Zocken für den Sieg
Red Bull unternahm alles, um Saudi-Arabien als Sieger zu verlassen. Risiko mit dem Getriebe, bei den Starts, bei den Verteidigungsmanövern, mit der Strategie. Doch es sollte nicht sein. Ein letztes Upgrade schlug nicht ein, könnte in Abu Dhabi aber ein weiteres Mal getestet werden.
Mercedes hat die Entwicklung seines aktuellen Autos längst eingestellt. Red Bull wollte stattdessen für den Endspurt ein letztes Ass ziehen. Der Herausforderer kreuzte in Saudi-Arabien augenscheinlich mit einem kleinen Update auf. Es wurde am Trainingsfreitag am Auto von Sergio Perez ausprobiert. Der Mexikaner muss sich voll in den Dienst von Teamkapitän Max Verstappen stellen.
Es handelte sich um eine kleine Anpassung am Unterboden. Das Ziel: Den Luftwiderstand auf den Geraden zu reduzieren, um so noch ein paar km/h extra zu gewinnen. Soweit die Vorzüge. Jedoch kostete die Veränderung zu viel Anpressdruck in den Kurven. Und dieser Nachteil überwog. Red Bull schraubte zurück. Die Daten werden noch einmal genau studiert. Vielleicht wird der "Trick" in Abu Dhabi noch einmal im Training probiert, wenn Red Bull fündig wird, und schnell eine bessere Lösung auflegt. Oder die Strecke einfach besser passt. Auf dem Yas Marina Circuit fehlen im Gegensatz zum Jeddah Corniche Circuit die wirklich schnellen Kurven.
Risiko mit dem Getriebe
Der Herausforderer unternimmt alles, um Mercedes und Lewis Hamilton in dieser Weltmeisterschaft zu schlagen. Umso bitterer wäre ein Nichtgewinn des Titels. Max Verstappen geht sowieso immer "all in". In der Qualifikation ging es in der letzten Kurve schief. Diese Runde wird als eine der besten Runden in die Geschichte eingehen, die nie eine echte war. Das Getriebe hielt dem Mauerkuss stand. Es war trotzdem ein Risiko, es im Auto zu lassen, weil es in Abu Dhabi mindestens den Samstag und das Rennen überstehen muss.
Red Bull war am Samstag von Jeddah um ein paar Zehntelsekunden überlegen. Das überraschte, weil 80 Prozent Vollgasanteil nach einem Mercedes.Vorteil scheien. Das warf den Verdacht auf, dass Team und Fahrer mit dem Setup gepokert hatten. Das wird bestritten. Man habe das Rennen nicht für eine bessere Startposition geopfert, sondern nur die richtigen Schlüsse aus einem mittelmäßigen Trainingsfreitag gezogen. Da hatte der RB16B zu sehr untersteuert.
In der Qualifikation zündete der Red Bull die Reifen zuverlässig schnell an. Mercedes dagegen nicht. Das erklärt die Verluste in den Kurven. Das Team auf dem zweiten WM-Platz in der Markenwertung fürchtete schon da, dass der Weltmeister im Rennen deutlich besser aufgestellt sein würde. Über die Distanz ist es ein Vorteil, die Reifen nicht sofort in ihren Wohlfühlbereich zu bringen.
Geschenk nicht ausgepackt
Auf den Geraden herrschte Runde praktisch Gleichstand. Red Bull wechselte ab Samstag auf kleinere Flügel. Die Autos wurden in Nuancen verschieden konfiguriert. Perez hatte an seinem Heckflügel einen durchgehenden Gurney-Flap, Verstappen nur einen in der Mitte. Das macht im Topspeed einen minimalen Unterschied zugunsten des Holländers.
Dass die beiden Autos der WM-Rivalen auf den Geraden gleichschnell waren, überraschte. Red Bull konnte sich das nur so erklären: Entweder hat Mercedes etwas Leistung zurückgenommen. "Oder ihr Drag Reduction System war nicht an Bord." Damit ist nicht das übliche DRS gemeint, sondern der angeblich biegsame Flügel, wovon Mercedes abstreitet, überhaupt einen zu haben. Jedenfalls aber konnte Mercedes das Heck des W12 auf den Geradeaus-Passagen wegen der vielen Highspeed-Kurven nicht extrem absetzen. Ein Aspekt, warum der Silberpfeil auf den Geraden nicht davonbolzte.
Durch den verkorksten Samstag musste Red Bull im Rennen erneut ins Risiko gehen. Man tat es in der ersten Safety Car-Phase, die später in eine Unterbrechung gewandelt wurde. Verstappen bekam einen Gratis-Reifenwechsel geschenkt. Nur packte er das Geschenk am folgenden Start nicht aus, und fiel nach waghalsigem Manöver hinter Esteban Ocon und Lewis Hamilton für den nächsten Restart.
Mit DRS eine Sekunde schneller
Das zwang ihn in eine andere Strategie, und war schlussendlich der Knackpunkt. Red Bull musste für den letzten Start den Mediumreifen aufziehen, um überhaupt eine Chance zu haben, noch an Hamilton vorbeizukommen. Verstappen schaffte es tatsächlich. Er überraschte den Weltmeister mit einem ultraspäten Bremsmanöver, und stach auf der Innenseite im letzten Moment rein.
Danach fuhr er mit den weicheren Reifen im Vergleich zu seinem Rivalen mit dem Rücken zur Wand. "Am Start waren meine Reifen besser, hinten raus waren sie ein Nachteil, weil sie schneller eingingen." Hamilton ließ sich nie abschütteln. Der Beweis, dass er schneller war. Red Bull-Teamchef Christian Horner stellte fest. "Im ersten Abschnitt waren wir sehr schnell. Das ist der herausfordernde Teil für die Aerodynamik. Ab dem zweiten Sektor fällt der Motor stärker ins Gewicht. Da hatte Lewis einen Vorteil. Mit DRS hat er eine Sekunde auf Max gewonnen."
An den Einstellungen des V6-Turbo darf man ab der Quali nichts mehr verändern. Man kann für das Rennen nicht einfach in einen anderen Modus schalten. Die sonstigen Hilfsmittel, um die Geschwindigkeit auf den Geraden zu erhöhen, waren die gleichen wie in der Qualifikation. Beim Topspeed überragte Hamilton mit 333,3 km/h seinen Widersacher um 12,4 km/h. Das ist aber kein fairer Vergleich, weil man DRS-Effekt und Windschatten einbeziehen beziehungsweise rausrechnen müsste. Das können seriös nur die Teams.
Motorwechsel nicht auf Tisch
Verstappen erklärte, dass durch das Windschattenfahren automatisch der Antrieb profitiere. Man spart sich etwas Batterie-Leistung, die man später gezielt einsetzen kann. Diesen Luxus hatte der Führende nicht – und dazu die schlechteren Reifen über die Distanz. Abgesehen von den VSC-Phasen konnte er sie auch nicht schonen – mit Hamilton im Genick. Verstappen musste im ersten Streckenteil Vollgas geben, um sich für den zweiten zu lösen. Dort waren hintereinander die drei DRS-Zonen geschaltet. Das erinnerte an Brasilien, wo Verstappen im Mittelabschnitt die Reifen hinrichtete.
Bei der Leistung bekam Red Bull die gleichen PS, die Motorenpartner Honda in den letzten Wochen auch zur Verfügung gestellt hatte. Ein Plan für einen Motorenwechsel für Abu Dhabi, wie an manchen Stellen gemunkelt wird, liegt nicht auf dem Tisch. Dafür müssten die Daten schon extreme Alarmsignale senden. Ein Tausch im Finale würde keinen Sinn machen. Erstens, weil Verstappen um fünf Plätze zurückgestuft werden würde. Zweitens, weil ein frischer Motor nicht unbedingt deutlich mehr Leistung bringt. Der Verschleiß und damit der Abbau ist beim Honda-V6 über die Laufzeit geringer als bei Mercedes.
Die Probleme mit dem DRS hat Red Bull behoben. In Saudi-Arabien war davon nichts mehr zu sehen. Das sind die guten Nachrichten. Im Finale muss Verstappen vor seinem Rivalen ins Ziel kommen. Sportchef Helmut Marko: "Wir haben immer gesagt, dass wir noch ein Rennen gewinnen müssen. Jetzt halt in Abu Dhabi."