Die Hitze half mit
Ferrari galt bis jetzt nur auf Stadtkursen als Geheimtipp. Und auf Strecken, die den Vorderreifen beanspruchen, als Problemfall. Trotzdem hätte Ferrari in Silverstone fast gewonnen. Eine gute Analyse der Reifenprobleme und die Hitze halfen mit.
Monte Carlo hätte Ferrari gewinnen können. Baku trotz Pole Position schon nicht mehr. Der GP Frankreich war das Kontrastprogramm. Ferrari stürzte mit Reifenproblemen ab und fuhr mit null Punkten nach Hause. Die Ähnlichkeit der Misere mit Portimao offenbarte, wo der Schuh bei Ferrari klemmt. Auf den Strecken, auf denen die Hauptlast auf dem Vorderreifen liegt, droht bei moderatem Wetter der Absturz. In beiden Fällen körnten die Vorderreifen.
Silverstone ist auch so eine Strecke. Und trotzdem startete Charles Leclerc vom vierten Platz und hätte den GP England um ein Haar gewonnen. Ihm fehlten nur noch drei Runden zu seinem dritten GP-Sieg. Teamchef Mattia Binotto führte das Wunder von Silverstone auf die gute Analysearbeit zurück, die das Team seit dem Fiasko von Paul Ricard geleistet hatte. "Wir sind trotz der knappen Niederlage happy, weil das Team die Schwachpunkte verstanden und richtig darauf reagiert hat. In den letzten drei Rennen hat unser Speed im Rennen gestimmt." Leclerc stimmte zu: "Zu 50 Prozent Frust kam 50 Prozent Freude. Ich hätte nie damit gerechnet, hier um den Sieg zu fahren."
Kein Opfer mehr in der Qualifikation
Schon bei den beiden Österreich-Rennen hatte Ferrari die Wende herbeigeführt. Es zeigte sich nur im Ergebnis nicht so deutlich, weil die Fahrer von weit hinten starteten und sich erst einmal freischwimmen mussten. Da war Lando Norris längst am Horizont verschwunden. "Beim zweiten Spielberg-Rennen waren wir ähnlich schnell wie Norris. Der Unterschied war nur, dass Lando frei fahren konnte und unsere Fahrer im Verkehr steckten", verglich Binotto.
Der Unterschied war aber auch, dass Charles Leclerc und Carlos Sainz im Training Positionen opferten, um im Rennen ein reifenschonendes Auto zu fahren. Das eine bedingte das andere. In Silverstone zeigte Leclerc schon in der Qualifikation und im Sprintrennen mit dem 4. Platz seine Krallen. Und für Sainz hätte es besser ausgesehen, wäre er im Sprint nach einer Kollision mit George Russell nicht auf den 10. Platz zurückgefallen. Im Rennen war bei Daniel Ricciardo Endstation. Sainz konnte deutlich schneller fahren, kam aber nicht vorbei. Das alte Lied: Es fehlte der Topspeed.
Das Problem mit den Token
Vorne an der Spitze traute man seinen Augen nicht, als Leclerc den Abstand zu Hamilton. itemprop="name" />Lewis Hamilton./span> mit scheinbarer Leichtigkeit kontrollierte. Obwohl er zwischenzeitlich über Motoraussetzer klagte, die via Fernwartung weitgehend gelöst wurden. "Er wusste auf jede meiner schnellen Runden eine Antwort", lobte Hamilton. Leclerc schwärmte: "Auf den Medium-Reifen ist das Auto geflogen. Mit den harten Reifen wurde es schwieriger, vor allem im Verkehr. Die Hinterachse war nicht mehr so stabil. Ich war absolut am Limit, aber die Zeiten von Lewis waren zu schnell für uns. Trotzdem habe ich noch an den Sieg geglaubt, bis er an mir vorbei war."
Leclerc zweifelt, dass mit der Galavorstellung alle Reifenprobleme vollständig gelöst sind. "Wir haben noch nicht alle Antworten und sind noch nicht voll über den Berg. Wenn wir mal alles verstanden haben, wird das ein großer Schritt für uns. Erst dann werden wir in der Lage sein, konstant diese Leistung zu bringen." In Silverstone half die Hitze mit. Die hohen Asphalttemperaturen und die schnellen Kurven machten es leichter, dass die Temperaturen auf der Lauffläche des Reifens und im Mantel nicht zu stark voneinander abwichen.
Bis zur vollständigen Lösung des Problems wird Leclerc bis 2022 warten müssen. In der Behebung der Reifenprobleme, die sich schon 2020 andeuteten, waren Ferrari Grenzen gesetzt. Wegen der Homologation konnten die Ingenieure nur an einer Stelle des Autos nachbessern. Man entschied sich aus aerodynamischen Gründen für das Heck. Zum besseren Management der Vorderreifen hätte Ferrari auch noch Änderungen an der Vorderachse und den Felgen gebraucht. Doch die Token waren bereits an anderer Stelle investiert.
17 Punkte mehr als letzte Saison
Trotz 26 Punkten holte Ferrari nur vier Zähler auf McLaren auf. Der britische Kontrahent hat immer noch ein Polster von 15 Punkten. Binotto versucht die Bedeutung des dritten Platzes herunterzuspielen und verweist lieber auf das große Bild. "Wir haben nach zehn Rennen 17 Punkte mehr auf dem Konto als letztes Jahr nach der gesamten Saison. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind."
Wie im Titelrennen wird es auch im Kampf um Platz 3 darauf ankommen, alle Chancen zu nutzen und Fehler zu vermeiden. In Silverstone hat Ferrari das Potenzial seines Autos besser genutzt als McLaren. In den Fehlern neutralisierte man sich. Beide Teams beklagten je einen schlechten Boxenstopp. Lando Norris verlor Platz 3 an Valtteri Bottas, Carlos Sainz Rang 5 an Ricciardo. Der Spanier hatte schon den Vorsprung zum Overcut, büßte aber 12,8 Sekunden beim Reifenwechsel ein. Ein Problem mit dem Schlagschraber links vorne, rapportierte Binotto.
Leclerc rettete am Ende Ferrari noch den zweiten Platz. Das Duell mit Hamilton in Copse Corner war eine Kopie des Zweikampfes mit Max Verstappen mit anderem Ausgang. Weil Leclerc seinem Gegner Platz zum Überleben ließ. "Ich wusste, dass Lewis neben mir war. Deshalb bin ich eine weitere Linie gefahren. Wäre ich nicht kurz quergestanden, wäre ich auch vorne geblieben." Hamilton leistete sich einen Seitenhieb auf Verstappen. "Im Duell mit Charles sind wir beide kurz vom Gas. Das zeigt, dass man auch ohne Unfall durch die Kurve kommt."