"By The Sea": Beziehungsdrama in der Wohlfühlzone
Kunst statt Kommerz: Mit ihrer neuesten Regiearbeit "By The Sea" versucht sich Angelina Jolie, im Genre des künstlerischen Films zu positionieren. Und das gar nicht mal so schlecht.
Was 2007 mit dem Blockbuster "Mr. & Mrs. Smith" begann, findet nun seine Fortsetzung: Auch in "By The Sea" spielt Hollywoods Traumpaar Brangelina ein amerikanisches Ehepaar, das allerdings mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat als die Smiths von damals. Angelina Jolie Pitt ist als Regisseurin des Films, in dem sie und ihr Ehemann Brad Pitt zum ersten Mal seit der Action-Komödie wieder gemeinsam vor der Kamera stehen, ein Beziehungsdrama gelungen, das sie als Regisseurin im Genre des künstlerischen Films positioniert.
Die Handlung spielt in den Siebziger Jahren: Die Eheleute Roland (Brad Pitt) und Vanessa (Angelina Jolie Pitt) verbringen ihren Sommerurlaub in einem ruhigen und malerischen Badeort an der Küste Südfrankreichs. Roland ist Schriftsteller mit Hang zum Alkoholismus und leidet unter einer Schreibblockade. Am Meer hofft er auf neue Inspiration, seine Frau hingegen bleibt von der Idylle unbeeindruckt. Das Zimmer verlässt die ehemalige Tänzerin höchst selten. Sie schluckt Tabletten gegen Depressionen und aalt sich in Selbstmitleid. Erst als im Nebenzimmer die frisch verliebte Lea (Mélanie Laurent) mit ihrem Mann Francois (Melvil Poupaud) einzieht, erwacht Nessa aus ihrer Lethargie.
Beziehungskiller Alltag?
In "By The Sea" beschäftigt sich Jolie Pitt vor allem mit einer zentralen Frage: Was passiert, wenn ein Paar an der festgefahrenen Beziehung kaputt zu gehen droht? Vanessa und Roland stecken nach 14 Jahren Ehe in einer tiefen Krise: So gut es geht, gehen sie sich aus dem Weg. Treffen sie aufeinander, ist jeder genervt von den Marotten des anderen. Und doch scheinen sie einander nicht loslassen zu können, einander zu brauchen wie die Luft zum Atmen. Die Ahnung, dass in der Vergangenheit etwas passiert sein muss, das die Beziehung der beiden nachhaltig gestört hat, stellt sich früh in den Raum.
Trauer als zentrales Motiv
Doch die Auflösung des Rätsels zieht sich und am Ende ist der Grund für Vanessas tiefe Trauer durchaus vorhersehbar, wenn man um Jolie Pitts operative Eingriffe weiß. Auf wirklich tragische Passagen wartet man während des gesamten Films vergeblich. Dies könnte von der 40-Jährigen jedoch durchaus so gedacht gewesen sein - schließlich war ihr Leitmotiv beim Schreiben des Drehbuchs die Trauer. Wer schon mal getrauert hat, weiß, wie quälend dieses Gefühl sein kann. In "By The Sea" fängt Jolie Pitt als Drehbuchautorin und Regisseurin Ereignislosigkeit ein, um zu zeigen, wie schwer es ist, in einer kriselnden Beziehung oder Selbstmitleid gefangen zu sein.
Erst als Vanessa hinter einem Beistelltisch ein Guckloch in der Wand entdeckt, durch das sie Lea und Francois beobachten kann, gewinnt die Entwicklung der Handlung und der Charaktere an Fahrt. Diese Beschäftigung wird zu Nessas Obsession und bringt das sexuelle Verlangen zwischen ihr und Roland zurück.
Insgesamt dauert "By The Sea" 123 Minuten. Gerade am Anfang wirkt die kaputte Beziehung der beiden sehr inszeniert, Pitt nimmt man die Rolle des liebenden, aber verzweifelten Ehemanns eher ab als Jolie die Rolle der selbstzerstörerischen Ehefrau. Ihre Verrücktheit wirkt durch die Art, wie Jolie ihren Charakter interpretiert, etwas aufgesetzt - was auch an der blonden Perücke liegen mag, die nicht recht zu Jolie passen will.
Fazit
"Angie hat für mich einen sehr europäischen Film geschrieben, denn er zeichnet sich durch die Eleganz eines Kammerspiels aus", äußerte sich Brad Pitt zum Werk seiner Ehefrau. Oberflächlich betrachtet mag das stimmen, an der Umsetzung müsste allerdings noch etwas gefeilt werden: "By The Sea" lehnt sich durch seine Machart zwar an die Art des französischen Films an, dennoch wirkt der Film alles in allem doch sehr amerikanisch. Die Kulisse ist zu perfekt, die Dialoge zu seicht. Ein echter französischer Film wäre verruchter, tragischer, komischer. "By The Sea" hingegen meidet die wahre Tragödie, und bleibt deswegen in der Wohlfühl-Zone.