BMW M Roadster

Er ist höflich, kultiviert – und marschiert hemmungslos: Zwei Seiten einer Medaille formen einen faszinierenden Sport-Zweisitzer. Der zwischen 1997 und 2002 gebaute BMW M Roadster bietet großes Kino zu schlanken Preisen
Machen wir es doch wie der M Roadster selbst. Lassen wir langes Vorgeplänkel sein, kommen wir gleich zur Sache: Dach runter und forsch voran. Sehnige 321 PS schaufelt der 3,2-Liter-Reihensechszylinder in einer breitbandigen unaufhörlichen Kraftentladung bis hinauf zur 7.400/min-Marke an die Hinterachse – damit sind wir ganz tief im echten Sportwagen-Terrain.
Der Roadster mit den zwei Gesichtern
Auch wenn das Auto – gemessen an der beinahe zierlichen Silhouette – erstaunliche 1.410 Kilogramm wiegt, steht immer ein so wuchtiger Vortrieb zur Verfügung, dass kein Insasse an der wahren Bestimmung des M Roadsters zweifeln mag: pure Fahrlust erzeugen. Eingeweide verschieben. Fliehkräfte-Massage. Nackenhaare aufstellen und entfesselt voranpreschen. Ein wahrer Sportwagen eben. Und jetzt kommt das große Aber: Ein M Roadster hat zwei Gesichter.
Die konsequent sportliche Seite, das Feurige, Gierige liefert der M-Zweisitzer erst bei hohen Drehzahlen. „Da gehört das auch hin“ , rufen jetzt die Sportfahrer, „ein Sportmotor muss drehen!“. Sehen wir natürlich genauso, aber eine kleine Warnung kann angebracht sein: Wer auf der Suche nach Fahrleistungsdonner ab Standgas ist, könnte vom M Roadster etwas enttäuscht sein. Der Wagen will beißen, nicht ziehen. Zum Flanieren (jetzt mal ganz ehrlich: Sollte dieses Wort in einer Zeitschrift mit dem Titel „sport auto“ überhaupt vorkommen...?) taugt der BMW M Roadster zwar auch, er wirkt dabei aber sehr kultiviert und zurückhaltend. Das ist keineswegs ein böser Kettenhund, der einen zähnefletschend an rasselnder Kette über den Sunset Strip zerrt, sondern ein sinnlicher Gentleman.
Es ist die extrem vibrationsarme Laufkultur seines Reihensechszylinders, die den BMW-Zweisitzer so zurückhaltend wirken lässt, seine lineare Leistungsentfaltung und der fein komponierte Auspuffsound. Im Vergleich zum kernigen Angriffsrumpeln einer sportlichen V8-Maschine beginnt der M-Inline-Six unter Last heiser zu singen, er faucht mit harzigem Timbre. Ganz tief im Drehzahlkeller orgelt er dumpf los, befreit sich dann zunehmend zu warmem Bellen und schnappt erst obenraus unter dezent blechernem Trompeten so richtig zu.
Der Adrenalin-Kick kommt ab 6.000 Touren
In dieser Hinsicht ist der 3,2-Liter – wie auch der leistungsstärkere Nachfolger im M Roadster ab 2000 – seinen zahmeren Großserienbrüdern ähnlich: viel Kultur, viel Eleganz, aber wenig Brutalität im Umgang. Nur dass der M-Motor eben alles auf höherem Niveau rüberreicht. Wenn er beim Anfahren loslegt, dann mit Autorität. Die Drehzahlmitte ist herrlich füllig, und beim Ausdrehen brennt die Luft.
Die Extraladung Ekstase kommt mit freundlicher Empfehlung der M-GmbH dann ab 6.000/min rüber. Hier legt der Reihensechser, ungeniert bis zum Drehzahlbegrenzer schnellend, noch einmal den gewissen Adrenalin-Kick nach. Die vorüberpeitschende Umwelt wird zum dünnflüssigen Zeitrafferbild, die Nackenmuskeln sagen „Aaahh“ und der ängstliche Beifahrer „Oohh“.
Ganz nebenbei: Wer sich in Ignoranz eines solchen motorischen Schmuckstücks (und auch notorischer Schaltfaulheit wegen) einen Kompressor- oder V8-Sportler zugelegt hat, dürfte hier längst hochgeschaltet und damit die eigentliche Pointe sportlichen Autofahrens verpasst haben.
Die tatsächlichen Fahrleistungswerte des M Roadster liegen selbst im nur wenig die Augen öffnenden „Kultur-Modus“ noch jenseits von Gut und Böse. So vermerkt beispielsweise der sport auto-Supertest in Ausgabe 9/1997: „Die Durchzugskraft erscheint wegen der völlig gleichmäßigen Leistungsentfaltung auch nicht dazu angetan, die erwartungsvolle Besatzung zu erschrecken – obwohl die effektiven Leistungsdaten keinen Anlass bieten, in Frust zu verfallen.“
Was das heißt? Ganz einfach: Beschleunigung aus dem Stand auf Tempo 200 in nur 19,2 Sekunden – der Porsche 911 Cabrio, die Supertest-Referenz von 1997, war in dieser Disziplin mit 21,5 Sekunden deutlich langsamer. Eine Nordschleifen-Runde von 8:32 Minuten ist bestechend gut. Die vier Strafsekunden auf den Referenz-Porsche holte sich der M Roadster im Supertest 1997 hauptsächlich durch sein spürbar weicher abgestimmtes Fahrwerk. Besonders beim harten Anbremsen auf Bodenwellen „wurde der Roadster unruhig, er schwänzelte mit dem Heck und wollte mit ruhiger Hand geführt werden.“
Der BMW M Roadster im Supertest
Diesem Ausnahmezustand zum Trotz lautete das Supertest-Fazit aber dennoch: „Der 321 PS-Bolide ist auch auf der letzten Rille ein verlässlicher Sportpartner und dem gestählten Porsche-Vorbild auch auf der Rennstrecke durchaus ebenbürtig.“
Vor allem für Freunde endgültiger automobiler Atmosphäre bleibt noch dies anzufügen: Der M Roadster ist herrlich erdig, vollkommen lifestylefrei und avanciert somit bereits jetzt zum künftigen Klassiker. Das rustikal-funktionale Cockpit mit den vielen chromumrandeten Runduhren und den ohne süßliche Designambitionen angeordneten Schaltern wirkt wie die Enklave eines Einsiedlers, der Ausblick über die lange Schnauze der Motorhaube ist beim Anpeilen jeder Kurve ein Erlebnis für sich – und den dumpf brütenden Sechszylinder-Sound hatten wir bereits.
Auch auf diese Weise betrachtet, ist der potente Sechszylindermotor tatsächlich das Charakter prägende Element des BMW M Roadsters. Die elegant dargebotene Leistung war im Jahr 1997 – hier kam der M Roadster zum ersten Mal auf den Markt – kaum mit einem Konkurrenten vergleichbar. Und sie war mit einem Einstandspreis von 91.500 Mark auch noch überaus erschwinglich. Der immer noch schwächere Porsche 911 kostete weit mehr, der preislich einigermaßen vergleichbare Porsche Boxster konnte dem M Roadster in Sachen Motorleistung nie das Wasser reichen.
Und als Gebrauchter ist der BMW M Roadster erst recht eine Versuchung für preisbewusste Sportwagenfans: Die eindrückliche Verbindung aus gereiftem Charakter, unmissverständlicher Motorpower und bodenständigem Roadster-Purismus wird bei Marktpreisen ab 15.000 Euro zum beinahe zwingenden Argument für den bayerischen Sportwagen aus US-Produktion.
„Der M Roadster ist nicht unbedingt das, was man eine Adrenalinpumpe im Sinn eines AC Cobra nennen würde. Andererseits ist der BMW-Power-Roadster ein perfekt gemachtes, funktionelles und in seinen Umgangsformen liebenswürdiges Spaßmobil, das im Alltagsgebrauch wie auf der Rennstrecke problemlos und zuverlässig funktioniert. Das war bei den Roadstern alter Prägung selten der Fall.“