"Deutschstunde": Ulrich Noethen und Tobias Moretti in Höchstform

Mit "Deutschstunde" bringt Regisseur Christian Schwochow keinen neuen Stoff ins Kino. Seine Filmversion punktet vor allem durch ein starkes Schauspielensemble.
Der Roman "Deutschstunde" von Siegfried Lenz (1926-2014) ist 1968 erschienen. Das Buch zählt zu den wichtigsten Werken der deutschen Nachkriegsliteratur und ist bereits verfilmt worden. Regisseur Christian Schwochow (40, "Paula") hat sich erneut an den Stoff gewagt. Seine Verfilmung kommt ab 3. Oktober hierzulande in die Kinos.
Die Thematik, die "Deutschstunde" behandelt, ist in der heutigen Zeit, in der antidemokratische Tendenzen weltweit auf dem Vormarsch sind, aktueller denn je. Es geht um universelle, zeitlose Themen: (falsches) Pflichtbewusstsein, individuelle Verantwortung, Loyalität und wie aus Freunden Feinde werden. All das bannt Schwochow mit einem starken Schauspielensemble auf die Leinwand.
Das passiert in "Deutschstunde"
Deutschland, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Siggi Jepsen (Tom Gronau), ein junger Mann, muss in einer Strafanstalt einen Aufsatz zum Thema "Die Freuden der Pflicht" schreiben. Er findet keinen Anfang, das Blatt bleibt leer. Als er die Aufgabe am nächsten Tag nachholen muss, diesmal zur Strafe in einer Zelle, schreibt er wie besessen seine Erinnerungen auf. Erinnerungen an seinen Vater Jens Ole Jepsen (Ulrich Noethen), der als Polizist zu den Autoritäten in einem kleinen norddeutschen Dorf zählte und den Pflichten seines Amtes rückhaltlos ergeben war.
Während des Zweiten Weltkriegs muss er seinem Jugendfreund, dem expressionistischen Künstler Max Ludwig Nansen (Tobias Moretti), ein Malverbot überbringen, das die Nationalsozialisten gegen ihn verhängt haben. Er überwacht es penibel und Siggi (Levi Eisenblätter), elf Jahre alt, soll ihm helfen. Doch Nansen widersetzt sich - und baut ebenfalls auf die Hilfe von Siggi, der für ihn wie ein Sohn ist. Der Konflikt zwischen den beiden Männern spitzt sich immer weiter zu - und Siggi steht zwischen ihnen. Anpassung oder Widerstand? Diese Frage wird für Siggi entscheidend.
Ein starker Cast
Regisseur Christian Schwochow gelingt es auf beeindruckende Weise, eine bedrückende Stimmung zu kreieren. Dabei helfen die ruhige Kameraführung, bildgewaltige Naturaufnahmen sowie kraftvolle Dialoge. Szenen, die unter die Haut gehen, sind keine Seltenheit. Buchfans sollten sich aber darauf einstellen, das der Roman nicht eins zu eins wiedergegeben wird. Der Stoff wurde verdichtet und Figuren für die Leinwand angepasst. Das könnte nicht jedem gefallen.
"Deutschstunde" punktet durch das glänzende Schauspielensemble. Allen voran Ulrich Noethen (59, "Charité") und Tobias Moretti (60, "Das finstere Tal"). Beide gehen in ihren Rollen förmlich auf. Ulrich Noethen lehrt nicht nur seinen Filmsöhnen das Fürchten, sondern bringt seine unerbittliche autoritäre Haltung auch perfekt an den Zuschauer rüber. Tobias Moretti bildet als aufmüpfiger Maler den idealen Gegensatz. Unterstützt wird ihr Schauspiel durch eine punktgenaue Gestik und Mimik. Eine bessere Besetzung für diese beiden Rollen hätte Schwochow wohl nicht finden können.
Neben Noethen und Moretti brilliert zudem der junge Levi Eisenblätter, der den elfjährigen Siggi verkörpert. Er musste für die Rolle zwar nicht massenweise Text auswendig lernen, dafür drückt er die widersprüchlichen Emotionen seiner Filmfigur gekonnt durch seine Mimik und Gestik aus. Das gelingt Tom Gronau (22), der Siggi als Jugendlichen darstellt, ebenso eindrucksvoll. Johanna Wokalek (44, "Die Päpstin") überzeugt zudem als Ditte Nansen - und bricht einem das Herz.
Fazit
"Deutschstunde" ist keine leichte Kost. Beschwingt dürfte niemand den Kinosaal verlassen. Der Film regt eher zum Nachdenken an. Wie steht man selbst zu Pflichterfüllung, Loyalität, Freundschaft und Einsicht? Ist es manchmal der richtige Weg, etwas gegen die Pflicht zu tun? Anpassung oder Widerstand? Auch in der heutigen Zeit eine wichtige Frage.