Straftäterinnen klagen im ZDF über Frauenknast - JVA-Beamtin empfindet "absolut kein Mitleid"

Die Justizvollzugsanstalt in Frankfurt ist der größte Frauenknast in Deutschland. Wie es in so einem Gefängnis aussieht und wie es den Inhaftierten dort ergeht, zeigt die ZDF-Doku "Knast in Deutschland". Dabei sprechen die Filmemacherinnen nicht nur mit den Insassinnen, sondern auch mit den Beamtinnen vor Ort. Schnell wird klar: Für viele Frauen ist die Haft mehr als ein Verlust der Freiheit.
Deutschlandweit sitzen knapp 2.500 Frauen im Gefängnis - das entspricht nur sechs Prozent aller Inhaftierten. Viele von ihnen verlieren im Knast auch den Kontakt zu ihrer Familie und zu ihren Kindern. In der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Frankfurt befindet sich aber auch ein geschlossenes Mutter-Kind-Heim - das erste seiner Art. Hier leben Kinder in einem Alter bis zu drei Jahren mit ihrer Mutter, sofern diese zeitnah entlassen wird oder in den offenen Vollzug wechselt.
"Wir sind ja hier, weil wir Straftaten gemacht haben, aber nicht die Kinder"
Katharina A. ist wegen Betrugs und Bewährungswiderrufs noch ein Jahr und drei Monate hier. Sie hat ihr inzwischen drei Monate altes Baby während ihrer Haft zur Welt gebracht. "Das war sehr kompliziert", erzählt sie in der ZDF-Doku, dass während der Geburt nur die Beamten dabei sein durften: "Man fühlt sich beobachtet."
Von den Regeln im Mutter-Kind-Heim ist Katharina A. alles andere als begeistert: "Wenn wir was für die Kinder brauchen oder haben wollen, müssen wir einen entsprechenden Antrag stellen. Hier müssen erst mal die Erzieher entscheiden, ob mein Kind das überhaupt braucht. Was das Kind isst, das wird hier alles vorgeschrieben." Das fühle sich an, als könne man nicht über sein eigenes Kind entscheiden. Weiter kritisiert sie: "Wir sind ja hier, weil wir Straftaten gemacht haben, aber nicht die Kinder."
Lisa M. fürchtet die Entlassung: "Ich kenne das Leben draußen einfach nicht mehr"
Lisa M. befindet sich im Langstrafenvollzug für Frauen, die noch über zwei Jahre sitzen. Ihre drei Kinder hat sie seit Jahren nicht gesehen und aus Angst vor ihrem gewalttätigen Ehemann weggegeben. Kein Einzelfall: Knapp 80 Prozent der Inhaftierten haben Gewalt in Beziehungen erlebt. Die 33-Jährige ist zudem drogenabhängig und wurde unter anderem wegen Betrugs und Diebstahls zu fünf Jahren Haft verurteilt. "Drogen haben in meinem Leben eine Hauptrolle gehabt", gesteht sie dem ZDF-Team: "Ich habe mit zwölf schon angefangen. Irgendwann haben die Drogen einen im Griff."
Im Gefängnis macht sie nun eine Ausbildung in der Systemgastronomie - eine Chance für einen Neustart. Von einem Teil ihres Gehalts kann sie alle zwei Wochen über eine Bestellliste Einkäufe tätigen, der Rest wird für die Zeit nach der Inhaftierung gespart. Doch vermisse sie es, auch selbst in einem Laden einkaufen zu können, "oder auch mal aus dem Fenster gucken zu können, ohne direkt ein Gitter vor dem Gesicht zu haben".
Am schlimmsten sei es aber, wenn abends die Tür für den Nachtverschluss zugeht: "Dann kann es halt auch passieren, dass man hier drinnen einfach sitzt und losheult. Und man kann nicht einfach mal eine WhatsApp an die Eltern schicken und sagen: 'Mama, kannst du vorbeikommen? Ich brauche dich jetzt'", wird Lisa M. emotional. Vor der Entlassung habe sie dennoch "ziemlich große Angst". Sie fürchtet: "Ich kenne das Leben draußen halt einfach nicht mehr."
Kontrollen mit Spürhunden: "Es gibt nichts, was es nicht gibt"
Ein Stück Normalität verleiht zumindest das gemeinsame Essen mit den anderen Inhaftierten. Je nach Wochentag können sich die Frauen vier bis acht Stunden auf der Station frei bewegen. Im Gegensatz zum Männervollzug darf hier neben den Häftlingsklamotten auch private Kleidung getragen werden. Die Anzahl der Kleidungsstücke ist allerdings begrenzt und wird regelmäßig kontrolliert.
Reetz ist seit 2017 Beamtin und hat bei ihren unangekündigten Kontrollen schon so einiges erlebt. Nicht selten findet sie Tabletten, teilweise hätten Häftlinge auch versucht, Waffen herzustellen, erinnert sie sich. Bei Lisa M. werden trotz eines Verbots Büroklammern und zu viele Feuerzeuge gefunden. Sie kommt noch mal mit einer Verwarnung davon.
Monatlich finden auch drei bis vier Kontrollen mit Spürhunden in der JVA statt. "Es gibt nichts, was es nicht gibt", hat Diensthundeführerin Stöckel mit ihren Vierbeinern hier schon die ausgefallensten Verstecke entdeckt. Details werden aus Sicherheitsgründen jedoch nicht verraten.
JVA-Beamtin empfindet "absolut kein Mitleid"
Wie Reetz berichtet, hätten Angriffe auf die Beamten in den vergangenen Jahren zugenommen: "Wir haben halt in der Regel mehr mit psychisch auffälligen Menschen zu tun. Das liegt auch da dran, dass die ganzen Einrichtungen für die Menschen zu voll sind, also kommen sie ins Gefängnis. Wir sind dafür nicht ausgebildet und müssen dann mit der Situation umgehen", so die Beamtin.
Für die Insassinnen empfinde Reetz "absolut kein Mitleid, weil ich immer denke, jeder trifft seine Entscheidungen. Und es ist ja nicht schlimm, ins Gefängnis zu gehen. Also manchen hilft es", begründet sie ihre Haltung. Wer im Gefängnis war, werde in der Öffentlichkeit grundsätzlich als schlechter Mensch abgestempelt. Das sei für die Beamtin nicht gerechtfertigt: "Es hat ja nichts mit dem Menschen an sich zu tun. Es kommt immer ganz darauf an, was für eine Straftat begangen worden ist und warum." Zur Wahrheit gehört allerdings auch dazu: Etwa jede dritte Inhaftierte wird nach ihrer Entlassung erneut straffällig.
Die komplette ZDF-Doku "Knast in Deutschland - Frauen, Gitter, Hoffnung" ist am 1. Juni um 12.15 Uhr bei ZDFinfo zu sehen und schon jetzt beim ZDF-Streamingportal.