hat schon etwas, wenn sich dem Passagier die in der Tür versenkten Hochton-Lautsprecher entgegenschrauben, bis sie ihre Idealposition erreicht haben. Schön, wenn sich über den Spalt der eingefahrenen Sonnenblende abschließend eine feine Abdeckung legt. Faszinierend, wenn einem beim Einsteigen der Gurtverschluss entgegen kommt. Beleuchtet, versteht sich. Angenehm, dass im Innenraum eine unaufdringlich gute Duftnote in der Luft liegt, die sich Agarwood nennt und zum "Air-Balance-Paket" gehört - zu dem auch noch die Ionisierung der Luft und eine ultimative Filteranlage gehören.
Gut zu wissen außerdem, dass der Thermocupholder das ihm anvertraute Getränk wahlweise kühlt oder wärmt. Und weil das ein gutes Stichwort ist, wandte sich der mitfahrende Playboy bei der Präsentation im kalifornischen Santa Barbara an unseren weiß-behandschuhten Chauffeur, und fragte: "Hey, Jim. Haben wir Champagner an Bord?" "Yes, Sir", kam es von vorne prompt zurück. Allerdings in einer solchen Deutlichkeit, dass die Nachfrage berechtigt war, ob Jim in ein Mikro spreche. Tatsächlich verfügt der Mercedes-Maybach über einen Stimmverstärker, durch den der Chef im Fond seinen Autobutler immer versteht, ohne dass dieser den Kopf drehen muss. Darauf muss man erstmal kommen.
In nur fünf Sekunden beschleunigt der PS-Flüsterer auf Tempo 100
Der Rest ist so, wie man es von einem Nobelgefährt erwarten kann, das außen an beiden Seiten der C-Säule das wappenähnliche Logo mit dem doppelten "M" trägt. Innen wechseln sich Edelhölzer mit Edelleder ab. Die Edelnähte entstanden in Handarbeit, und die edlen Sitze sind denen der First Class eines Fliegers nicht unähnlich - bis hin zur Liegestuhl-Position. In diesem Ambiente lässt sich völlig entspannt dahingleiten, ein Nippen am Champagner hier, ein Tippen an der Fernbedienung für die Entertainment-Auswahl da - und schon gibt es über die Wireless-Headphones besten Digitalsound auf die Ohren.
Komfort kommt beim Benz-Maybach vor Leistung, sollte man meinen. Ein gewaltiger Irrtum. Denn als wir Jim bitten, den Zwölfzylinder-Biturbo zu kitzeln, presst uns die volle Power der 560 PS ins Nappaleder. Exakte 5 Sekunden sind für das 2,5 Tonnen-Dickschiff ein sensationeller Sprintwert, und wäre nicht bei 250 Sachen elektronisch abgeregelt Schluss, würde sich die Tachonadel in der Gegend um die 300 einzittern. Verblüffend dabei: Je höher die Geschwindigkeit, desto ruhiger die Geräusche im Innenraum. Wenn Mercedes von der leisesten Limousine der Welt spricht, kommt das der Wahrheit sehr nahe. Dazu schluckt das Fahrwerk jede Unebenheit, wie ein dicker Teppich. Ein Safety-Paket mit den wichtigsten Fahrassistenz-Systemen gibt es serienmäßig. Weitere stehen in der Liste der umfangreichen Sonderausstattungen, was den Verkaufspreis die 200.000 Euro-Marke leicht überspringen lässt.
Überhaupt verbreitet sich unter dem Stern von Stuttgart nach der bitteren Maybach-Erfahrung jede Menge neues Selbstbewusstsein. Die S-Klasse ist erfolgreich, die Diversifizierung unter dem Motto "Luxus für jeden Geschmack" ist in vollem Gange. Im Sommer wird es den S600 allradgetrieben als 4matic geben, für das zweite Halbjahr ist ein S-Klasse-Cabrio angekündigt, für Ende des Jahres eine neue Version der legendären Staatskarosse "Pullman". Die soll auf der Basis des Mercedes-Maybach S 600 entstehen, aber mit 6,5 Meter noch ein gewaltiges Stück länger sein. Da gebietet sich doch ein kleiner Tipp ans Kanzleramt: Angie, bestell' schon mal den Wagen!