Alfa Romeo 147 2.0 TS Selespeed Test

So gut, wie er aussieht, möchte man dem Alfa 147 2.0 TS so manches verzeihen. Doch viel ist es nicht, was man dem attraktiven Neuling vorwerfen könnte. Der erste Test: Der Alfa hat das Zeug zum Volltreffer.
Angenommen, der Alfa 156 wäre die Claudia Schiffer unter den Autos der Mittelklasse, wer ist dann der Alfa 147? Britney Spears? Oder womöglich sogar Laetitia Casta? So viel zumindest ist sicher: Der Testwagen, einer der ersten 147 auf deutschen Straßen, brachte zwar nicht den Verkehr zum Erliegen. Aber er zog die Blicke auf sich wie Jenny Elvers im kleinen Schwarzen.
Auch unter den weiblichen Passanten übrigens, was kein Wunder ist. Der Wagen sieht exakt so aus, wie man sich den heißen Italiener vorstellt: vollblütig, cool, dazu ein Schuss mediterraner Romantik. Ganz klar: Optisch degradiert der Alfa seine Kontrahenten zu Pantoffelhelden.
Doch auch was die inneren Werte betrifft, sind Superlative am Platz. So verfügt das Auto in der getesteten Topversion namens 147 2.0 TS Selespeed über einen prachtvollen Zweilitermotor: ein Vierventiler mit Doppelzündung, zwei schwingungsmindernden Ausgleichswellen und 150 PS.
Dazu gibt es ein automatisiertes Fünfganggetriebe, das entweder ganz von allein schaltet (im City-Modus) oder über Tasten hinter den Lenkradspeichen betätigt werden kann – Schumimäßig wie bei Ferrari . Damit nicht genug, verfeinert Alfa das vom 156 abgeleitete Fahrwerk serienmäßig mit einem elektronischen Stabilitätsprogramm (VDC), dessen Antriebsschlupffunktion sich per Knopfdruck unterbinden lässt.
Es fehlt an nichts: Klimaautomatik, für rechts und links getrennt regelbar, 200-WattCD-Radio mit Soundsystem von Bose und Bedienung am Lenkrad, Tempomat, Seitenairbags vorn plus Windowbags und 16-Zoll-Leichtmetallräder.
Der Clou: Das Auto kostet 22.600 Euro. Wer Vergleichbares bei VW (Golf GTI) oder Audi (A3 1.8 T) einkauft, bezahlt mindestens 26.000 Euro und 28.000 Euro.
Auch der Blick in den Innenraum enttäuscht nicht. Alles wirkt aus einem Guss. Die Instrumente sind hübsch gruppiert, die Bedienung gibt wenig Rätsel auf, die Verarbeitung hinterlässt einen ordentlichen Eindruck. Geschmacksache dagegen: die stark genarbte Oberfläche des Armaturenbretts.
Beim Einsteigen wird sodann deutlich, dass sich die Insassen des 147 auf kleinem Raum versammeln müssen. Ungeachtet stattlicher Außenabmessungen (Länge 4,17 Meter) geht es im Fond fast coupéhaft eng zu. Erwachsenen möchte man den Aufenthalt auf diesen Plätzen höchstens kurzzeitig zumuten, zumal sich der Zugang trotz der beim Umklappen nach vorn gleitenden Vordersitze beschwerlich gestaltet. Eine viertürige Variante soll im Mai des nächsten Jahres folgen.
Am mangelnden Talent zur familientauglichen Reiselimousine wird sich freilich nichts ändern. Schließlich hapert es auch an Gepäckraum. Nur 280 Liter Volumen stehen für diesen Zweck zur Verfügung, bei dessen Bestückung es obendrein eine hohe Ladekante zu überwinden gilt. Immerhin braucht man nicht auf das Gewicht zu achten (Zuladung 468 kg), und das Ladevolumen lässt sich durch Umklappen der Rückbank auf 1030 Liter erhöhen.
Dem Reiz des 147 tut die Raumknappheit allerdings keinen Abbruch. Die Primärtugenden, die man von Alfa erwartet, sind andere. Gefragt ist, was das Fahren vergnüglich macht, und genau hier liegen denn auch die Stärken des 147.
Als Quell der Freude entpuppt sich einmal mehr der Motor. Wenn über das Gaspedal entsprechende Anweisungen erteilt werden, kommt er umgehend zur Sache, dreht mühelos hoch und zeigt selbst bei höchsten Drehzahlen keine vierzylindertypischen Vibrationen.
Dabei tönt er aufreizend, aber nicht laut, so dass jeder Zwischenspurt auch akustisch zum Vergnügen wird. Zwar vermögen die 150 PS keine überwältigenden Fahrleistungen zu entfachen- dazu ist der 147 mit 1302 kg schlicht zu schwer. Doch spiegeln die Beschleunigungswerte das Temperament dieses Vierzylinders nur unvollkommen wider. Etwas zu hoch ist der Verbrauch: 10,6 Liter pro 100 Kilometer.
Dagegen scheiden sich am Getriebe die Geister. Während das Herunterschalten meist zufrieden stellend gelingt, von der Schaltelektronik unterstützt durch herzhaftes Zwischengas, wird Hochschalten mit kräftigen Schaltrucken quittiert. Speziell im Teillastbereich gönnt sich das Selespeed-Getriebe dann ausgedehnte Pausen, was den Beschleunigungskomfort erheblich beeinträchtigt. An die schrägen Blicke der Passagiere ob der stümperhaften Fahrweise werden sich Selespeed-Piloten gewöhnen müssen. Da nützt es dann auch nichts, in den vollautomatischen City-Modus zu flüchten, denn das macht die Schaltvorgänge nur noch ruppiger. Keine Frage: Wer das Betätigen einer Kupplung nicht scheut und auf Formel 1-Gefühle beim Schalten verzichten kann, ist mit dem konventionellen Getriebe (ab Mai 2001) besser bedient.
Die sportliche Note, die dem 147 zweifellos anhaftet, unterstreichen die Qualitäten des Fahrwerks. Auffallend ist vor allem die ausgeprägte Agilität. Lenkbewegungen werden augenblicklich, präzise und frei von Antriebseinflüssen umgesetzt. Allerdings vermittelt die ungewöhnlich direkte und stark servounterstützte Lenkung nur mäßigen Fahrbahnkontakt, was den Spaß etwas beeinträchtigt.
Dafür gibt es am Kurvenverhalten nichts auszusetzen. Der Alfa überzeugt durch reichlich Grip und glänzt mit einem Eigenlenkverhalten, das über einen weiten Bereich neutral bleibt. Erst im Grenzbereich beginnt der Fronttriebler arttypisch zu untersteuern, wobei die VDC-Elektronik sanft, aber nachdrücklich den Kurs korrigiert. Für Sicherheit ist also gesorgt, zumal auch die Bremsen das ihre dazu beitragen.
Die Grenzen des Alfa-Fahrwerks zeigen sich vor allem bei forcierter Fahrt auf stark ondulierter Fahrbahn. Dann stößt die Federung schon mal krachend gegen die Anschläge, und selbst bei Geradeausfahrt kommt der Fahrer nicht umhin, Lenkkorrekturen vorzunehmen.
Entsprechend dürftig ist der Komfort. Aber auch sonst gehört diese Disziplin nicht zu den starken Seiten des 147, denn die vom 156 bekannte Neigung, beim Überfahren von Querwellen zu stuckern, konnte zwar gemildert, aber nicht ausgeräumt werden. Hinzu kommen Sitze, die einladend aussehen, deren Sitzflächen aber in ihrer prallen Nachgiebigkeit an Luftmatratzen erinnern.
Die Volltrefferqualitäten des Alfa freilich kann das alles nicht berühren. Denn mag es auch komfortablere Autos in der Kompaktklasse geben, geräumigere und schnellere: So attraktiv wie er ist derzeit keines von ihnen.