Die neuen Freiheiten haben ihren Preis
Der Klasse-B-Führerschein bis 4,25 Tonnen verschafft vielen Campern neue Freiheiten hinterm Steuer, die machen das Reisen im Wohnmobil aber womöglich teurer.
Und sie bewegt sich doch, gemeint ist in dem Fall die EU. Das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten haben sich nach vielen Jahren und zähem Ringen auf eine Neuregelung der EU-Führerscheinrichtlinie geeinigt. Wichtigste Neuerung für die Wohnmobilfans und Caravaning-Branche: Der B-Führerschein soll jetzt für Wohnmobile und Campingbusse bis 4,25 zulässiger Gesamtmasse gelten – statt bisher 3,5 Tonnen. Das ist toll und längst überfällig. Damit kann den chronischen Zuladungs-Engpässen bei Wohnmobilen abgeholfen werden und Besitzer von Fahrzeugen mit mehr als 3,5 Tonnen können ihr rollendes Heim auch mal der nachwachsenden Generation zur Verfügung stellen.
Bedingungen für den B-Führerschein bis 4,25 t
Können B-Führerscheininhaber also ab sofort einfach in ein schwereres Reisemobil einsteigen und losfahren? Wer so denkt, kennt die EU schlecht. Wie üblich muss zunächst die Regelung in nationales Recht umgesetzt werden. Das kann dauern. Nach Inkrafttreten der Reform hat die Kommission zwölf Monate Zeit, die technischen Grundlagen zu schaffen, danach die Nationalstaaten 54 Monaten für die Umsetzung – also bis mindestens 2030. Nicht selten lassen einzelne Länder diese Frist verstreichen und akzeptieren lieber die anschließend fälligen Strafzahlungen, bevor sich wirklich etwas tut.
Außerdem ist wie immer das Kleingedruckte entscheidend. Die Freigabe für Reisemobile bis 4,25 Tonnen gilt natürlich nicht einfach so! B-Führerscheininhaber müssen mindestens zwei Jahre unfallfreie Fahrpraxis vorweisen und ein zusätzliches Training oder eine Prüfung oder sogar beides absolvieren. Die jeweilige Ausgestaltung kann jedes Mitgliedsland für sich selbst beschließen. Also noch mehr Bürokratie und Kosten für Prüflinge. Und die Fahrschulen können sich über eine neue Einnahmequelle freuen. Besonders kurios: Bei Fahrzeugen mit alternativem Antrieb entfällt die Trainings- oder Prüfungspflicht. Warum diese Ungleichbehandlung der verschiedenen Antriebsarten? Sicherheitsbedenken können dafür wohl kaum aufgeführt werden.
Es gelten die Maut- und Verkehrsregeln für LKW
Zu früh gefreut haben sich auch all jene, die dachten, dass damit konsequenterweise die übrigen Verkehrsregeln mit geändert werden, die mit der 3,5-Tonnen-Grenze zusammenhängen. Für Wohnmobile, die schwerer sind, gelten weiterhin die gleichen Überholverbote wie für Lastwagen, die Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 100 und dergleichen. Doch so viel durchdachtes Handeln ist offenbar zu viel verlangt.
Wohl nur ein Traum bleibt, dass die Mautregelungen in den einzelnen Ländern an die neue Gewichtsgrenze angepasst werden. Dass Österreich auf die Mehreinnahmen durch die streckenbezogene Go-Maut verzichtet, die für Fahrzeuge über 3,5 t gilt, scheint schwer vorstellbar.
So ist die neue Führerscheinregelung tatsächlich auch ein Triumph für den deutschen Caravaning-Industrieverband e.V. (CIVD) und den europäischen Dachverband "European Caravan Federation" (ECF), die sich jahrelang für diese Änderung eingesetzt haben. Für Reisemobilfahrerinnen und -fahrer kann damit allerdings nur ein Punkt auf der langen Wunschliste gestrichen werden.