Die Entdeckung der Langsamkeit

Immer noch schneller, höher, stärker? Nein. Urlaub ist doch keine olympische Disziplin. Also einfach mal abschalten und losfahren ins Biosphärengebiet Schwäbische Alb. promobil hat 10 Touren-Tipps für einen erholsamen Urlaub.
Ständig erreichbar im Hochgeschwindigkeits-Handynetz, E-Mails, Twitter, Nachrichten-Ticker. Wann bleibt da noch Zeit zum Durchatmen? Jetzt – haben wir beschlossen und einfach unseren Teilintegrierten gesattelt mit Ziel Schwäbische Alb. Genau hier wollen wir uns Zeit nehmen und die Langsamkeit entdecken.
Tipp 1: Tropfstein- und Wasserhöhlen
Rund zehn Jahre braucht es, bis ein Tropfstein um einen Millimeter wächst. Das ist wirklich langsam. Kohlensäurehaltiges Wasser sickert durchs Erdreich, löst Kalk aus dem Gestein und lagert es unter Tage tröpfchenweise als Calcit wieder ab. Wir bibbern etwas, hier im Berg ist es mit neun Grad mindestens 25 Grad kälter als vorm Eingang der Charlottenhöhle bei Hürben – mit 587 Metern eine der längsten Schauhöhlen Süddeutschlands. Sie wurde 1893 entdeckt und nach der damaligen Königin Charlotte von Württemberg benannt. Garantiert ohne Handyempfang bestaunt man Ensembles an Stalaktiten und Stalagmiten wie das "Refektorium der Mönche", den "Königsthron" und den "Berggeist" in der Sihlerhalle.
Ein weiteres Highlight ist die Wimsener Friedrichshöhle in Hayingen. Immerhin ist sie die einzige befahrbare Wasserhöhle Deutschlands. Im flachen Kahn werden die Besucher von den kräftigen Armen des Höhlenguides 70 Meter weit in den Berg gezogen. Ein besonderes Erlebnis. Die ganze Gegend hier ist ohnehin einen Besuch wert: der Spaziergang entlang der Zwiefalter Ach ebenso wie die anschließende Einkehr im historischen Gasthof Friedrichshöhle.
Tipp 2: Wanderungen mit Fossilien und Wasserfällen
Das bizarr verwitterte Juragestein bezeugt die geologische Besonderheit der Region zwischen Stuttgart und dem Bodensee. Die Schwäbische Alb lag vor rund 200 Millionen Jahren am Grund eines Meeres, das Europa fast ganz bedeckte. Beeindruckende Belege dafür sind die unzähligen Meeresfossilien, die man mit Glück sogar als Wanderer am Wegesrand findet. Ausgedehnte Wacholderheiden und der weitverbreitete Dornstrauch verfestigen den herben Landschaftscharakter. Teile der Schwäbischen Alb wurden 2008 vom Land Baden-Württemberg als Biosphärengebiet ausgewiesen. Wenig später folgte die internationale Anerkennung vonseiten der Unesco.
Vom Stadtrand in Bad Urach führt zudem ein schöner Weg am plätschernden Brühlbach entlang zum Uracher Wasserfall, der von dichtem Grün umrahmt ein eindrucksvolles Naturschauspiel bietet.
Ambitionierten Wanderern stehen darüber hinaus in der gesamten Region der Schwäbische Alb zwölf Wanderwege mit Qualitätssiegel zur Verfügung – darunter der Albsteig (HW1) und die sieben Traufgänge rund um Albstadt. Die Premiumwege heben sich besonders durch ihre Naturbelassenheit hervor; dazu überraschen sie immer wieder mit neuen, spektakulären Ausblicken und bedeutsamen Sehenswürdigkeiten.
Tipp 3: Schneckenzucht in Münsingen-Rietheim
Beim Thema "Schneckenverzehr" scheiden sich die Geister. Zustimmung und Abneigung treffen hier hart aufeinander. Alb-Guide und Biosphärenbotschafterin Rita Goller aus Münsingen-Rietheim sieht das gelassen, denn ihre Weinbergschnecken, die sie naturnah und mit Sorgfalt züchtet, finden reißenden Absatz. Fachkundig und ohne Hektik informiert sie Besucher über ihre Arbeit in ihrem nach historischem Vorbild angelegten Schneckengarten, zeigt die winzigen Einjährigen und kitzelt die ausgewachsenen Dreijährigen mit einem Grashalm aus ihrem Häuschen. Jahrhundertelang waren die schleimigen Zeitgenossen der Exportschlager der Region, und wer mag, kann ab Mitte November die delikaten Kriecher direkt aus Ritas Garten kaufen.
Unter den Stammkunden sind nicht wenige Reisemobilisten, die immer wieder zu einer Tour auf die Albhochfläche aufbrechen, verzaubert vom rauen Charme, der diese einzigartige Mittelgebirgslandschaft prägt. Weitere Infos: https://albschneckler.de/startseite/
Tipp 4: Die Brezelstadt Bad Urach
Wir verlassen Münsingen und rollen weiter in Richtung Bad Urach. Die einen bezeichnen das schmucke Städtchen ein wenig spöttelnd als "Schwäbisches Hollywood". So wurden zum Beispiel viele Szenen der Mundart-Fernsehserie "Laible und Frisch", die im Bäckermilieu spielt, auf dem Uracher Marktplatz mit seinen prächtigen Fachwerkhäusern gedreht. Die anderen nennen sie Brezelstadt, da in Urach angeblich die in Süddeutschland so geschätzte Laugenbrezel erfunden wurde.
Bei Graf Eberhard im Barte war Hofbäcker Frieder durch üble Nachrede in Ungnade gefallen, so weiß die Legende zu berichten. Der Herrscher zeigte jedoch Großmut und gab Frieder eine zweite Chance. Er sollte begnadigt werden, falls er ein Backwerk schaffen könne, "durch das dreimal die Sonne scheint". Dem schlauen Mann gelang dieses Kunststück, indem er die Brezel in der heute bekannten Form aus geschlungenem Teig erfand.
In Bad Urach übrigens liegt auf 510 Meter Meereshöhe der höchste deutsche Weinberg. Wer Weinbergschnecken nichts abgewinnen kann, wird vielleicht mit Familie Bächners charaktervollem Silvaner, Kerner oder Spätburgunder echte Hoch-Gefühle erleben.
Tipp 5: Die Outlet-Stadt Metzingen
Moderne Akzente setzt indes die Stadt Metzingen, wo in den 1970er Jahren das Outlet-Shopping erfunden wurde. Heute finden Schnäppchenjäger – man beziffert ihre Zahl auf drei Millionen jährlich – Outlets von über 50 internationalen Modemarken vor. Gleichwohl konnte Metzingen sein typisches Kleinstadt-Flair bewahren. Bestes Beispiel: das winzige Marzipan-Atelier von Dorte Schetter, wo Pralinen in kunstvoller Handarbeit entstehen. Wir beschließen den Tag in einem Weinlokal am Metzinger Kelternplatz.
Tipp 6: Schloss Liechtenstein und Rokoko-Münster
Aussichtspunkt und Wahrzeichen der Schwäbischen Alb in einem ist das auf einem Felsen über Honau und dem Echaztal thronende Schloss Lichtenstein. Bauherr war 1842 Graf Wilhelm, der sich von Wilhelm Hauffs Bestseller-Roman "Lichtenstein" inspirieren ließ. Mit Zugbrücke, Verlies und umfangreicher Waffensammlung spiegelt der Prachtbau perfekt das vor, was er nie war: eine Ritterburg.
Etwa 100 Jahre zuvor begann der Bau der doppeltürmigen Pfarr- und Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau in Zwiefalten. Das Münster ist eine überwältigende Meisterleistung süddeutscher Rokoko-Kunst. Chorgestühl und Deckenfresken zählen zu den Ausstattungshöhepunkten.
Tipp 7: Das Steiff-Museum
Beständigkeit und Tradition gleichermaßen sind im Steiff-Museum, fast mitten in Giengen an der Brenz gelegen, bald an jedem der kuscheligen Pelzträger zu erstreicheln: Seit über 100 Jahren kommt das Fell der Steiff-Originale vom selben Lieferanten. Über Jahrzehnte soll der Mohairplüsch, hergestellt aus dem langgewachsenen Haarfell der Angora-Ziege, gleichermaßen Farbe, Glanz und Griffigkeit behalten. Wer seinen alten Teddy noch aufbewahrt hat, weiß, wovon die Rede ist. Im Ausstellungsbereich des Museums sind jede Menge seltener Stücke aus der über 130-jährigen Steiff-Historie zu sehen, die Schaufertigung zeigt deren Entstehung, und in der Erlebniswelt begleiten große wie kleine Besucher die Steiffbären Frieda und Knopf auf der Suche nach 3000 verschollenen Teddys. Weitere Infos: https://www.steiff.com/de-de/fascination-steiff/the-museum
Tipp 8: Kugelmühle in Neidlingen
Allerhand Geduld muss auch Stefan Metzler bei seiner Leidenschaft mitbringen. Er betreibt eine der weltweit letzten Kugelmühlen. 25 Produktionsschritte sind nötig, bis aus einem rohen Gesteinsbrocken eine perfekt glänzende, facettenreich schimmernde Kugel entstanden ist. Die Rohlinge kreisen dabei fast einen ganzen Tag lang in den holzbeflügelten Drehmühlen im Neidlinger Dorfbach entlang der Gießenstraße. Ein paar Meter bachaufwärts liegt seine Werkstatt. Sonntags ist die zur Besichtigung und zum Verkauf der Steinmurmeln geöffnet, und Metzler erläutert, wie aus einheimischem Jura-Marmor per Wasserkraft langsam Kugeln und Murmeln höchster Präzision entstehen. Weitere Infos: http://www.kugelmuehle-neidlingen.de/
Tipp 9: Feine Bierkultur
Traditionelle Braukunst ist eine Herzensangelegenheit von Ulrich Zimmermann, Chef der Berg Brauerei in Ehingen-Berg. Die Anfänge des kleinen Unternehmens reichen bis in das 15. Jahrhundert zurück, seit 1757 ist es im Besitz seiner Familie. Zum klassischen Brauen gehört, dass ausschließlich Zutaten aus der Region verwendet werden. Infos zu Brauseminaren und Führungen unter www.bergbier.de
An Ulm vorbei in der beschaulichen Gemeinde Zwiefaltendorf erwartet uns als Geheimtipp der Brauereigasthof Blank. Der einzige, so hat man uns gesagt, mit eigener Höhle. Aber auch über der Erde ticken die Uhren im Gasthof Blank anders. Die Einrichtung: Stil schwäbisches Wirtshaus. Die Biere: vier hausgebraute Sorten – von denen wir besonders das unfiltrierte, naturtrübe Spezial Dunkel schätzen. Die Karte: klassisch von Maultaschen bis Bachforelle. Die beiden reizenden alten Damen bei uns am Tisch sind extra wegen des "G’röschts" angereist, eines alten Riedlinger Marktgerichts aus Innereien mit Leber, Nieren und Kutteln. Später besichtigen wir in kleiner Gruppe die mit knapp 20 Meter Länge kleinste deutsche Schauhöhle, die Großvater Blank beim Versuch, den Bierkeller zu erweitern, 1892 entdeckt hatte. Weitere Informationen: http://www.brauerei-blank.de/
Tipp 10: Schwäbischer Whisky
Ordentlich Zeit bringt Immanuel Gruel mit. Bis seine Leidenschaft perfekt ist, kann es locker zehn Jahre und mehr dauern. Gruel lebt in Owen, einem Örtchen unterhalb der Teck, und er ist Whiskybrenner aus Leidenschaft. Interessanterweise ist er nicht der einzige im Ort, weshalb Owen (sprich: "Auwa") als Städtchen mit den meisten Whisky-Destillen außerhalb Schottlands gilt. Respekt. Seit 1989 produziert man hier schwäbischen Whisky – den Tecker. Dieser Grain Whisky wird aus biologisch angebautem Weizen- und Gerstenmalz, auf eigenem Acker geerntet, hergestellt; der Ausbau im Bourbon-Fass verleiht ihm eine elegante Vanillenote. Abends im Mobil lassen wir bei einem Gläschen Hochprozentigem die Eindrücke der vergangenen Tage Revue passieren. Eine Übersicht über die Produkte gibt es auf: http://tecker-whisky.com/