Porsche 718 Boxster im Test
Nach einigen Hundert Kilometern Ausfahrt diktiert der neue Porsche 718 Boxster mit 300 PS starkem Vierzylinder-Turbomotor viele Argumente in den Notizblock, die für ihn, aber auch einige, die gegen ihn sprechen.
Die breiten Tuner-Räder am silbernen Porsche Boxster, einem frühen 97er-Modell, wie sich bald herausstellt, stehen noch nicht still, da springt der Fahrer aufgeregt aus seinem Porsche. „Und? Wie ist der neue Vierzylinder so?“, will der enthusiastische, bereits leicht patinierte Herr beim Tankstopp wissen. Seinen Roadster würde er jedenfalls nicht mehr hergeben, obwohl der 2,5-Liter-Sechszylinder nun wahrlich kein Hochleistungstriebwerk sei.
Ja, solche und ähnliche Dialoge kommen oft vor, gerade dann, wenn Porsche mal wieder etwas umkrempelt, ganz gleich, bei welchem Modell. Und was haben sie gekrempelt beim Boxster, meine Güte, sogar mal eben eine neue Motorengeneration entwickelt. Ab sofort müssen vier Zylinder ausreichen, denn um die Flottenemissionen zu drücken, ziehen sich die Sechszylinder-Saugmotoren aufs Altenteil zurück. Auf der Prüfstandsrolle lieferten sie nur unbefriedigende Werte, Fahrspaß und Emotionen passen hier nicht ins Protokoll. Das neue Zweiliter-Turbotriebwerk im Basis-Boxster schlürft in Verbindung mit dem optionalen Doppelkupplungsgetriebe laut Hersteller nur 6,9 Liter auf 100 km, während es bereits bei 1.950/min eilig einen Drehmomentberg von 380 Nm aufgeschichtet hat. Im Vergleich mit dem Vorgänger bedeutet das: 0,7 Liter weniger, 100 Nm mehr.
Porsche 718 Boxster mit deutlich weniger Durst
Tatsächlich nähert sich der Testwagen auf der auto motor und sport-Verbrauchsrunde mit 6,8 l/100 km der Werksangabe an, im öffentlichen Straßenverkehr zwar, aber mit weitgehend spaßbefreiter Fahrweise. Dann rollt der Roadster unaufgeregt dahin, der Vierzylindermotor brummelt basslastig, ins Belanglose abdriftend vor sich hin, das Getriebe flüchtet sich früh in den siebten Gang.
Es dürfte sich sogar noch etwas mehr Gelassenheit leisten, denn selbst im Standard-Modus der Antriebseinheit (Sport, Sport Plus und Individual liegen nur ein bis zwei Klicks am kleinen Drehrad entfernt, das am Lenkrad hervorlugt) neigt das PDK dazu, hastig zwei Gänge zurückzuschalten, wenn sich der rechte Fuß nur ein wenig zu ruckartig bewegt. Dabei baut das mit maximal 1,4 bar aufgeladene Aggregat früh und überraschend verzögerungsarm Druck auf, beginnt, sich fix durch das breite Drehzahlband zu wühlen. Sitzt der Typ Gipfelstürmer hinterm Lenkrad auf den vielfach verstellbaren Sportsitzen, kann er den Direkteinspritzer bis 7.500 Umdrehungen ausmosten.
Drehzahlorgie gefällig?
Vor allem im Sport-Modus putscht einen der Antrieb dabei noch ein bisschen mehr auf, reagiert noch wacher auf Gaspedalbefehle, bevor er nach oben abhaut. Bei 2.000/min schwillt der Schub an, aber auch jenseits von 4.500/min ist keine Flaute absehbar, wenngleich im oberen Bereich die Leichtigkeit des alten 2,9-Liter-Saugers mit ihm jetzt wohl unter einer Palme an irgendeinem Südseestrand liegt. Andererseits: Im Vorgänger blieb stets das Gefühl, dass ihn unterhalb von 5.000 Umdrehungen vielleicht ein Polo TDI anschieben sollte. Die Leistungscharakteristik des Neuen dagegen: bestens. Mit den 1.431 Kilogramm des üppig ausgestatteten Porsche 718 Boxster diskutiert der Vierzylinder jedenfalls nicht lange herum, sondern schleudert sie in 4,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h, unterbietet so die Werksangabe um zwei Zehntel.
Zudem dampft die Leistung von 300 PS Überholvorgänge zur Bedeutungslosigkeit ein und ermöglicht beeindruckende Durchschnittsgeschwindigkeiten auf halbwegs leeren Autobahnen. Selbst jetzt lässt sich der aufgeladene Vierzylinder nicht zum Dosenstechen verleiten, benötigt offenbar keine exzessive Spritkühlung wie andere Downsizing-Triebwerke. So errechnet sich ein überschaubarer Testverbrauch von 9,7 l/100 km, die S-Variante des Vorgängers lag bei rund 12,0 Litern.
718 überzeugt mit saugerähnlichem Ansprechverhalten
Gasstoß, sofort drückt das Zweiliteraggregat wieder, weiter geht’ s. Weshalb der hoch aufgeladene Motor so fix reagiert? Kleiner Exkurs: Bei sportlicher Fahrweise bleibt das Bypassventil geschlossen, der Zündwinkel wird zurückgenommen und die Drosselklappe leicht geöffnet. So bleibt das aktuelle Antriebsmoment konstant, während Luftdurchsatz im Motor und Ladedruck steigen. Und wenn bei Volllast kurz gelupft werden muss, bleibt – wie beim 911 Carrera – die Drosselklappe geöffnet, nur die Einspritzung setzt aus, weshalb der Ladedruck nicht komplett absackt. Übrigens: Im Sport-Programm wirken Motor und Getriebe besonders harmonisch, hier wartet das PDK einen Moment länger, bevor es die letzte Welle einlegt, und reagiert bei ernsthafter Leistungsabfrage noch schneller, aufmerksamer.
Die adaptiven Dämpfer arbeiten dabei in der konservativeren der beiden Stufen, sodass das Fahrwerk die meisten Unebenheiten sensibel registriert und verarbeitet, selbst kleine, in kurzer Amplitude auftretende Wellen ordentlich wegsteckt. Erst auf stark verwitterten, mäßig geflickten Landstraßen vierter Ordnung kommen Fahrwerk und optionale 20-Zoll-Räder aus dem Tritt. Eine komplett neue Fahrwerksabstimmung ermöglicht den sehr guten Federungskomfort. So können die adaptiven Dämpfer auf Informationen aus einem erweiterten Sensorenpaket zurückgreifen, was wiederum eine feinere Kalibrierung ermöglicht – bei der ersten Boxster-Generation steckte das alles noch tief drinnen in der großen Glaskugel der Ingenieure.
Gesteigerte Fahrdynamik durch neue Fahrwerksabstimmung
Doch wie sollen die Götter der Fahrdynamik gnädig gestimmt werden? Nun, durch härtere Feder- und Stabilisatorenraten. Wie sich das anfühlt? Also: Saugt sich die glatt geföhnte Frontpartie an eine Kurve heran, folgt ein gefühlvoller Tritt aufs Pedal der beinahe giftig reagierenden Bremsanlage mit Scheiben aus Keramik-Verbundwerkstoff (wer bestellt die eigentlich bei einem Basis-Boxster?), jetzt einlenken. Die Lenkung ist nun um zehn Prozent direkter übersetzt, benötigt also etwas weniger Lenkwinkel, morst viele verwertbare Informationen in die Handflächen, filtert andererseits auf Langstrecken genug Einflüsse heraus, damit die Reise entspannt bleibt.
Jetzt klinkt sich der Zweisitzer in die Ideallinie ein, folgt ihr bei minimaler Seitenneigung maximal neutral. Steigt das Tempo zu früh, beginnen die Vorderräder zu wimmern. Steigt das Tempo weiter, will das Heck vorbeischauen. Wann das passiert? In einem Geschwindigkeitsbereich, der entweder auf der Rennstrecke oder in geistiger Umnachtung erreicht wird. Falls dabei die Fahrdynamikregelung im Modus zwischen An und Aus arbeitet: nicht über die beachtlichen Schwimmwinkel wundern, sondern die Möglichkeit zum Üben des Gegenlenkreflexes nutzen.
Ansonsten fährt der Porsche stoisch schnell, komprimiert, drückt seinen Fahrer wechselseitig links und rechts in die straffen Flanken der tief montierten Sitze. Dessen Laune steigt immer weiter, mit ebenso rasender Geschwindigkeit wie der Fahrzeugpreis. Allein wenn nur die fahrdynamisch- und komfortrelevanten Extras zum Grundpreis von 53.646 Euro addiert werden, kommen weitere 24.375 Euro hinzu – an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Das Resultat indes: Sowohl im Slalom als auch beim Ausweichtest erzielt der Basis-Boxster Tempi, die auf dem schwindelerregenden Niveau des allradgelenkten 911 Carrera S liegen.
Das größte Manko? Der undefinierbare Klang!
Ja, es porscht gewaltig im kleinen 718, der sich nun preislich über dem Cayman einsortiert und jetzt über einen neuen berührungsempfindlichen Monitor mit meist logischer Menüführung infotaint. Aber wer braucht schon Infotainment in einem Porsche, wenn auf dessen Mittelkonsole die Taste für den Klappenauspuff steckt?
Festhalten: alle, die 718 fahren wollen. Denn während bei geschlossener Klappe der Klang irgendwo zwischen dezent angerauter Bassgitarre und verhaltenem Donnern umherirrt, hört sich das Zweiliteraggregat bei geöffneter Klappe an wie … wie … tja, wie eigentlich? Irgendwie kaputt. Wie ein wütender VW Käfer im Stimmbruch. Oder so.
Der Versuch jedenfalls, ein zorniges Grollen zu erzeugen, wie es Subaru mit diversen Generationen Impreza WRX STI gelang, scheitert. Kläglich. Dabei soll die Klappenauspuffanlage den durch gezielte Asymmetrien im Abgaskrümmer und Hauptschalldämpfer erzeugten Klang gekonnt verstärken. Was sich bei längerem Hinhören verstärkt, ist jedoch der Drang, lieber einen Elfer haben zu wollen. Sehr bedauerlich, denn der 718 Boxster zählt selbst ohne S zu den berauschendsten Sportwagen überhaupt. Klingt aber wirklich schlimm – womit die Frage des Boxster-Fahrers an der Tankstelle hinreichend beantwortet sein sollte.