Alternative Antriebe und Nachrüstungen

Diesel-Fahrverbote sind zulässig und werden Reisemobile lokal ausgrenzen. Doch: Die Bundesregierung macht den Weg frei für Nachrüstungen älterer Diesel. Damit könnten Reisemobilisten Fahrverboten entgehen. Wer ist betroffen? Wie ist der Stand der Dinge? Und welcher Antrieb macht uns morgen mobil?
- Diesel nachrüsten
- Hybrid
- Erdgas
- Elektromobilität
- Brennstoffzelle
- Fahrverbote und Ausnahmen
- Fazit
Der Dieselkompromiss, den Bundesverkehrsminister Scheuer (CDU) und Bundesumweltministerin Schulze (SPD) als großen Durchbruch verkaufen wollten, muss vielen Reisemobilfahrern reichlich bürgerfern vorkommen. Doch ein Lichtblick wäre in der Diskussion um saubere Stadtluft und Fahrverbote beinahe in den Hintergrund getreten. Auf Druck der Bundeskanzlerin macht die Regierung den Weg frei für Hardware-Nachrüstungen. Für viele Fahrer älterer Diesel-Autos, die von Fahrverboten in Städten mit besonders schlechter Luft betroffen wären, ist das ein Hoffnungsschimmer.
Doch wie lange tanken Reisemobile überhaupt noch Diesel? Welche Antriebsarten stehen uns in nächster oder fernerer Zukunft zur Verfügung? Experten wie der Daimler-Mann Christian Mohrdieck rechnen mit einer zunehmenden Variantenvielfalt. Die wichtigsten stellen wir Ihnen hier vor: Hybrid, Erdgas, E-Antrieb und die Brennstoffzelle.
promobil hat nicht nur alle Fakten zu den Fahrverboten, wir zeigen auch, wie wirksam Nachrüstsysteme sind, und durchleuchten Antriebsalternativen, über die sich Reisemobilfahrer Gedanken machen sollten – aber noch viel mehr die Hersteller und Politiker.
1. Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge
Der Dieselkompromiss, den Bundesverkehrsminister Scheuer (CDU) und Bundesumweltministerin Schulze (SPD) als großen Durchbruch verkaufen wollten, muss vielen Reisemobilfahrern reichlich bürgerfern vorkommen. Doch ein Lichtblick wäre in der Diskussion um saubere Stadtluft und Fahrverbote beinahe in den Hintergrund getreten. Auf Druck der Bundeskanzlerin macht die Regierung den Weg frei für Hardware-Nachrüstungen. Für viele Fahrer älterer Diesel-Autos, die von Fahrverboten in Städten mit besonders schlechter Luft betroffen wären, ist das ein Hoffnungsschimmer.
Nach Schätzungen des Herstellerverbands CIVD sind aktuell etwa 405.000 Reisemobilisten mit Euro 5 und schlechter unterwegs. Rund 150.000 Euro-5- und zirka 75.000 Euro-4-Fahrern könnte mit einer Nachrüstung geholfen werden. Doch bis dahin sind noch viele Fragen offen.
Einigkeit herrscht immerhin über das Ziel: Saubere Luft in den Städten. Nachrüstungen sollen den Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide eines Fahrzeugs auf 270 mg je Kilometer im Realbetrieb senken. Dabei sollen SCR-Katalysatoren helfen. Sobald der Bund Anforderungen an wirksame Systeme festgelegt hat, wird das Kraftfahrtbundesamt Genehmigungen erteilen, "damit diese zeitnah auf dem Markt angeboten werden können", heißt es in einer Stellungnahme des Ministeriums.
Wer bezahlt die Nachrüstung?
Die Finanzierung der Umrüstung ist noch offen. Der Erwartung des Ministers, dass die deutschen Hersteller die Kosten übernehmen, stehen diese ablehnend gegenüber. Sie scheuen den Prüfaufwand, befürchten Auswirkungen auf die Lebensdauer der Motoren. Verpflichten kann man die Hersteller nicht. Und wie sieht es mit den Importeuren aus? Gut 80 Prozent der Reisemobile basieren schließlich auf importierten Antrieben. Mit uns hat noch niemand gesprochen, meint jedenfalls ein Fiat-Mann. Besitzer sollten hier nicht zu viel erwarten.
Beschlossene Sache ist ein Förderprogramm – ähnlich wie seinerzeit für Partikelfilter –, um die Umrüstung bestimmter Fahrzeuge zu beschleunigen. Der geplante Zuschuss von 80 Prozent soll noch in diesem Jahr beantragt werden können. Anspruch auf die Prämie haben nach derzeitigem Stand jedoch nur kommunale Fahrzeuge und Handwerker- und Lieferwagen in den 65 von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Städten. Eine Förderung von Privatfahrzeugen ist vorerst nicht vorgesehen. Bedauerlich.
Unabhängig davon, ob Privatleute die Kosten selbst tragen müssen, sind Experten sicher: Nachrüstungen kommen für alle. Hersteller von Emissionstechnologien wie HJS, Oberland-Mangold oder Twintec stehen in den Startlöchern und warten nur auf das Signal, Lösungen für einzelne Modelle zu entwickeln. Sie sind einig, dass sich der Stickoxidausstoß eines Euro-5-Diesels mit einem SCR-Katalysator um bis zu 90 Prozent reduzieren ließe. HJS hält es für realistisch, auch Euro-4-Fahrzeuge unter 270 mg/km zu drücken, doch das Verkehrsministerium hat einstweilen abgewunken. Bleibt es bei der ablehnenden Haltung, stehen die Euro-4-Fahrer ebenso im Regen wie die 180.000 noch schmutzigeren Dieselmobile.
Der Aufwand, einen alten Diesel bei allen Schadstoffen auf das Niveau eines aktuellen Euro-6-Fahrzeugs zu bringen, wäre enorm groß und letztlich unwirtschaftlich. Daher ändert sich auch die Schadstoffnorm nicht grundsätzlich; stattdessen weist ein Vermerk in den Fahrzeugpapieren sowie im Kfz-Zentralregister auf die Umrüstung hin. Ordnungshüter können dann über eine Kennzeichenabfrage beim KBA ermitteln, ob das Auto gegen geltende Verkehrsverbote verstößt oder nicht.
Wie wirksam sind SCR-Nachrüstungen?
Ein Test des ADAC hat bewiesen, dass eine Hardware-Nachrüstung von Euro-5-Dieselmotoren den besonders schädlichen NOx-Ausstoß tatsächlich deutlich senken kann. Da außer Mercedes B-Klasse und Opel Astra auch VW T5 und sogar Ducato getestet wurden, sind die Ergebnisse auch für Reisemobilfahrer relevant.
Vier verschiedene Anbieter erhielten die Chance, den Stickoxid-Ausstoß der vier Gebrauchtfahrzeuge durch Einbau eines SCR-Kats möglichst weit zu senken. Den VW T5 optimierte Oberland Mangold, den Fiat Ducato HJS. Da die Vorgaben für die Nachrüstung vom Gesetzgeber noch nicht definiert sind, handelte es sich bei den Umrüstsätzen um Prototypen, die bis zur Marktreife noch final abgestimmt werden müssen. Der ADAC unterzog die Fahrzeuge umfangreichen Emissionsmessungen – vor und nach der Umrüstung. Zum einen wurden Prüfstandstests durchgeführt.
Dabei kam der inzwischen für neue Modelle gültige WLTC-Fahrzyklus zum Einsatz, der eine realitätsnähere Fahrweise zugrunde legt als der bisherige NEFZ-Zyklus. Es wurde sowohl mit kaltem als auch mit betriebswarmem Motor gemessen. Die Ergebnisse für den VW T5 und den Fiat Ducato zeigt das Diagramm.
Ablesbar sind zudem die NOx-Werte von sogenannten RDE-Tests, also Messungen im realen Straßenverkehr. Solche RDE-Tests werden im Segment leichter Nutzfahrzeuge für neue Typen ab September 2018 Pflicht – für alle Neuzulassungen ein Jahr später. Sie dienen zur ergänzenden Beurteilung der Robustheit eines Systems unter Realbedingungen. Da sich Wetter- und Verkehrsverhältnisse ständig ändern, ist bei diesen Tests allerdings keine exakte Reproduzierbarkeit möglich.
Dies gilt es auch bei der Interpretation der ADAC-Testergebnisse zu berücksichtigen. Insbesondere lag die Außentemperatur bei den Testfahrten nach der SCR-Umrüstung beim VW T5 um 6,5 °C, beim Fiat Ducato sogar um 13 °C niedriger als zuvor – was den NOx-Minderungseffekt mutmaßlich schmälerte. Trotzdem lässt sich über alle Tests hinweg ein erhebliches Reduktionspotenzial erkennen. Dabei arbeitet der HJS-Kat im Fiat Ducato offenbar noch wirkungsvoller als die Oberland-Mangold-Version im VW T5.
So sauber, wie die Euro-6d-Norm für leichte Nutzfahrzeuge fordert – 125 mg/km auf dem Prüfstand (WLTC) und 263 mg/km im Straßentest (RDE) –, werden die nachgerüsteten Euro-5-Fahrzeuge zwar nicht ganz, doch sie könnten einen guten Beitrag zur Minderung der Stickoxid-Belastung in den Städten leisten.
Ab wann kann nachgerüstet werden?
Twintec gibt an, dass sein BNOx-System sofort einsatzbereit wäre. Als Materialkosten nennt der Hersteller 1500 Euro, zuzüglich einer Einbauzeit von vier bis fünf Stunden für den AdBlue-Tank, den SCR-Kat und den sogenannten Ammoniak-Generator.
Etwas weniger optimistisch sind HJS und Oberland-Mangold. Sie rechnen mit rund 3000 Euro. Hubert Mangold verweist auf den erfolgreichen Testlauf mit einem VW T5 und erklärt, dass das modulare System des Spezialisten auch auf andere Transporter übertragbar sei. Wie Twintec setzt Oberland-Mangold einen Ammoniak-Generator ein. Dieser verdampft AdBlue schon bei vergleichsweise niedrigen Abgastemperaturen von 150 Grad Celsius zu Ammoniak. Der Vorteil: Man ist unabhängiger vom Einbauort, der bei nachgerüsteten Komponenten nicht frei gewählt und in der Nähe des heißen Motors platziert werden kann. Auch wegen der geplanten Förderung arbeite man verstärkt an Lösungen für Nutzfahrzeuge. Diese seien mutmaßlich 2019 serienreif.
Für wen lohnt sich die Nachrüstung?
Eine interessante Klientel sind Lieferdienste und Reisemobilfahrer auch für HJS. An einem Fiat Ducato hat der Hersteller sein System bereits getestet und schätzt die Einbausituation hier sowohl für den SCR-Katalysator als auch den AdBlue-Tank als günstig ein. Der Befürchtung einiger Fahrzeughersteller,Nachrüstungen könnten sich negativ auf die Lebensdauer auswirken, tritt HJS entgegen. Man greife in keiner Weise in die Motorsteuerung ein. Die Harnstofflösung wird hier flüssig in den Abgasstrom eingebracht. Weil ein Ammoniak-Generator permanent Strom braucht und daher auch den Kraftstoffkonsum erhöht, behilft sich HJS mit einem Heizkatalysator, der die Abgastemperatur in der Warmlaufphase nur zeitweise erhöht. Der Verbrauch steige so nur um etwa ein Prozent an.
Dass die Betriebskosten bei einer aufwendigeren Abgasreinigung insgesamt steigen, lässt sich nicht vermeiden. Für eine wirksame Stickoxid-Reduktion müssten je 10 Liter Diesel rund 0,3 Liter AdBlue eingespritzt werden, rechnen Experten vor. Eine übliche 15-Liter-Füllung reicht so dennoch für mehrere Dieseltankungen.
2. Hybridantrieb für Reisemobile
Diesel wird wohl noch viele Jahre lang in die Tanks von Wohnmobilen fließen. Allein, fossile Brennstoffe sind endlich und das Verfeuern der Vorkommen für die Umwelt bedenklich. CO2 heizt die Erderwärmung an, giftige Reizgase wie Kohlenmonoxid und Stickoxid schädigen die Gesundheit. Die Fakten sind lange bekannt, rücken aber im Zuge der Diskussion über Fahrverbote verstärkt in den Fokus. Die Basisfahrzeughersteller arbeiten engagiert an Lösungen.
Ein Schritt nach vorn ist die Senkung des Verbrauchs. Hybridantriebe sind dafür eine Möglichkeit. Der Mild-Hybrid des großen Transit verbraucht laut Ford 10 bis 15 Prozent weniger. Der Diesel hat also noch Potenzial. Auch Fiat will in diese Richtung weiterentwickeln. Einen Schritt weiter Richtung Elektrifizierung geht der Plug-in-Hybrid des Transit Custom PHEV. Der Lithium-Ionen-Akku treibt hier einen Elektromotor an. Der Benzinmotor vergrößert die Reichweite, indem er die Batterie lädt.
Beispiele für Hybrid-Antrieb von Ford
Ford hat diese zwei Hybrid-Systeme kürzlich vorgestellt. Als erster Transporter seiner Klasse hat der Transit Custom PHEV einen Plug-in-Hybrid-Antrieb. Ein Lithium-Ionen-Akku versorgt den Elektromotor, der die Vorderräder antreibt. Die Kapazität der Batterie von 14 kWh reicht für 50 Kilometer rein elektrische Reichweite. Damit kann der Transit PHEV weitgehend emissionsfrei in Städten verkehren. Weil die Akku-Kapazität vergleichsweise gering ist, kommt als Range Extender ein Dreizylinder-Turbobenziner mit 1,0 Liter Hubraum zum Einsatz, der bei Bedarf den Akku lädt und so den Aktionsradius auf rund 500 km vergrößert. An einer Haushaltssteckdose ist die Batterie in fünf Stunden aufgeladen, mit 16 oder 32 Ampere Ladestrom entsprechend schneller. Weil die Technik größtenteils unter dem Boden platziert ist, bleibt der Laderaum voll erhalten. Trotz 200 Kilo Mehrgewicht gegenüber einem vergleichbaren Dieselantrieb soll die Nutzlast noch über eine Tonne betragen. Zwei zusätzliche Displays im Cockpit informieren jederzeit über die Elektro- und die Gesamt-Reichweite. Serienanlauf: ab Oktober 2019.
Vor- und Nachteile des Plug-In-Hybrid:
(+) lokal emissionslos(+) keine Zufahrtsbeschränkungen.
(-) relativ lange Ladezeit(-) Energiequelle fossil
Noch im Mai 2019 kommt der große Transit mit Mild-Hybrid-Antrieb. Seine Batterie wird im Schubbetrieb und beim Bremsen über einen Anlassergenerator geladen. Zum einen unterstützt die elektrische Energie den 2-Liter-Dieselmotor beim Beschleunigen. Zum anderen werden damit die vom Motor abgekoppelten Nebenverbraucher wie Klimaanlage oder Servolenkung angetrieben. Die Kraftstoffersparnis soll so laut Ford zwischen 10 und 15 Prozent betragen. Auch weil sich das Mehrgewicht in Grenzen hält, ist der Einsatz im Reisemobil durchaus realistisch. Erste Wohnmobil-Hersteller haben bei Ford Interesse angemeldet.
Vor- und Nachteile des Mild-Hybrid:
(+) geringerer Dieselverbrauch (+) hohe Reichweite(+) weniger Mehrgewicht gegenüber vollelektrischen Antrieben
(-) schwerer als konventionelle Verbrenner
Fazit: Hybride nutzen elektrische und Verbrennungsenergie. Plug-ins können streckenweise rein elektrisch fahren. Reeller fürs Reisemobil ist der sparsame Mild-Hybrid.
3. Erdgas-Motor bei Fiat und Iveco
Auf der Suche nach Alternativen für den Diesel bietet sich unter anderem der Erdgas-Antrieb an. Das Gas hat den großen Vorteil, dass es nahezu rückstandsfrei verbrennt und einzig Wasserdampf und Kohlendioxid übrig bleiben.
Erdgas ist aktuell eine greifbare Alternative. Sowohl den Fiat Ducato als auch den Iveco Daily gibt es mit CNG-Antrieb. Da Gas derzeit aber nur wenig günstiger ist als Diesel, weil die schweren Tanks (ca. 400 kg) die Nutzlast reduzieren und es in einigen europäischen Ländern wie Frankreich, England oder Norwegen nur wenige Tankstellen gibt, ist ihr Marktanteil aber vernachlässigbar. Erdgas-Reisemobile gibt es so gut wie gar nicht. Dennoch: Aus ökologischer Sicht wären sie sinnvoll, vor allem wenn Gas CO2-neutral aus Biomassen und landwirtschaftlicher Erzeugung, Wind- oder Sonnenenergie gewonnen würde.
Fahrtest: Erdgas-Ducato
Fiat hat den Ducato bereits seit 2015 als Erdgas-Transporter im Programm. Unter der Haube sorgt ein Drei-Liter-Vierzylinder mit 136 PS für Vortrieb. Es ist der aus dem Iveco Daily bekannte Dieselmotor, auf den ein modifizierter Benzin-Zylinderkopf aufgesetzt wird.
Die Tanks können bis zu 36 kg Gas speichern. Daneben hat der Ducato noch einen 15-Liter-Benzintank, denn der Motorstart erfolgt stets mit Benzin. Das garantiert, dass die Maschine auch bei tiefen Außentemperaturen anspringt. Nach fünf Sekunden schaltet der Fiat dann auf Erdgasbetrieb um. Zudem dient der Benzinvorrat als Notreserve. Sind die Tanks leer, bevor eine der rund 900 Erdgas-Tankstellen in Deutschland erreicht ist, kann man sich mit Benzin im auf 80 km/h begrenzten Notprogramm retten.
Von der Theorie zur Praxis: Wie fährt sich der Erdgas-Ducato? Der große Unterschied zum Diesel ist nach dem Motorstart hör- und spürbar. Das Aggregat läuft deutlich vibrationsärmer als der Diesel und auch während der Fahrt ist das Geräuschniveau niedriger. Der nicht aufgeladene Vierzylinder setzt die Befehle des Gasfußes spontan um. Besonders über Tempo 100 beschleunigt der Erdgas-Kastenwagen subjektiv sogar besser als der 130-PS-Diesel mit Turboaufladung. Hier macht sich das Plus an Leistung und vor allem an Drehmoment bemerkbar – 350 Nm, also 30 Nm mehr als beim vergleichbaren Diesel. Den Verbrauch gibt Fiat mit 8,6 kg Gas auf 100 Kilometer an. Somit ergibt sich eine Reichweite von knapp 400 Kilometern mit einer Tankfüllung. Mehr Leistung, weniger Verbrauch und dabei ein angenehmeres Geräuschniveau: Da stellt sich doch die Frage, warum es bislang keine Reisemobile auf Basis des Natural-Power-Motors gibt?
Die Antwort liegt vor allem an dem Mehrgewicht der Gasumrüstung von rund 270 kg. Damit ist der Einsatz, zumindest in einem 3,5-t-Mobil, fast schon ausgeschlossen. Außerdem brauchen die Gastanks unterflur einiges an Platz, dort, wo bei Reisemobilen häufig Abwassertank oder Trittstufe montiert sind. Schließlich sind da auch noch die Kosten: Je nach Ausführung muss man für die Erdgas-Variante rund 6000 Euro mehr investieren als für den vergleichbaren Diesel-Motor. Leider wiegen darum die Nachteile – zumindest im Moment – noch so schwer, dass der in Sachen CO2, Stickoxid und Feinstaub verhältnismäßig umweltfreundliche und obendrein leise und kultiviert laufende Antrieb kaum zum Zug kommt.
Fahrtest: Iveco Daily NP
Trotz blauer Kriegsbemalung fühlt sich das Fahren eigentlich ganz normal an. Ähnlich stämmig wie der nominell gleich starke 2,3-Liter-Dieselmotor schiebt auch das Erdgas-Aggregat – bei Iveco "NP" (Natural Power) genannt – den 3,5 Tonnen schweren Kastenwagen an. Dabei arbeitet der Motor nach dem Otto-Prinzip, das gemeinhin höhere Drehzahlen zur Leistungsentfaltung verlangt und beim Drehmoment eher schwächelt. Nicht so beim Iveco, der seine 350 Nm schon bei 1500 Umdrehungen bereitwillig in den Dienst stellt und sich damit als Nutzfahrzeug- und Reisemobilantrieb prädestiniert.
Allerdings übernimmt er auch eine Diesel-Unart: den höheren Lärmpegel. Im gern genutzten Drehzahlbereich zwischen 2000 und 2500/min macht sich ein deutliches Brummen bemerkbar. Dabei versucht sich der NP-Daily durch besondere Goodies – teils serienmäßig, teils optional – einzuschmeicheln: blauer Kühlergrill und Felgen, blaues Armaturenbrett, Lederlenkrad und vor allem die geschmeidige Achtgang-Wandlerautomatik.
Dennoch kann er seinen Nutzfahrzeug-Charakter nie ganz verleugnen. Bei Fahrbahnunebenheit läuft ein Zittern vom Fahrwerk durch die Karosserie, als ob einen gerade ein Kälteschauer befällt. Auch die relativ gefühllose Lenkung und der viel zu lange Bremsweg ersticken sportliche Ambitionen schon im Keim. Zumal bei verschärftem Gaseinsatz die Tankanzeige ins Bodenlose zu fallen droht.
Was passiert eigentlich, wenn der Motor die fünf Gastanks leergeatmet hat? Den Daily gibt es wahlweise mono- oder bivalent, das heißt mit reiner Erdgas-Versorgung oder mit Benzin-Notbetrieb wie beim Testwagen. 14 Liter Flüssigkraftstoff dienen der nervlichen Beruhigung, wenn es bis zur nächsten Gastankstelle eng wird. Die Umschaltung erfolgt automatisch und unspektakulär. Die Motorleistung sinkt dabei spürbar auf 82 PS und 230 Nm. Um zur nächsten Tankmöglichkeit zu rollen, reicht das gut aus – eher nicht auf einer steilen Passstraße.
Eine Füllstandsanzeige für den Benzintank gibt es nicht, nur eine Warnmeldung, wenn der Pegel auf weniger als die Hälfte sinkt. Eine App hilft die nächstgelegene Erdgas- bzw. CNG-Tankstelle – unter rund 1000 in Deutschland – zu finden. Beim ersten Mal fühlt sich der Tankvorgang etwas fremd an – das Füllrohr mit zwei Schläuchen auf den Tankstutzen stecken, arretieren und per Knopfdruck den Tankvorgang starten –, doch man gewöhnt sich schnell daran.
Noch lieber gewöhnt man sich an den Zahlungsvorgang. Einmal Volltanken für wenig mehr als 30 Euro, das macht Spaß. Und wie weit kommt man damit? Bei unserer zurückhaltend gefahrenen promobil-Verbrauchsrunde, die auch einen Maximaltempo-Anteil enthält, konsumierte der Daily 8,5 kg CNG pro 100 km – ergibt eine Reichweite von rund 370 km. Die Freude beim Tanken muss aber auch über einen deutlichen Preisaufschlag bei der Anschaffung hinwegtrösten. In der Konfiguration des Testwagens sind es rund 10.000 Euro mehr als beim vergleichbaren 136-PS-Diesel.
Vor- und Nachteile des Iveco Daily NP
(+) kräftiger Motor(+) passable Reichweite(+) schneller Tankvorgang(+) günstiger Kraftstoffpreis
(-) happiger Aufpreis(-) hohes Mehrgewicht(-) brummiger Motor (-) teils schlechte Versorgung
Fazit: Der Erdgas-Daily kann mit einem vergleichbaren Diesel gut mithalten und erfordert im Alltag kaum Kompromisse – zumindest in Ländern mit gutem Tankstellennetz. Der Aufpreis ist zwar happig, dafür tankt man günstig.
4. Elektromobilität
Elektroantriebe als lokal emissionsfreie Alternative zu Verbrennungsmotoren rücken angesichts der drohenden Fahrverbote auch für Reisemobile nun noch enger in den Fokus. Wie es um deren Elektrifizierungsmöglichkeit steht, zeigt eine Studie der Stahl Automotive Consulting GmbH, die promobil exklusiv vorliegt. Diese geht vor allem der Frage nach, wann Reisemobile mit elektrischen Antrieben preislich wettbewerbsfähig wären – auch unter der Annahme, dass in den kommenden Jahren die Batteriepreise fallen und die Reichweiten weiter steigen werden.
Das Diagramm zeigt die Entwicklung der Gesamtkosten von drei Antriebskonzepten (Elektro, Plug-In-Hybrid, Dieselmotor) bis zum Jahr 2030. Die sogenannte Total-Cost-of-Ownership-Analyse (kurz: TCO) umfasst neben den Anschaffungs- auch sämtliche Folgekosten, die für Betrieb, Wartung, Reparaturen und Steuern anfallen. Als Referenzmodell dient das Campingbus Modell Pössl 2Win. Die Prognose zeigt, dass die Kosten eines rein elektrisch angetriebenen Mobils schon bald stark sinken und sich im weiteren Verlauf mehr und mehr an die der Varianten mit einem Verbrennungsmotor annähern.
Fahrzeuge mit einem Dieselmotor bleiben auch noch im übernächsten Jahrzehnt am preiswertesten. Dabei ist zu beachten, dass die Prognose nach dem Jahr 2025 aufgrund schwer vorhersehbarer Energie-, Treibstoff- und Batteriepreise mit großen Unsicherheiten behaftet ist. Gerechnet wurde zugunsten der elektrifizierten Antriebe. Das bedeutet, dass der Energiebedarf der Antriebsakkus ausschließlich mit haushaltsüblichen Stromkosten kalkuliert wurde. Auf Campingplätzen muss man in der Regel mehr bezahlen. Außerdem fließen hier die Kosten für den Aufbau und den Betrieb einer Ladeinfrastruktur noch nicht ein. Diese gehen künftig wahrscheinlich zu Lasten des Verbrauchers.
Interessante Erkenntnisse liefert auch die unten aufgeführte Modellrechnung, die zeigt, mit welchen Mehrkosten und welchem Zusatzgewicht bei der Elektrifizierung eines Reisemobils aktuell zu rechnen ist. Ein Reisemobil, das die geforderte praxistaugliche Reichweite von rund 600 km erreichen würde, wäre damit als 3,5-Tonner praktisch unrealisierbar – ganz zu schweigen von den Zusatzkosten von über 20.000 Euro.
Die abschließende Einschätzung der Studie ist daher gut nachzuvollziehen: Für die Elektrifizierung von Reisemobilen ist es aktuell und auch in naher Zukunft noch zu früh. Die Branche würde sich durch die höheren Produktionskosten, notwendigerweise geringere Reichweiten und deutlich weniger Zuladungskapazitäten der Fahrzeuge mehr schaden als nützen. Die Kunden müssten für unattraktivere Modelle wesentlich mehr Geld bezahlen und würden daher womöglich auch eher zu einer anderen Urlaubsform wechseln.
Der VW E-Crafter im Fahrbericht
Von null auf 290 Nm sind es etwa zwei Zentimeter Pedalweg. Obwohl der VW ein eher stiller Typ ist, legt er sofort los und geht mit einem schwungvollen Satz auf die Strecke. Die Beschleunigung des 100 kW starken Elektromotors lässt nichts zu wünschen übrig. Das 1-Gang-Getriebe macht Schalten überflüssig. Ungewohnt, aber angenehm.
Abgeregelt ist der E-Crafter schon bei 90 km/h – mit Blick auf den angepeilten Einsatz im städtischen Zustellverkehr und auch mit Rücksicht auf die Reichweite. Die 35,8-kWh-Batterie, die im Unterboden installiert ist, schafft 173 Kilometer. Wobei das schwanken kann; via Rekuperation fließt im Schubbetrieb und beim Bremsen wieder Energie zurück in die Batterie. An einer Wallbox mit 7,2 kW dauert eine Vollladung 5:20 Stunden. Anders als den Diesel gibt es den E-Crafter nur in einer Variante mit Frontantrieb, sechs Meter Länge und sehr umfangreicher Serienausstattung.
Es wird nicht nur am Preis von knapp 70.000 Euro liegen, dass der E-Crafter als Campingbusbasis nur eine untergeordnete Rolle spielen dürfte. Das Batteriegewicht (350 kg) ist hoch, die Reichweite gering. Damit fehlen dem E-Crafter, aber auch anderen Elektrotransportern, Schlüsselqualifikationen, die bei Reisemobilen zwingend gefragt sind.
(+) fährt emissionsfrei(+) drehmomentstarker Elektromotor(+) komfortabel schaltfrei zu fahren
(-) hohes Batteriegewicht(-) lange Ladezeiten(-) geringe Reichweiten(-) energieaufwendige Batterieherstellung (-) ökologisch (noch) nicht überzeugend
Fazit: Sinnvoll sind vollelektrische Fahrzeuge im Stadtverkehr. Brauchbare Reichweiten erfordern jedoch große, schwere Batterien. Deren Versorgung mit Strom wird erst dann nachhaltig, wenn die Energie regenerativ erzeugt wird.
5. Brennstoffzelle im Sprinter
Der Traum vieler Entwickler ist die Brennstoffzelle. Bereits heute gibt es fertig entwickelte Wasserstoff-Fahrzeuge und sogar einen Sprinter F-Cell mit Reisemobilaufbau. Experte Christian Mohrdieck sieht gerade in dieser Anwendung eine besonders sinnvolle, weil "Wohnmobile prinzipiell einen hohen Energiebedarf haben". Die Brennstoffzelle könne auch Heizung, Kocher oder Kühlschrank mit Strom versorgen. Zwar sind die Autos schwerer als Verbrenner, aber deutlich leichter als Elektrofahrzeuge. 4,5 Kilo des energiedichten Wasserstoffs reichen für 300 Kilometer. Der hohe Preis ist derzeit klar ein Nachteil, die Versorgung ein anderer.
Doch obwohl der Bau einer H2-Tankstelle exorbitant teuer ist, käme eine flächendeckende Infrastruktur in Deutschland immer noch günstiger als die entsprechende Anzahl von Ladesäulen für Elektromobile, zitiert Mohrdieck eine aktuelle Studie. 2019 soll es wenigstens 100 Tankstellen in Deutschland geben, in drei bis fünf Jahren 400. Bis dahin und lange darüber hinaus wird jedoch noch viel Diesel für Vortrieb sorgen.
Sprinter F-Cell: Vorstellung des Konzepts
Der Mercedes Sprinter F-Cell ist Basis des ersten Reisemobils mit Brennstoffzellenantrieb. Hier versorgt ein Wasserstoff-Kraftwerk den Elektromotor, der die Hinterräder antreibt, mit Energie. 147 kW Leistung und 350 Nm Drehmoment versprechen ansprechende Fahrleistungen. Obwohl an Bord auch eine kleine Pufferbatterie für 30 km rein elektrische Reichweite ist, wiegt die Fuel-Cell-Version deutlich weniger als ein Elektromobil, aber rund 200 Kilogramm mehr als ein vergleichbarer Diesel. Das Übergewicht geht vor allem auf das Konto der H2-Tanks, die sehr hohen Drücken standhalten und entsprechend stabil gebaut sein müssen. Sie haben insgesamt 4,5 kg Fassungsvermögen, womit rund 300 km Reichweite drin sind. Mit einem weiteren 2,9-kg-Tank in der Heckgarage steigt der Aktionsradius auf brauchbare 500 km. Tanken dauert kaum länger als bei flüssigem Kraftstoff. Allerdings gibt es derzeit nur sehr wenige Tankstellen.
Weil beim F-Cell außer Wasserdampf lokal keine Emissionen entstehen, gilt die Technik als besonders umweltfreundlich. Je mehr Wasserstoff regenerativ CO2-neutral erzeugt wird, desto besser wird auch die Gesamtökobilanz von Brennstoffzellenautos. Aktuell wird H2 noch überwiegend mit Hilfe von Erdgas hergestellt.
(+) drehmoment- und leistungsstarker Elektromotor(+) keine schädlichen Emissionen (+) passable Reichweite(+) Stromversorgung des Aufbaus möglich
(-) mehr Gewicht gegenüber vergleichbaren Dieselmotoren(-) noch wenige Tankstellen (-) hohe Anschaffungskosten
Fazit: Die Technik ist serienreif, dennoch tun sich Brennstoffzellenautos schwer. Reisemobilisten werden noch Jahre warten müssen. Wenn das Tankstellennetz dichter wird, die Preise sinken und Wasserstoff mehr und mehr aus nachhaltigen Quellen kommt, sind Brennstoffzellen eine reelle und sinnvolle Alternative.
6. Fahrverbote und Ausnahmeregelungen
Nach Hamburg, Stuttgart und Frankfurt jetzt also auch Berlin. Die Bundeshauptstadt macht acht besonders belastete Straßen für bestimmte Fahrzeuge dicht. Nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober muss das Land Berlin bis März 2019 einen neuen Luftreinhalteplan erarbeiten, der auch Fahrverbote für Diesel bis einschließlich Euro 5 und schlechter vorsieht. Wenn die Maßnahmen nicht greifen sollten, könnten auch Euro-6-Diesel mit eingeschlossen werden. Das zumindest droht in den anderen Städten erst einmal nicht. In Frankfurt und Stuttgart sind sogar für Euro-5-Diesel Übergangsfristen bis mindestens September 2019 vorgesehen.
De facto bedeuten die Fahrverbote ab 2019 für viele tausend Reisemobilfahrer eine Einschränkung ihrer Mobilität. Im Detail wirken sie sich sehr unterschiedlich aus. Die teils nur lokalen Verbotszonen können Mobiltouristen in der Regel einfach umfahren. Hart dürfte es in einigen Fällen jedoch Anwohner mit Reisemobilen mit Euro 4 und schlechter treffen, ganz grob gesagt also Diesel vor Baujahr 2010, darunter viele Fiat Ducato 230/244 und X 250 sowie VW T3, T4 und T5, die ihren Eignern mitunter noch lange Freude bereiten könnten, aber nach der vorgesehenen Richtlinie wahrscheinlich nicht nachgerüstet werden können.
In Hamburg sind Anwohner der Max-Brauer-Allee (und der Stresemannstraße) von Fahrverboten ausgenommen, in Stuttgart, wo die gesamte Umweltzone unter das Verkehrsverbot fällt, jedoch nur bis 31. März 2019. Ausnahmen gelten hier überwiegend für den gewerblichen Verkehr oder Oldtimer und immerhin – zunächst unbefristet – sogar für "Fahrten mit Wohnmobilen zu Urlaubszwecken". Für Reisemobileigner, die im Stadtgebiet wohnen, sind laut Regierungspräsidium keine weiteren Ausnahmen vorgesehen. Verstöße gegen das Verbot werden in Stuttgart und Frankfurt mutmaßlich mit 80 Euro Bußgeld geahndet, in Hamburg wohl mit bis zu 75 Euro.
Generell hatte das Bundesverwaltungsgericht im Februar 2018 Fahrverbote für verhältnismäßig erklärt. Die aktuellen Urteile in Berlin und zuvor in Wiesbaden folgen dieser Linie. Und sie haben eine Signalwirkung, die nichts Gutes verheißt für die offenen Verfahren, die in vielen weiteren deutschen Städten, darunter München, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Hannover, Bonn, Mainz, Darmstadt und Wiesbaden, anhängig sind.