Bauarbeiter verrät ZDF-Reporterin sein Gehalt - und fragt wütend: "Ist das fair?"

Sarah Tacke hat sich einer komplizierten Aufgabe gestellt. Die ZDF-Journalistin möchte von den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland wissen, wie viel Geld sie mit ihrem Job eigentlich genau verdienen. Noch immer ein Tabuthema, wie die 42-Jährige in der Doku "Die Wahrheit über Arbeit und Geld: Was verdient Deutschland?" (Dienstag, 2. September, 20.15 Uhr, im ZDF und ab sofort in der ZDF-Mediathek) schnell erfahren muss. Einige der Befragten zeigen sich aber auch offen und gewähren interessante Einblicke in ihr aktuelles Gehalt. Vor allem in einer Branche werden massive Missstände deutlich.
"2024 war ein gutes Jahr für Löhne - aber auch für alle?", fragt Sarah Tacke am Anfang des ZDF-Films von Maik Gizinski und Juliane Kussmann. Die Journalistin besucht ein Unternehmen aus München auf ihrer Incentive-Reise (auch als Belohnungs- oder Motivationsreise bekannt) in Salzburg. Dort wird fünf Tage lang auf Kosten des Geschäftsführers Ski gefahren - etwas, wovon viele Angestellte nur träumen können. Die Kosten für den Ausflug: rund 100.000 Euro. Doch sind die Gehälter des Unternehmens ähnlich großzügig?
Als Sarah Tacke das wissen möchte, kommt in der Gruppe Gelächter auf. "Ich bin zufrieden", sagt einer nur. Genaue Zahlen möchte er allerdings nicht nennen. Dieser Haltung schließt sich der Rest unverzüglich an. Letztendlich geht eine mutige Frau aber dann doch voran: "Ich finde schon, dass die Kultur offener dafür sein sollte", meint sie und gibt nach kurzem Zögern ihr Gehalt preis: 48.000 Euro im Jahr. Die anderen Befragten schweigen weiter.
Als Sarah Tacke nachhakt, ob es sich bei der genannten Zahl um den geringsten Verdienst der Runde handelt, zeigt sich der Geschäftsführer plötzlich offen: "Ja!", verkündet er, nachdem er die Truppe kurz noch einmal der Reihe nach gemustert hat. Sein eigenes Gehalt hält er geheim - so wie offenbar 87 andere Geschäftsführer, Vorstände und CEOs auch, die das ZDF kontaktiert hat, wie es in der Doku heißt.
66-Jährige mit Mindestlohn zufrieden: "Ich fühle mich nicht nach Unterschicht"
Die ZDF-Journalistin trifft Ingrid Hofmann, eine der erfolgreichsten deutschen Business-Frauen. Mit I. K. Hofmann hat sie vor 40 Jahren ihr eigenes Unternehmen gegründet. Sie findet: "Für mich ist Geld und das, was ich verdiene, die umgewandelte Energie für das, was ich bereit bin, zu leisten." Ihr Verdienst ergibt sich aus einem festen Jahresgehalt und einem erfolgsabhängigen Bonus - und zwar im "höheren sechsstelligen Bereich", wie sie angibt. Dafür arbeite sie allerdings laut eigenen Aussagen sechs Tage pro Woche und "zwischen 50 und 60 Stunden". Mit ihr tauschen würden deswegen nur die allerwenigsten wollen.
Viel Verantwortung trägt auch Sandra Grab - allerdings nicht als selbstständige Unternehmerin, sondern als Erzieherin. Ihr Gehalt: 3.737 Euro brutto im Monat. Das sei in dieser Branche vergleichsweise viel, merkt Sarah Tacke an. Sandra Grab erzählt: "Einerseits mache ich den Job sehr gerne. Ich liebe die Arbeit mit den Kindern. Und andererseits denke ich mir oft: Die Verantwortung, die wir wirklich tragen - na klar kann die besser entlohnt werden."
Wer wenig verdient, ist allerdings nicht unbedingt automatisch unglücklich, wie eine 66-jährige Frau in der ZDF-Doku zeigt. Sie arbeitet zweieinhalb Wochen im Monat in einer Reinigung und erhält lediglich den Mindestlohn. "Ich fühle mich nicht nach Unterschicht", gibt sie sich mit ihrem geringen Einkommen dennoch zufrieden: "Ich messe den Wert eines Menschen nicht nach dem, was er verdient, sondern nach seinem Wesen, seinem Charakter. Das ist mir wesentlich wichtiger als das, was dann auf dem Konto steht."
Bauarbeiter erhält Großteil seines Einkommens schwarz
Auch auf dem Bau gilt eigentlich der Mindestlohn. Die Realität sieht hier allerdings oft vollkommen anders aus: Reporter Sascha Lübbe berichtet, dass häufig ein Teil des Geldes legal auf das Konto ausgezahlt werde und "den Rest bekommt man schwarz". So könnten Bauarbeiter auf bis zu 3.000 Euro kommen, schildert er weiter. Er kenne aber auch Migranten, die gerade einmal drei oder sechs Euro pro Stunde bekämen. Laut Zollbeamten komme es auf jeder Baustelle in Deutschland zu solchen Verstößen - "auf jeder!", wiederholt Sarah Tacke entsetzt.
Die Journalistin trifft einen betroffenen Rumänen in Frankfurt am Main. "Er wohnt in einfachsten Verhältnissen, freundlich gesagt", schildert Sarah Tacke die Situation des Bauarbeiters, der unerkannt bleiben möchte. Er arbeite seit über 20 Jahren in Deutschland und ließ sein zehnjähriges Kind zurück, um ihm eine bessere Zukunft zu ermöglichen. "Wir arbeiten zehn Stunden, mal elf Stunden, das ist immer unterschiedlich. Und mein Nettogehalt, das sind 3.000 Euro", erklärt der Rumäne. Davon seien etwa 120 Stunden offiziell ausgezahlt, "den Rest bekommt man auf die Hand. Auf der Abrechnung stehen vielleicht 1.250 Euro drauf, höchstens".
Das bedeutet aber auch eine sehr kleine Rente - und an krank werden ist kaum zu denken. Was dem Bauarbeiter außerdem übel aufstößt: "Man macht die Hauptarbeit, doch jemand anderes kassiert das Geld." Er nennt ein Beispiel: "Wir, die Bauarbeiter, haben ein Gebäude fertig gebaut. Dann muss es eingeweiht werden. Dann kommen irgendwelche Leute aus dem Bürgermeisteramt und machen ein kleines Fest unter sich. Und wir, die Arbeiter, werden zur Seite geschoben und bekommen nicht mal ein Brötchen als Dankeschön. Ist das fair? Wer hat da gearbeitet? Die oder wir?"
Den Job erfülle er trotzdem mit Stolz. Unter Tränen erzählt er Sarah Tacke, dass er das alles mache, damit es seiner Familie in Rumänien besser geht. Reporter Sascha Lübbe merkt an, dass ohne solche Schwarzarbeiter "Bereiche der deutschen Wirtschaft wahrscheinlich kollabieren würden". Denn von der illegalen Arbeit würden letztendlich alle profitieren - nur der Staat nicht.