Nord- oder Ostsee?

Dänemark gehört zu unseren Lieblingsurlaubsländern. Es ist schnell zu erreichen und bietet viel – für Familien, für SportlerInnen, aber auch für Ruhesuchende wie uns. Obwohl das Land so klein erscheint, überrascht es immer wieder mit seiner Vielfalt.
Nachdem wir seit vielen Jahren regelmäßig an der dänischen Westküste, also an der Nordsee unterwegs waren, ist es endlich an der Zeit, der Ostsee mit ihrem milden Wetter eine Chance zu geben. Im Frühjahr klingt das vielversprechend, und umso gespannter sind wir auf die Ostseestrände.
Hier scheiden sich nämlich die Geister – die einen finden es genial, direkt am Strand zu sein, ohne lange durch Sandberge zu wandern, andere finden, dass gerade die endlosen Dünen Dänemark ausmachen. Wir glauben, eher zu Letzteren zu zählen und dass der raue Wind uns fehlen könnte. Ob wir Recht behalten würden?
Voller Vorfreude auf (von uns) noch unentdeckte Orte fahren wir Mitte Mai los mit Kurs auf die Ostküste Jyllands (deutsch: Jütland). Und wie es immer so ist, wenn man dänischen Boden erreicht hat – Stress und Sorgen bleiben hinter der Grenze zurück. Das liegt nicht zuletzt an der entspannten Fahrweise der Dänen. Dort gibt es keine waghalsigen Überholmanöver und Drängelei, die DänInnen haben Zeit.
Wir sehen uns auch lieber die überraschend blumige Vielfalt um uns herum an: leuchtend gelber Ginster, lila Flieder, gelbe Rapsfelder, Hortensien und Goldregen. Doch am schönsten sind die großen Lupinen. Bisher besuchten wir Dänemark früher oder später im Jahr, umso mehr genießen wir das bunte Treiben der Natur. Im Mai blüht hier praktisch alles, was in Deutschland zu dieser Zeit schon verblüht ist. So verlängern wir den Frühling, unsere liebste Jahreszeit.
Dänemark, wir kommen!
Den ersten Stopp legen wir in der Nähe von Kolding an einem abgelegenen Parkplatz ein, wo wir nur einige Angler antreffen. Das Wasser ist so unglaublich ruhig – als wären wir an einem schier endlosen See. Das hat auch gleich eine absolut beruhigende Wirkung, als wir am Strand sitzen und in die Weite schauen, bis die Sonne farbenprächtig hinter dem Horizont versinkt.
Am nächsten Tag brechen wir auf nach Fyn (Fünen), Dänemarks drittgrößter Insel. Man erreicht sie über eine Hängebrücke. Fyn wird gerne als Garten Dänemarks beschrieben. Wir entscheiden uns für kleine, kurvige Straßen über die Insel. Links und rechts Wald und Felder, so weit das Auge reicht. Immer wieder erhaschen wir einen Blick aufs Meer. Drei Tage bleiben wir im Norden der Insel und wollen uns den südlichen Teil für den Rückweg aufheben. Schließlich warten weitere Inseln.
Die eindrucksvolle Brücke über den Storebælt bringt uns nach Sjælland (Seeland). Auf der größten Insel des Landes leben rund 40 Prozent der DänInnen, dementsprechend ist es hier etwas voller. Die Hauptstadt Kopenhagen lassen wir aus – wir suchen die Nähe der Natur. So fahren wir von Dorf zu Dorf, von Strand zu Strand und lassen uns treiben. Die Strände auf Sjælland sind sehr naturbelassen und bestehen häufig aus kleineren oder größeren Steinen, was lange Spaziergänge etwas schwieriger macht, wenn man damit beschäftigt ist, nicht zu stolpern.
Dafür können wir einfach stundenlang am Meer sitzen und kilometerweit schauen, das wirkt auf den Körper wie Meditation. Außerdem wird es von Tag zu Tag wärmer, sodass wir – eigentlich recht untypisch für uns – ganze fünf Tage an einem Platz verweilen und faulenzen, lesen und in der frischen Ostsee baden. Bis die nächste Insel ruft.
Møn, Wow einfach nur WOW!
Eine der faszinierendsten Naturlandschaften Dänemarks sind die sechs Kilometer langen Kreidefelsen der Insel Møn. Oberhalb der Klippen führen Wanderwege durch die Wälder, und immer wieder erblicken wir durch die Bäume die leuchtend weißen Felsen und das funkelnde blau-türkise Wasser darunter. Eine gewundene Holztreppe führt hinunter zu dem steinigen Strand – mit 497 Stufen die längste Treppe Dänemarks. Das werden wir aber erst beim Aufstieg so richtig merken.
Beim Abstieg werden wir durch den märchenhaften Wald rundherum von der Anstrengung abgelenkt. Die Sonne blitzt golden durch die Dächer von über 400 Jahre alten majestätischen Buchen. Unten angekommen haben wir Glück, denn das Meer ist gerade auf dem Rückzug. Wegen der Gezeiten kann man einige Strandabschnitte nicht immer bewandern. Auf der Suche nach Fossilien, die man hier laut der Broschüre zuhauf findet, schlendern wir unter diesen bis zu 128 Meter hohen weißen Klippen entlang und genießen die Aussicht – wenn wir nicht gerade hoch konzentriert auf den Boden schauen.
Auf Møn gibt es noch viel mehr Sehenswertes; hier findet man die ältesten Hügelgräber der Wikinger. Insgesamt 119 Stück, von denen 39 noch erhalten sind und besichtigt werden können. Diese liegen alle recht nah beieinander und können super mit einer Radtour verbunden werden.
Für uns geht es dann von Møn über Falster nach Lolland und von dort mit der Fähre nach Langeland. Langeland gefällt uns ganz besonders: Alle paar Kilometer steht ein Bauernhof in den Feldern, die Sonne lacht, und wir haben einen kompletten Strand ganz für uns allein, an dem wir wieder gleich mehrere Tage verweilen und es uns gutgehen lassen.
Zurück auf dem Festland legen wir einen Stopp bei Århus ein. Wir haben im Internet ein geniales Luftbild von "Den Uendelige Bro" (Die Endlose Brücke) gesehen, welches wir unbedingt genau so fotografieren wollen. Leider lässt das Wetter zu wünschen übrig, sodass wir – in der Hoffnung auf den nächsten Tag – über Nacht hier bleiben. Der nächste Morgen bringt aber keine Besserung. Glücklicherweise können wir trotz heftigem Wind die Drohne in einer kurzen Regenpause starten lassen – für ein gutes Bild warten wir auch gerne mal zwei Stunden –, sodass wir wenigstens das eine Foto im Kasten haben. Die SurferInnen vor Ort haben allerdings ihren Spaß bei dem Wind.
Wir beschließen, das schlechte Wetter zu nutzen, um wieder eine längere Strecke zu fahren: 230 Kilometer bis Skagen. Nach gut zwei Wochen an der Ostseeküste fehlen uns doch die wilden Dünen und endlosen Sandstrände. Die Fahrt geht wie im Flug vorbei – wunderschöne Landstraßen ziehen sich bis in den Norden. Mit gemütlichen 70 km/h und ohne Gedränge geht es an die nördliche Spitze Dänemarks.
Ostsee trifft Nordsee
Bei Skagen treffen Ostsee und Nordsee aufeinander. Am Parkplatz angekommen – an dem man übrigens auch gegen Gebühr mit dem Wohnmobil übernachten darf –, schnappen wir uns voller Vorfreude Hund, Kamera und Drohne und laufen fast schon im Galopp Richtung Strand. Als wir die lange Sandbank erblicken, ist es fast wie nach Hause kommen.
Auf der Landspitze Grenen wandern wir einen wirklich malerischen Strand entlang und sehen dann an der Spitze die Wellen von Skagerrak und Kattegat aufeinanderprallen, was die DänInnen übrigens "kabbelige See" nennen und beeindruckend anzusehen ist. Jedes Jahr wächst Dänemarks nördlicher Zipfel durch die Strömung der Westküste um gut zehn Meter.
Wir stehen ganz vorne am Wasser und warten auf das richtige Licht zum Fotografieren, da entdecken wir in einiger Entfernung einen dunklen Kopf mit großen runden Augen vorsichtig aus dem Wasser lugen. Er taucht in etwas weiterer Entfernung wie ein U-Boot immer mal wieder auf und beobachtet uns genauso neugierig wie wir ihn.
Die Sonne bricht durch die Wolken und schickt wunderschöne Lichtstrahlen Richtung Erde; kein Wunder, dass sich hier früher viele MalerInnen niedergelassen haben. Schon wieder sind wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Was für ein perfekter Tag. Endlich wieder Wind in den Haaren, Sand zwischen den Zehen, wundervolles Licht und zu guter Letzt zwei supersüße Robben, die vor der Kamera turteln, was könnte schöner sein?
Hier im Norden gibt es noch mehr zu sehen; zum Beispiel die versandete Kirche aus dem 14. Jahrhundert oder Råbjerg Mile – Nordeuropas größte Sanddüne, die sich jedes Jahr um 15 bis 20 Meter bewegt. Eine spannende Greifvogel-Show in Bindslev können wir ebenfalls empfehlen. Nach zwei perfekten Tagen hangeln wir uns von einem Lieblingsstrand zum nächsten.
Es geht von Hirtshals zum Rubjerg Knude Fyr – dem wohl schönsten Leuchtturm in ganz Dänemark und dem Wahrzeichen Jyllands, der 2019 in einer aufwendigen Aktion einige Meter versetzt wurde, um ihn vor der Erosion zu retten. Bei einem Besuch solltet ihr übrigens unbedingt im nahen Lønstrup eine Waffel mit Softeis essen, es gibt nirgendwo besseres.
Die Fahrt zum Autostrand in Løkken lohnt sich auch. Man darf hier zwar nicht übernachten, aber kann wunderbar den Tag am Strand verbringen, im Wohnmobil kochen, sich kurz umziehen und – was für uns natürlich ausschlaggebend war – geniale Fotos vom Wohnmobil am Strand machen.
Über Hanstholm fahren wir durch den Nationalpark Thy von Thyborøn nach Thorsminde. In Hvide Sande verbringen wir gleich mehrere Tage. Unsere letzte Station ist die südlichste Wattenmeerinsel Rømø, wo wir in der Kirkeby Plantage wandern und das neun Kilometer lange Strandufer zwischen Lakolk und Sønderstrand erkunden, bevor es Richtung Heimat geht. Nord- oder Ostsee? Zum Glück sind die Geschmäcker so unterschiedlich, wie es die Natur in Dänemark ist.