Start von Pole und aus der Box
Nach der überraschenden Quali-Bestzeit von Lewis Hamilton schaffte Max Verstappen im neugeschaffenen Sprint den Konter. Teamkollege Sergio Perez musste nach einem Dreher vorzeitig aufgeben. Der Mexikaner wird das Rennen am Sonntag aus der Boxengasse starten.
Bei Red Bull sah man nach dem ersten Sprint in der F1-Geschichte fast nur strahlende Gesichter. Nachdem Lewis Hamilton am Freitag überraschend die schnellste Runde in der Qualifikation gedreht hatte, jubelte Toto Wolff bereits: "Das Imperium schlägt zurück." Nicht einmal 24 Stunden später drehte Max Verstappen die Reihenfolge mit seinem Sprint-Sieg wieder um, worauf Red-Bull-Sportchef Helmut Marko spöttisch konterte: "Gruß ans Imperium!"
Schlüssel zum Sieg im 17-Runden-Rennen war der gewonnene Start. Während bei Hamilton auf den ersten Metern die Reifen durchdrehten, kam Verstappen perfekt von der Linie weg. Der Holländer ließ sich auch von qualmend heißen Bremsen an der Vorderachse nicht aus der Ruhe bringen. Die Flammen der Karbon-Stopper schlugen sogar außen aus den Felgen heraus.
Mit dem schnellen Spurt in die erste Kurve war der Sieg aber noch längst nicht eingetütet. Im Verlaufe der ersten Runde setzte Hamilton mehrmals zum Konter an. Doch am Ende verteidigte sich Verstappen stets konsequent. Teamchef Horner lobte seinen Schützling: "Wir wussten, dass Mercedes vor allem im ersten Sektor stark ist. Lewis auf der langen Geraden hinten zu halten, war sehr wichtig für uns."
Kein Untersteuern mehr bei Verstappen
Auf dem Weg ins Ziel bereiteten auch die Reifen etwas Ärger. Die hohen Luftdrücke sorgten für Blasenbildung an der Vorderachse. "Davon war Mercedes aber mindestens genauso stark betroffen – wenn nicht sogar noch mehr als wir", erklärte Horner. "Aber morgen im Hauptrennen wird das sicher interessant, wenn die Autos am Start noch schwerer sind und die Temperaturen noch einmal steigen."
Doch wie konnte Verstappen das Ruder überhaupt noch einmal rumreißen? Hätte sich Hamilton in der letzten Quali-Runde nicht einen kleinen Fehler erlaubt, wäre er wohl drei bis vier Zehntel schneller gewesen. Am Samstag war plötzlich kein Speed-Unterschied mehr festzustellen.
Veränderungen des Setups waren nach der Qualifikation keine mehr erlaubt. Nur die Flügel-Einstellungen und der Luftdruck durften angepasst werden. "Mit beiden sind wir in die richtige Richtung gegangen", freute sich Marko. "Dazu sind uns auch die wärmeren Temperaturen entgegengekommen."
Verstappen beklagte sich dennoch, über die strikten Parc-Fermé-Regeln, mit denen die Abstimmung seit dem Qualifying festgenagelt ist. "Wir konnten das Untersteuern zwar beseitigen, was aber vor allem an den geringeren Kurvengeschwindigkeiten durch die höhere Spritmenge liegt. Hätte ich die Wahl, würde ich jetzt noch mehr in Richtung besseren Top-Speed gehen", verriet der fliegende Holländer.
Erste Silverstone-Pole seit zehn Jahren
Auch an dem neuen Format hatte er etwas auszusetzen: "Es war schon komisch, als ich nach einem Rennen über ein Drittel der normalen Distanz plötzlich Glückwünsche zur Pole Position bekommen habe. Das fühlt sich irgendwie nicht richtig an. Die Pole Position sollte an den schnellsten Piloten im Qualifying gehen."
Teamchef Horner waren derartige Formalitäten völlig egal: "Das war hier in Silverstone unsere erste Pole Position in Silverstone seit zehn Jahren. Auch wenn wir diese auf eine etwas andere Weise geholt haben als Mercedes in den letzten neun Jahren. Jetzt wollen wir natürlich auch den Sieg im Rennen."
Für den Sonntag erwartet der WM-Spitzenreiter wieder einen harten Kampf. Die Aussage von Hamilton, dass sein Red-Bull-Gegner an der Spitze noch Pace-Reserven hatte, dementierte Verstappen: "Ich habe über die komplette Distanz richtig gepusht. Sonst hätte ich ihn nicht hinter mir halten können. Morgen wird es mit viel Sprit im Tank sicher nochmal ganz anders werden."
Perez-Aufholjagd mit neuen Setup
Die Stimmung im Red-Bull-Lager wurde am Samstag nur durch den Fehler von Sergio Perez getrübt. Der Mexikaner hatte sich bei der Jagd auf Lando Norris am Ausgang der Becketts-Kurve einen Highspeed-Dreher geleistet. Wie durch ein Wunder vermied der Neuling im Team den Einschlag in die Bande.
"Ich bin aufs Gas gestiegen und plötzlich in die verwirbelte Luft des Autos vor mir geraten. Das hat mich komplett aus der Bahn geworfen. Danach war ich nur noch Passagier im Cockpit", entschuldigte sich Perez. Zwar kam das Auto bei der kleinen Stunt-Einlage ohne Schaden davon. Durch das Rutschen über den Asphalt hatte sich aber der Gummi einseitig von der Lauffläche gerubbelt. Folge waren heftige Vibrationen.
Das war aber nicht der einzige Grund, warum Perez vom vorletzten Platz keine Schadensbegrenzung mehr betreiben konnte. "Seine Flügeleinstellung ist etwas zu steil. Deshalb kam er auf den Geraden nicht an den anderen vorbei", erklärte Marko. Perez wurde kurz vor Schluss an die Boxen geholt, weil die Vibrationen immer stärker wurden und ein Aufhängungsschaden drohte.
Im Rennen will man Perez das Überholen nun etwas leichter machen. Der Doktor aus Graz verriet bereits den neuen Plan, den die Ingenieure für das Auto mit der Startnummer 11 ausgetüftelt haben: "Natürlich nutzen wir die Situation, um morgen mit einem ganz anderen Setup aus der Boxengasse ins Rennen zu gehen." Verstappen wird er so aber wohl nicht mehr helfen können. Der Niederländer muss es also wieder alleine mit dem Imperium aufnehmen.