Ferrari California
Ferrari hat für die Fertigung des California die völlig neu gestaltete Fabrik in Maranello um eine Halle mit supermodernen Montagestraßen erweitert. sportauto-online.de zeigt, wie der rassige Achtzylinder-Sportwagen dort in Handarbeit entsteht.
Neben den beiden Zwölfzylinder-Familien 599 GTB Fiorano und 612 Scaglietti sowie der V8-Mittelmotor-Reihe F430 stellt der neue California eine zusätzliche Baureihe im Ferrari-Portfolio dar. Er ist ein V8-Sportwagen mit Klappdach, der sich von den rassigen F430-Typen auch durch ein eigenständiges technisches Konzept mit Frontmotor und Transaxle-Bauweise unterscheidet. Nicht nur diese Differenzen rechtfertigen eine eigene Montagelinie für ihn, sondern auch die deutlich höheren Produktionszahlen, die Ferrari mit der Einführung des California anstrebt: Der Jahresausstoß soll zunächst von rund 6.400 Einheiten auf etwa 8.500 Exemplare wachsen.
Fertigungsstraßen für jedes Modell
Grund genug, mitten im modernen Firmen-Areal eine neue doppelstöckige Halle mit der Grundfläche eines Fußballfeldes hochzuziehen. Dort sollen künftig alle Ferrari-Sportwagen montiert werden: die V8-Autos im Erdgeschoss, die V12-Modelle im ersten Stock, jede Baureihe erhält eine eigene Produktionslinie. Auch limitierte Super-Sportwagen, wie etwa der Nachfolger des Enzo Ferrari, werden dort künftig von einer kleinen Fertigungsstrasse rollen. Den Anfang machte der California anlässlich der Einweihung am 26. August 2008, die Produktion der anderen Ferrari startet in der neuen Halle erst nach dem jeweils nächsten Modellwechsel. Somit wird ein sukzessiver, langsamer Anlauf auf den völlig neu konzipierten Fertigungslinien sichergestellt.
Das Montageband bewegt sich im 23-Minuten-Takt
Die Montagelinie für den California zieht sich wie die Umrandung eines langgezogen U durch die helle, klimatisierte Halle, deren Boden wie frisch poliertes Parkett die Lichtquellen reflektiert. Hier ist es so sauber, dass man auch von jedem Regal oder Werkstattwagen essen kann. Die Hauptlinie ist in 50 Arbeitsstationen unterteilt, dazu kommen kleinere, separate Fertigungsstrassen mit sechs bis acht Stationen für die Herstellung von Türen, Cockpit und die gesamte Antriebseinheit samt Vorder- und Hinterachse. Das Montageband, das die Karosserien in Bodennähe auf mobilen Plattformen transportiert und später mit Hilfe von Greifarmen und Käfigen durch die Halle schweben lässt, bewegt sich derzeit im 23-Minuten-Takt. Über den aktuellen Zeitstand informieren gut einsehbare, große Anzeigentafeln.
Auf Station eins der Montagelinie positioniert der riesige Greifer eine lackierte California-Karosserie ohne Dach. Ihren Aluminium-Rahmen hat der kanadische Alu-Konzern Alcoa in einer neuen Fabrik in Modena gebaut und an das benachbarte Ferrari-Werk Scaglietti geliefert, in dem die Aluminiumbleche der Karosserie mit dem Space frame vernietet und verschweißt wurden. Nächste Station war die neue Lackiererei in Maranello. Dort wurde die Karosse wie von Geisterhand automatisch durch Tauchbäder gezogen und durch mit Robotern bestückte Lackierkabinen geschoben, bevor sie im Plastikmäntelchen den kurzen Weg zur Montagehalle antrat.
100 Kilometer-Testfahrt für jeden California
Jetzt durchläuft sie in knapp drei Tagen alle 50 Stationen der Montagelinie, wird von den Greifern in jede Höhe gehievt und jede Position gedreht, die den Monteuren das Hantieren erleichtert. Vincenzo Regazzoni, verantwortlich für die neuen Fertigungsprozesse bei Ferrari, betont: „Wir wollen weiterhin Autos in Handarbeit und nicht mit Robotern bauen. Die Automation perfektionieren wir vor allem deshalb, um unseren Monteuren bessere Arbeitsbedingungen zu bieten. Körperlich anstrengende Tätigkeiten, etwa das Einsetzen großer und schwerer Teile wie Frontscheibe oder Türen, übernehmen ausschließlich Maschinen.“ Transporte erfolgen meist vollautomatisch, wie zum Beispiel auch die Anlieferung der vormontierten Antriebseinheit. Sie ruht auf einem großen Wagen, der – von Induktionsschleifen im Boden gesteuert – selbständig mit lautem Piepsen und grellem Blinken durch die Halle zur so genannten Hochzeits-Station gleitet, wo der Einbau in die Karosserie stattfindet. Kleinere Teile kommen fein säuberlich in Schubladen einsortiert in kompakten Rollcontainern zu den einzelnen Arbeitsplätzen. Dafür sorgt ein nahe Maranello beheimatetes Logistic-Unternehmen, das auch die just-in-time-Bereitstellung großer Zulieferer-Komponenten steuert. Dazu gehören beispielsweise das komplett von der italienischen Webasto-Tochter in Turin gefertigte Klappdach oder das vom schwäbischen Unternehmen Getrag in Neuenstein gefertigte Doppelkupplungs-Siebenganggetriebe.
Der fertig gebaute California verlässt mit eigener Kraft die Montagehalle zu einer ausgiebigen Testfahrt in die nahe gelegenen Berge und auf die Autostrada. Die kann rund 100 Kilometer weit führen und bis zu zwei Stunden dauern, schließlich muss der Testfahrer eine lange Liste an Prüfpunkten abarbeiten, kleinste Unstimmigkeiten penibel notieren und gegebenenfalls letzte Einstellungen vornehmen. Nach der Rückkehr ins Werk werden eventuell festgestellte Mängel beseitigt, möglicherweise geht der California auch nochmals auf Testfahrt, um sicher zu stellen, dass der Kunde ein perfekt funktionierendes Auto erhält.
Formula uomo
In den letzten zehn Jahren der 60jährigen Firmen-Geschichte hat das Management um Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo die Fabrik in Maranello runderneuert. Mit Ausnahme der historischen Gebäude nahe der alten Fabrik-Pforte und des würfelförmigen Verwaltungshauses blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Dabei stand das Motto formula uomo – Formel Mensch – stets im Mittelpunkt, erkennbar auch an den in allen Produktionsstätten eingebetteten, mit großen Pflanzen begrünten Inseln. Sie sollen dazu beitragen, ein angenehmes, die Ruhe und Kreativität förderndes Arbeitsklima zu schaffen.
Die Phase der Erneuerung begann 1997 mit dem Bau des Windkanals, der nicht nur von der gestione sportiva fleißig genutzt wird, sondern auch von der Entwicklungsabteilung. 2001 bezogen die für mechanische Fertigung zuständigen Abteilungen ein modernes Gebäude, in dem hochflexible Maschinen Motorblöcke, Zylinderköpfe, Gehäusedeckel, Ölwannen und weitere Aluminiumteile für die Acht- und Zwölfzylinder mit Bohrern und Fräsern bearbeiten. Hier wird ebenso im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet wie in der Gießerei, aus der all die Rohlinge für die Leichtmetall-Triebwerke stammen. Das großzügig verglaste Entwicklungszentrum sowie die moderne Lackiererei kamen drei Jahre später hinzu. 2008 schlossen die neue Montage-Halle und die in einem futuristischen Gebäude untergebrachte Kantine als letzte Schritte die Erneuerung vorläufig ab. Das Ergebnis ist eine hochmoderne, attraktive Fabrik, die es funktional und optisch sehr gut mit ihren hochkarätigen Produkten aufnehmen kann.