Florian Gallenberger: "Emma Watson ist eine umwerfend schöne Frau"

Im Thriller "Colonia Dignidad - Es gibt kein Zurück" beeindruckt der hohe Wahrheitsgehalt der Geschichte um eine Sekte in Chile. Doch auch Hauptdarstellerin Emma Watson ist "umwerfend", wie Regisseur Florian Gallenberger im Interview erklärt.
Der in Bonn geborene Paul Schäfer (1921-2010) gründete 1961 die "Colonia Dignidad", ein hermetisch abgeriegeltes Areal in Chile, in dem er fortan als Sektenführer uneingeschränkt und überaus brutal über die Bewohner herrschte. Der Münchner Regisseur Florian Gallenberger (*1972, "John Rabe") hat darüber nun einen sehr sehenswerten Thriller gedreht: "Colonia Dignidad - Es gibt kein Zurück" (Kinostart: 18. Februar). Im Interview mit spot on news erklärt er allerdings, dass die schlimmsten Filmszenen im Vergleich zur Realität noch abgemildert sind - "erschütternd"! Schwer begeistert zeigt sich Gallenberger dagegen von Hauptdarstellerin Emma Watson (25) - und von Oscar-Kandidat Leonardo DiCaprio (41).
Wie sind Sie auf die Idee und an den Stoff zum Film gekommen?
Florian Gallenberger: Dass es die Colonia Dignidad gibt, wusste ich schon ganz lange. In der Grundschule hat uns eine Lehrerin 1981 eine TV-Reportage darüber gezeigt. Damals war ich zwar noch ein kleiner Junge, trotzdem hat es mich schon sehr erschüttert und wütend gemacht. Vor ein paar Jahren habe ich dann wieder in der Zeitung etwas darüber gelesen und begonnen zu recherchieren. Zu dieser Zeit etwa hat mir der heutige Co-Autor Torsten Wenzel ein Drehbuch mit dem Titel "Colonia Dignidad" zugeschickt, in dem die grundlegende Idee stand: Ein Mann wird im Zuge des Putsches in Chile in die Colonia Dignidad verschleppt und seine Freundin macht sich auf, ihn zu retten... Eine super Konstellation! Und auf Basis dieser Idee habe ich dann mein Drehbuch entwickelt.
Wie haben Sie recherchiert?
Gallenberger: Das hat vier Jahre gedauert. Ich bin immer wieder nach Chile in die Colonia gefahren, die heute Villa Baviera, Bayerisches Dorf, heißt. In dieser Zeit habe ich vor allem das Vertrauen zu den jüngeren Bewohnern aufgebaut. Dass ich einen Film machen möchte, habe ich von Anfang an gesagt. Irgendwann haben sie erzählt, was dort wirklich geschehen ist. Diese jüngeren Unterstützer des Filmprojektes, die uns auch während der Dreharbeiten beraten haben, sind mittlerweile alle nicht mehr dort. Ihnen habe ich sehr viel zu verdanken, denn ohne ihre Geschichten, hätte ich den Film nicht machen können.
Ist die Villa Baviera noch eine Sekte?
Gallenberger: Es ist derselbe Ort, sind dieselben Gebäude, zum Teil noch dieselben Menschen. Vor allem die ganz alten sind geblieben, weil sie nicht mehr irgendwo nochmal ganz neu anfangen wollten. Als Sekte würde ich es aber heute nicht mehr bezeichnen, weil für mich zu einer Sekte ein Sektenführer gehört. Nachdem Paul Schäfer dann weg war und dieses System ohne ihn zusammengebrochen ist, sind es jetzt also die Überreste einer Sekte. Die Menschen sind natürlich gezeichnet von den 40 Jahren, in denen sie in der Sekte gelebt haben. Aber es gibt nicht mehr diesen Zwang.
Und sie können gehen...
Gallenberger: Ja, aber es gibt den Zaun in der Realität und den Zaun im Kopf. Der Zaun in der Realität ist weg, man kann physisch raus und rein. Viele sind auch weggegangen, aber der Zaun im Kopf baut sich viel langsamer ab. Ich weiß zum Beispiel von einigen, die rausgegangen sind, dass sie jahrelang von einem unglaublich schlechten Gewissen geplagt wurden. Sie hatten das Gefühl, ihre Leute im Stich gelassen zu haben. Die inneren Zwänge gehen, wenn überhaupt, nur sehr langsam weg.
Wie wahr ist der Film: Die Umstände entsprechen der Realität und die Geschichte des Paares Lena (Emma Watson) und Daniel (Daniel Brühl) ist erfunden?
Gallenberger: Genau. Die beiden Figuren sind fiktiv, es hat sie so nicht gegeben. Aber das, was im Film innerhalb der Colonia passiert, ist in der Realität eins zu eins so geschehen. Die Szene, in der Paul Schäfer versucht, einen Toten zum Leben zu erwecken, basiert auf einer Tonbandaufnahme, die ich auch gehört habe. Das ist genau so passiert. Allerdings waren die ganzen Bestrafungsaktionen in Realität noch deutlich rabiater und schlimmer, als wir es im Film zeigen. Die Original-Colonia war kein sehr angenehmer Ort. Ich glaube, wenn man den Film sieht, hat man ein sehr gutes Bild von dem, was dort geschehen ist. Gleiches gilt für die Szenen im Stadion zu Beginn des Films, in denen wir vom Putsch in Chile erzählen, und für das unterirdische Folterlager sowie die Rolle der Deutschen Botschaft.
Warum sollte man sich noch heute mit dem Thema beschäftigen?
Gallenberger: Leider ist das Thema heute wieder sehr aktuell. Der Film soll keine Lehrstunde sein, sondern ein intensives Kinoerlebnis, das einen mit etwas konfrontiert, über das man hoffentlich im Nachhinein nachdenkt. Man kann sehen, was totalitäre Systeme mit Menschen machen. Wenn Menschen in einem sehr abgeriegelten, missbräuchlichen System sind, fängt das System an, sie zu verändern. Es korrumpiert die Menschen und dann sind Dinge möglich, die man sich so gar nicht vorstellen kann.
Könnte man auch eine Parallele zum sogenannten "Islamischen Staat" (IS) ziehen?
Gallenberger: Es ist zumindest auch ein sehr geschlossenes Weltbild. Und es gibt wieder viele, die mitrennen und glauben, dass das die einzige Art und Weise ist, wie man die Welt sehen kann. Und wenn irgendetwas anders ist, muss man es sofort vernichten. Diese Alternativlosigkeit in der Weltanschauung in Verbindung mit simplen Schwarz-Weiß-Regeln und einer unheimlichen Brutalität, Gewalt und Aggression ist wahnsinnig gefährlich.
Sehr beeindruckend in dem Film ist auch Schauspielerin Emma Watson. Da ist nichts mehr zu sehen von der kleinen Hermine Granger ("Harry Potter")...
Gallenberger: Ich glaube tatsächlich, dass sie nach einer Rolle gesucht hat, in der sie zeigen kann, dass sie sich nach "Harry Potter" weiterentwickelt hat. Sie hat kein Problem mit Hermine, weil es eine tolle Sache ist, dass sie Hermine sein konnte, aber sie ist jetzt eben kein Teenager mehr. Sie wollte eine Frau spielen. Eine Frau, die eine Kraft und eine Stärke hat und Entscheidungen trifft. In der Lena ("Colonia Dignidad") hat sie genau das erkannt. Sie hat sich auch sehr eingelassen auf diese Arbeit. Vor den Dreharbeiten sind wir zusammen nach Chile geflogen, damit sie die echten Bewohner treffen konnte. Diese Reise hat sie sehr berührt, weil man sich dem dort emotional auch nicht entziehen kann.
Sie sieht auch ganz toll aus in diesem Film...
Gallenberger: Das ist natürlich nur bedingt unser Verdienst, weil sie einfach eine umwerfend schöne Frau ist.
2001 sind Sie für Ihren Kurzfilm "Quiero ser" mit dem Oscar ausgezeichnet worden. Wie schauen Sie denn die anstehende Preisverleihung?
Gallenberger: Ich war fünfmal dort und habe es in Realität erlebt. Das ist schon immer sehr spannend. Fünf andere Male habe ich die Verleihung im Fernsehen angeschaut und fünfmal einfach verpennt. Diesmal bin ich noch unentschlossen, weil ich keinen ganz großen Film-Favorit habe, dem ich die Daumen drücke. Letzte Jahr war das für mich "Birdman".
Und was ist Ihre Prognose für Leonardo DiCaprio?
Gallenberger: Er gewinnt, ganz sicher! Da würde ich jede Wette eingehen. Nicht jeder große Star ist auch ein großer Schauspieler, Leonardo DiCaprio ist aber ein richtig fantastischer Schauspieler. Schon wie er in "Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa" (1994) diesen jüngeren Bruder mit Behinderung gespielt hat, das ist einfach atemberaubend - und damals war er 17. Er konnte schon immer irrsinnig toll spielen und kann das bis heute. Insofern ist es höchste Zeit!